Grün

Ein Ehepaar, ein Hund und ein Wohnmobil: Digitale Nomaden unterwegs

geschrieben von Marinela Potor

Einer meiner Zukunftsträume ist es, im Rentenalter mit dem Wohnmobil durch Europa zu touren. Ich glaube, das ist so meine Vorstellung von einem „sesshaften” Nomadenleben, eins, in dem das eigene Haus immer mit dabei ist.

Steffi (40) und Olaf (45) plus  Hündin Lucy sind mir da schon einen Schritt voraus. Seit neun Jahren reisen sie als digitale Nomaden mit ihrem mehr oder weniger selbstgebastelten LKW-Wohnwagen durch die Welt. Als ich die beiden im Netz entdeckt hatte, wollte ich natürlich gleich mehr über ihr Leben wissen. Ich habe mit Steffi unter anderem darüber gesprochen, warum sie sich gerade für diese Art von digitalem Nomadenleben entschieden haben und wie sie das überhaupt meistern.

Ihr wohnt und reist seit vielen Jahren in einem umgebauten LKW-Wohnwagen Beschreibe eure Wohnsituation etwas genauer. Wie kann man sich euer mobiles Haus denn vorstellen?


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Steffi: Wir haben einen fast 50 Jahre alten LKW, genauer gesagt einen Mercedes Benz LA 710, auch Kurzhauber genannt. Der Koffer des LKW ist zum Wohnen ausgebaut. Auf 9 qm gibt es ein Bett, einen kleinen Tisch, eine Küchenzeile und ein winziges „Bad”. Ich nenne das Bad in Anführungszeichen, denn eigentlich ist das nicht der richtige Begriff. Es ist ein abgetrennter Raum, wo unsere Toilette drin steht und sich ein Wasserhahn mit Waschbecken befindet. Man mag es vielleicht kaum glauben, aber für uns ist das Leben im Laster Luxus pur. Auf unseren ersten Reisen waren mit dem Rad unterwegs und danach hatten wir einen VW-Bus. Da sind die jetzigen 9 qm wahrlich luxeriös.

Du hast vor deinem Nomadenleben in einer Bank gearbeitet. Wie kam der Sprung vom Bänker-Dasein zum Nomadenleben?

Evolution? Nee, Quatsch. Ich habe ganz einfach festgestellt, dass in mir kein Banker steckt. Also habe ich mir eine Auszeit genommen. Aus den geplanten zwei Jahren sind mittlerweile allerdings neun geworden.

Du legst viel Wert auf ein autarkes Leben. Warum ist dir das so wichtig?

Ich möchte frei sein. Meine Entscheidungen möglichst unabhängig treffen und ein selbstbestimmtes Leben führen. Mit allen Konsequenzen. Das ist mir wichtiger also viel Geld zu verdienen und es im Eigenheim gemütlich zu haben.

Auf deinem Blog schreibst du, dass du nicht das Gefühl hast zu reisen, sondern mobil zu wohnen. Was genau meinst du damit?

Im Wohnmobil lebend habe ich mein Zuhause immer dabei. Das fühlt sich für mich ganz anders an, als mit dem Fahrrad die Welt zu bereisen. Es ist längst nicht so abenteuerlich und aufregend.

Was gefällt dir denn so gut an eurem Leben und Reisen auf Rädern? Ihr macht das ja nun wirklich schon sehr lange.

Ich bin gerne unterwegs. Mittlerweile mag ich es gar nicht mehr, immer an einem Ort zu sein. Ich finde es toll, im Winter in den Süden fahren zu können und den Sommer bei Freunden in Brandenburg oder anderswo zu verbringen. Außerdem liebe ich es, draußen zu sein. Im Haus lebend verbringe ich viel zu viel Zeit drinnen. Im Wohnmobil bin ich viel mehr in Kontakt mit der Welt, der Natur und dem Wetter.

Lucy in Spanien

Ihr seid vorher mit dem Fahrrad gereist, warum der Umstieg auf den Wohnwagen?

Mit den Fahrrädern waren wir in Thailand unterwegs. Im Winter darauf wollten wir nach Marokko – wegen des Wetters hatten wir keine Lust auf Radfahren und Zelten und sind deshalb auf VW-Bus umgestiegen. So wuchs die Idee ganz im Wohnmobil zu leben. Der VW-Bus war uns dann aber doch eine Nummer zu klein. Wir sind also im Frühling zurück nach Deutschland und haben uns nach etwas größerem umgesehen.

Ich kann mir vorstellen, dass man wenn man mit Gefährt / Wohnung auf einmal unterwegs ist, auch viele technische Probleme aufkommen. Seid ihr mittlerweile halbe Automechaniker?

Wir haben uns im Laufe der Zeit eine ganze Menge Wissen über unser Fahrzeug angeeignet. Das Schöne an so einer alten Kiste ist ja, dass es recht einfache Technik ist. Es gibt keine Elektronik, alles läuft mechanisch und da alles so schön groß am LKW ist, ist das Arbeiten am Auto recht angenehm.

Fällt dir auf so engstem Raum nicht mal die Decke auf den Kopf?

Klar. Aber ich kann ja jederzeit raus gehen. Drinnen ist nicht viel Platz und wenn wir gleichzeitig was machen wollen, stehen wir uns gegenseitig schon ziemlich im Weg. So ein Leben im Wohnmobil ist nur sinnvoll, wenn auch das Draußen vollständig in den Lebensraum integriert wird – so haben wir also eigentlich viel mehr Platz als alle anderen Menschen auf dieser Welt. Bis auf diejenigen, die ebenfalls draußen leben.

Apropos wenig Platz, ihr beide lebt ja auf allerengstem Raum zusammen, wie schafft man sich als Paar da Freiräume?

Freiraum hat nichts mit dem physischen Raum um mich herum zu tun. Man kann als Paar einen riesiges Haus bewohnen und trotzdem keinen Freiraum für sich haben. Freiraum ist in uns und durch gegenseitigen Respekt und Liebe wird er erhalten und gefördert.

Trotzdem, wie ist das, wenn ihr mal streitet – wie geht man sich da aus dem Weg oder wie geht ihr generell mit Konflikten um?

Wir gehen uns nicht aus dem Weg. Wir reden.

Olaf und Steffi

Du hast mal gesagt, dass du dich manchmal nach einem Ort sehnst, in dem Wasser und Strom aus der Wand kommen. Gibt es sonst Dinge, die dir aus deinem sesshaften Leben fehlen?

Vielleicht sehne ich mich manchmal, sehr sehr selten, nach einem sesshaften Leben. Ansonsten sind ein nomadisches und ein sesshaftes Leben so grundverschieden, dass ich mit einem Teil aus dem sesshaften Leben in meinem jetzigen Leben gar nichts anfangen könnte.

Seid ihr permanent in eurem Gefährt unterwegs? Habt ihr noch irgendwo ein traditionelles Haus?

Wir sind zwar nicht permanent unterwegs, leben aber permanent im LKW.

Wie und was arbeitet ihr eigentlich genau und wie organisierst ihr euch WLAN / Internet in eurem Gefährt?

Wir haben in unserem alten Leben hart gespart und müssen deshalb gar nicht so viel arbeiten. Wir betreuen aber zum Beispiel Webauftritte von kleinen Unternehmen, schreiben Texte für Auftraggeber und betreiben, als echte Algarve Fans, die Reiseseite Algarve pur. Ins Internet kommen wir über einen mobilen W-Lan Router (MIFI) mit einer lokalen SIM Karte.

Gibt es eigentlich gesetzliche Probleme, mit dem LKW-Wohnwagen langfristig an Orten zu „parken”?

Leben im Wohnmobil kommt in deutschen Gesetzbüchern nicht vor. Daher treffen wir hier und dort schon auf Schwierigkeiten, weil unser Lebensmodell nirgends geregelt ist. Was ja auch Vorteile hat – wenn nichts geregelt ist, ist alles möglich.

Gibt es Menschen, die euch für verrückt halten?

Die Leute machen sich so ihre Gedanken, bestimmt halten uns manche auch für verrückt. Oft haben sie aber auch völlig falsche Vorstellungen, oder gar Vorurteile. Die meisten reagieren auf uns und unseren Lifestyle aber positiv und mit Neugierde.

Welche Tipps oder Ratschläge hast du für Nomaden, die euren Lebensstil auch gerne leben möchten?

Probiere es aus! Miete dir über´s Wochenende ein Wohnmobil, leihe dir eins über die Wintermonate (da stehen viele Wohnmobile ungenutzt im Winterlager) und fahre einfach los. Ein Zurück gibt es immer.

Vielen Dank für dass Gespräch – und vielleicht sollte ich das mit dem Wohmobil auf Probe tatsächlich mal probieren!

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

Kommentare

  • Im Leben hart gespart und müssen jetzt kaum noch arbeiten? Seriously? Die beiden sind Mitte 40, haben also sicherlich nicht mehr als 15 Berufsjahre in einer Festanstellung hinter sich. Klingt dubios…

    • Hallo Ben,
      ein klassisches Gehalt ist sicher nicht der einzige Weg, um Geld zu verdienen. Ein bekannter von mir ist durch geschicktes Anlegen und Investieren mit 40 in „Rente“ gegangen. Darüber hinaus musst du aber auch bedenken, dass die beiden keinen luxuriösen Lebensstil und keine grösseren Ausgaben (Miete, Hypotheken etc.) – es ist also möglich.

  • Ich sehe das so ähnlich wie Marinela.

    Nicht jeder muss bis er 60 oder 70 ist arbeiten. Vor allem wärst du sicher überrascht zu sehen, wie viel Geld am Ende des Monats übrigbleiben kann, wenn man nicht in Saus und Braus lebt, sondern ein bisschen spart.

    Da kann jeder seinen eigenen Weg gehen…