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Abmahnungen: Über die Hälfte der Blogger sind beeindruckt

hatte letzte Woche eine Umfrage gestartet und gefragt, ob man aufgrund der Abmahnfälle sein Blogverhalten geändert habe.

Ergebnis:
Blogverhalten und Abmahnungen

Manche haben explizit ihr Verhalten geändert (vorsichtiger und weniger kritisch bloggen, hinzukommt bei manch einem neuerdings die Kontrolle der Kommentare hinzu). Bei den anderen 50,72%, die sich auf den ersten Blick unbeeindruckt zeigen, muss man auch hier einige Blogger dazuzählen, die wegen der Abmahnfälle mit Sicherheit vorsichtiger bloggen als zu Beginn ihrer Blogzeit („Keine Änderung“) bzw. immer schon darauf geachtet haben, in keine Mine zu treten.


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Nun gab es ja auch auf dem Barcamp dazu gar eine eigene Session, was man tun kann, um die Meinungsfreiheit nicht vollends mit der herrschenden Rechtsunsicherheit zu ersticken. Immerhin sind 50% oder gar mehr für mich ein brutales Ergebnis. Und dabei denke ich nicht an die Extrema, die Unternehmen oder Personengruppen oder Einzelpersonen aufs heftigste beleidigen, sondern einfach nur sich kritisch äußern. Aktuelles Beispiel Callactive, um das mal konkret zu machen. Ich kann eine Art von „Naturgesetz“ veröffentlichen, die sog. Normalverteilung. Die ganz häufig folgenden Verlauf annimmt:
normalverteilung
Wikipedia: Viele natur-, wirtschafts- und ingenieurswissenschaftliche Vorgänge lassen sich durch die Normalverteilung entweder exakt oder wenigstens in sehr guter Näherung beschreiben

Übertragen auf Callactive kann ich nun fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass im Verlauf eines Gewinnspiels manche Anrufer zu Beginn, in der Mitte oder am Ende mit der richtigen Anwort aufschlagen. Es müsste mit dem Teufel zugehen, dass regelmäßig richtige Anrufer erst am Ende durchkommen. „Am Ende „ist hierbei keine festgelegte Spieldauer, was die Analyse erschwert, sondern man kann quasi das Ende als das betrachten, was der Spielmoderator von sich gibt („nur noch 5 Minuten, jetzt langt es, wir legen auch noch 10 Glasperlen dazu“). So könnte ich auf folgende Verteilung kommen, wann die Calls mit den richtigen Antworten kommen:
anruferverteilung
Das ist eine ungewöhnlich schiefe Verteilung mit einer markanten Häufung, dass Anrufer zu blöd sind, die richtige Lösung zu erkennen oder aber Callactive lediglich Spiele für Menschen mit einem IQ über 130 designt. Also macht man eine Gegentestreihe und lädt 100 zufällig ausgewählte Personen in eine Halle ein und spielt die Aufgaben von Callactive nach. Ich verwette meinen Hintern, dass aus der schiefen Verteilung auf einmal eine typische, gleichverteilte Kurve herauskommt. „Links“ wenig, Mitte viel, rechts wenig.

Jetzt kann man sagen, dass das eine akademische Hypothese ist, die aufzeigt, dass bei Callactive im Durchschnitt nur die weniger begabten Menschen anrufen. Oder aber man zweifelt die Methoden von Callactive an. Und Callactive mahnt nun daraufhin ab, da man dem Verein keine Unseriösität vorwerfen kann, sondern lediglich eine geschickte Verkaufsstrategie, die zu dieser ungewöhnlichen, schiefen Verteilung führt. Weil man Normalverteilungen eben nicht wie Wahrscheinlichkeitsrechnungen handhaben kann, da angeblich Menschen keiner Gesetzmäßigkeit folgen. Es also zwingend so ist, dass alle Menschen superclever sind. Entgegen der statistischen Untersuchungen, die immer wieder das Gleiche besagen. Selbst in medizinischen Bereichen. Nur, woher soll ich jetzt wissen, wie hoch mein Abmahnrisiko mit so einem Beitrag ist?

Anyway, will sagen: lest Euch den Beitrag bei Ringfahndung durch (Der Meinungsfreiheit größter Feind, die Abmahnkeule und die Politik), der zwei Bundestagsabgeordnete dazu gefragt hat. Olaf Scholz (SPD) und Marcus Weinberg (CDU). Weinberg hat schriftlich geantwortet, sehr spannend. Es geht hierbei nicht um Callactive per se, sondern um die These, dass die Regelung der Meinungsfreiheit im Kontrast zur Rechtssprechung steht, die häufig dazu führt, dass man seine Meinung immer weniger kundtun kann. Und das Problem wird durch die teilöffentliche Wirkung des Internets immer dringlicher, je mehr Menschen das Netz als Informationsplatfform nutzen, sich zu erkundigen.

Teilöffentlichkeit? Wieso denn das? Das Netz ist per se in vielen Bereich öffentlich. Aber das Image des Internets als Öffentlichkeit im Sinne von Meinungsbildung und gesellschaftlicher Relevanz wird in vielen Teilen der Gesellschaft, insbesonders der Presse negiert. So sieht die Fresspyramide der Öffentlichkeitsproduzenten aus, die uns sagen, wie die Welt da draußen funktioniert und tickt:
wahrnehmung der Umwelt
Obwohl das Netz regelmäßig von rund 40 Millionen Menschen im Netz mal weniger mal mehr genutzt wird. Aus diesem Grunde habe ich einen kleinen „Pfeil“ eingezeichnet, der andeuten soll, wie das Netz bzw. genauergesagt die öffentlichkeitswirksame Wahrnehmung des Webs in Zukunft angesehen werden könnte. Schön und gut. Das Dumme: immer mehr Menschen drängen ins Netz und sie nutzen es immer intensiver. Sie übertragen dabei ihre Erfahrungen, wie man sich in den vier Wänden zu Hause bewegt und worüber man spricht, natürlich auf dieses Geprächs- und Austauschmedium. Insbesondere Blogger kennen und lernen aktiv mit, welche Probleme dabei auftauchen. Diskussionen um Social Networks und der persönlichen Hinterlassenschaften von Einzelpersonen sind nur ein Teilbereich von vielen. Im Gegensatz zu den etablierten Medienorganisationen verfügt man jedoch nicht über eine Rechtsabteilung, die uns ständig sagt, welche Äußerung nun gefährlich wird und welche nicht. Doch genau das wird erwartet, wenn man vor Gericht steht. Dabei reicht es eben nicht, sich auf das Grundgesetz zu berufen und zu meinen, jede Meinung wäre frei, weil nicht alle Meinungen juristisch gesehen Meinungen sind, sondern auf einmal falsche Tatsachenbehauptungen, Verleumdungen, Rufschädigung und was weiß ich noch.

Da nun aber das Netz nicht das Image der Öffentlichkeitswirksamkeit wie zB der eines TV-Senders besitzt, das auch allerorten gepredigt wird, wird der Betroffene nun damit konfrontiert, dass es eben doch keinen Unterschied macht. Blogger lernen das schneller als die Internetnutzer, die nicht bloggen, sondern hin und wieder ein Bild hochladen, da mal kommentieren und dort mal meckern. Insofern sollten zB hinsichtlich der geltenden Rechtssprechung Kommentare in Blogs oder Foren immer unter dem Aspekt zu betrachten sein, ob das allgemeine Verständnis der Nutzer mehr von einem Privatraum als von einem öffentlichen Raum ausgeht. Ich wette, das es den meisten Nutzern so geht: Wenn jemand was kommentiert, denkt er nicht daran, dass er ähnlich einem TV-Sender gerade eine Sendung produziert hat. Woher soll er denn auch wissen, dass mein Blog mehr gelesen wird. Und woher soll er wissen, dass ein anderes Blog weniger gelesen wird und er dennoch vor den Kadi kommt? Es war ein privates Gespräch, nicht als öffentliche Aussage im ARD gedacht. Das Dumme: sowas bekommste nicht auseinanderdividiert.

Was bleibt? Die Richter sollten sich mal das Netz antun und es endlich verstehen lernen. Sonst wird weiterhin jedes Urteil wie gewürfelt aussehen. So steigt mein Risiko als Webmaster exponentiell an, denn ich produziere nicht, sondern ich muss das Risiko tragen, dass mindestens einer der 50.000 Kommentare abmahnwürdig erscheint. Da ich 50.000x + 8.000x (Anzahl Postings) an mich und andere juristisch denken muss. 58.000 Chancen, verknackt zu werden, weil einer meint, er sei im Recht und wir im Unrecht. Interpoliert man den Spaß aufs gesamte deutsche, meinungsproduzierende Netz, wird man wohl auf Milliarden von Chancen kommen, Fehltritte festzustellen. In einem Medium, das zu einem überwältigenden Anteil als verlängertes Wohnzimmer wahrgenommen wird. Und das obige Ergebnis zeigt deutlich auf, dass das Recht das gesellschaftliche Leben nicht födert, sondern die Menschen hemmt. Ob das im Sinne der Legislative und Judikative war oder ist? Ich mach mein Kreuz bei „nein“.

Über den Autor

Robert Basic

Robert Basic ist Namensgeber und Gründer von BASIC thinking und hat die Seite 2009 abgegeben. Von 2004 bis 2009 hat er über 12.000 Artikel hier veröffentlicht.

12 Kommentare

  • Headline und Grafik 1. „Über die Hälfte der Blogger sind beeindruckt.“ Die erste Grafik zeigt 50,72 % der Teilnehmer als „unbeeindruckt“. Was denn nun?

  • Also Robert, du weißt ja grundsätzlich gebe ich dir recht, aber du willst doch nicht wirklich die Dinge, die bei call-in Sendungen ablaufen mit der Normalverteilung vergleichen.

    Dort endet etwas, wenn die Frage beantwortet ist, weil ja dann das Ergebnis verraten ist, also kommen die richtigen Antworten logischer Weise immer am Ende. Dass das dann zufällig meistens am Ende der Sendezeit liegt ist eine Frage der Geschäftspraxis. Wie viele richtige Antworten unter den Anrufern sind, die nicht durchgestellt werden, können wir nicht wissen, das Ergebnis entspräche dann aber bestimmt der Normalverteilung.

    Es ist wie beim Suchen, irgendeiner bringt immer den Spruch „immer da wo man zuletzt sucht“, ja natürlich genau da, weil man ja sonst auch nicht aufhören würde zu suchen. Das hat meiner Meinung nach rein gar nichts mit Normalverteilung zu tun. Oder ich bin zu blöd den wahren Sinn dahinter zu entdecken…

    Bei suche könnte man allerdings bestimmt die Normalverteilung auf die gebrauchte Zeit, die z.B. 100 Menschen zum finden benötigen anwenden.

  • ich kann Dir garantiert aus 10 Spielchen die Lösung zu 5 Spielen in unter einer Minute verraten. Aber auf keinen Fall brauche ich sogar 1 Stunde dafür. Du bist mit Sicherheit noch schneller, da Männer etwas lahmer sind. Die richtigen Anwtorten kommen also nicht immer nur am Ende, das ist imho völliger Unsinn. Aber kommen denn die Antworten in der Realtität immer nur zum Schluss, bevor das Spiel vorbei ist? *kratz* :))

  • Ja, aber du rufst ja auch nicht da an.

    Die Überlegung, dass Menschen mit höherem IQ, die die Lösung, auch wenn sie weniger Sex haben, zwangsweise wissen, bei solchen Spielchen nicht anrufen sollte also mit einbezogen werden.

    Würdest du dort anrufen wäre die richtige Antwort vielleicht bereits nach einer Minute da, was aber auch „am Ende“ ist, weils ja dann vorbei ist. Ich meine halt nur, dass deine Grafik da oben nicht mit der Normalverteilung verglichen werden kann, weil am Ende logischer Weise immer am Ende ist…

    Also… ähm… ich weiß nicht, wie ichs erklären soll, visuell kann ich das besser: Guck dir das mal an.

  • Wow, was für ein Tool nutz ihr (Robert und Kittyluka) für eure Graphen (sieht so das Web3.0 aus?)? Die haben so einen schicken Grundschulflair 😉
    Die Gedanken von Kittyluka hatte ich auch: Eine Aufzeichnung, ob eine richtige Antwort eher am Ende oder am Anfang kam, ist quatsch, denn nach einer richtigen Antwort ist das Spiel halt mal vorbei und somit ist die Antwort immer am Ende. Man sollte wohl eher eine Zeitachse in Minuten/Stunden nutzen, das würde mehr Sinn machen.
    Aber auch Kittylukas letzte Grafik ist nicht wirklich richtig, es sei denn, dass nur Alzheimer-Patienten als Grundlage dienen. Oder warum gibt irgendwann weniger menschen als vorher, die die richtige Antwort kennen? 8okay, neben der Alzheimer Lösung, könnte man auch annehmen, dass sie von der Sendung verdummt werden und der Teil „aber nicht anrufen, weil sie zu schlau dafür sind“ irgendwann nicht mehr zutrifft…
    Und auch Stefan gebe ich Recht, die Dissonanz zwischen Überschrift und Tabelle ist merkwürdig, auch wenn es im text versucht wird zu erklären.

  • Mh. Alzheimer ist eine Lösung… Aber eigentlich ist ja bei allen 3 Diagrammen so gemeint, dass nach der bestimmten Zeit, eine bestimmte Anzahl von Leuten letztendlich auf die Lösung kommen, so kommen z.B. 60 nach einer Stunde (mitte) auf die richtige Lösung und vielleicht 12 erst nach 90 Minuten, weil sie vorher eine falsche hatten und sich darauf festgesetzt haben… Es heißt also logischer Weise nicht, dass die, die die Antwort schon wussten, sie wieder vergessen haben… oder doch? Jetzt bin ich verwirrt.

    Das Programm ist übrigens nur für Auserwählte und wird an besondere Persönlichkeiten wie AlphaOmega-Blogger oder zukünftige Kaiserinnen kostenlos verteilt.

    Ich glaube die Überschrift lautete eigentlich so: „Abmahnungen: Über die Hälfte der Blogger sind beeindruckt wie viele Anwälte es sich mittlerweile in der Blogosphäre gemütlich gemacht haben und ihre zumeist nicht nachvollziehbaren Forderungen stellen, in Hinblick auf das Raum-Zeit-Kontinuum und des Durchschnitssverdienstes von Imbissbudenverkäufern“
    hat aber nicht ins Textfeld gepasst.

  • Mal aus der Praxis, Wohnzimmer hin, Wohnzimmer her:

    In meinem Blog entdeckte ich gestern eine Wortmeldung zu einem längst abgeschlossenen Beitrag, in welchem eine Lösung zu einem technischen Problem gesucht (und auch gefunden) wurde. Der neue Kommentar sah nun so aus:

    „Sollte Firma X diesmal wirklich nicht Schuld an der Misere gewesen sein? Gehört doch sonst nicht zu deren Geschäftsprinzipien!“

    Offenbar war da jemand stink sauer auf eine bestimmte Firma. Weiß der Teufel, was er zuvor mit dieser erlebt hat.

    Im ersten Moment versuchte ich cool zu bleiben und entschärfte die harten Worte durch eine entsprechende (entlastende) Erläuterung, einen eigenen Kommentar.

    Habe mich später aber doch dazu entschlossen, die Wortmeldung und meine freundliche Antwort aus dem Blog zu entfernen (-> erst mal ab in die Moderation, zum Nachdenken). Aber nicht deswegen, weil ich in diesem konkreten Fall eine Abmahnung befürchtete, wenngleich die „Meinungsäußerung“ in dieser Hinsicht sicherlich eher „riskanter Natur“ war, sondern deshalb, weil mir eine so pauschale Verurteilung eines Unternehmens in meinem Blog einfach zu heftig und für die betroffene Firma zu geschäftsschädigend erschien.

    Mit dem ersten Satz hätte ich wahrscheinlich kaum Probleme gehabt. Der zweite bereitete mir jedoch einiges „Unwohlsein“.

    Nun frage ich mich, ob von den Teilnehmern der Umfrage tatsächlich jemand anders entschieden hätte, den Kommentar also wirklich unmoderiert stehen gelassen hätte… (?)

  • […] Update 22.08.2006 No.2: Robert Basic  hat 207 Blogger gefragt, ob sie wegen der Abmahnfälle ihr Blogverhalten geändert haben. Und tatsächlich bloggen knapp 50% nun vorsichtiger. Ich denke, dass dieses Verantwortungsgefühl ein gutes Zeichen ist. Es wird vielen Befürwortern strenger Kontrollen und Vorprüfung von Kommentaren einigen Wind aus den Segen nehmen. Bisher wurden Blogger ja oft als sorglos und Gedankenlos bezeichnet. […]

  • ooh scheisse da hätte ich doch gern meinen Senf dazu gegeben. Als mich lässt das kalt, nachdem ja nun 16 Stück gegen mich fehlgeschlagen sind 😀