nein, um Gottes Willen, das wird jetzt kein Geschichtsband hier:) Lediglich eine Erweiterung des Artikels „10 Jahre Blogs„. Dort hatte ich gefragt, wann sich denn die deutsche Blogosphäre ungefähr kristallisiert hat. Btw, das hat nun nix damit zu tun, wer denn im Sinne eines Wettbewerbs hier der erste Blogger war. Mich persönlich interessiert mehr, wie sich die Szene formiert hat und wann sich die Websurfer selbst Blogger genannt haben. Dabei tauchen nun immer mehr Infos auf.
Ganz interessant ist der Beitrag auf convers.antville. Einfach mal in den Kommentaren wühlen. Allgemein geht man davon aus, dass sich das Bewußtsein, ein „Blogger“ zu sein, irgendwann um 2000 allgemein (!) bildete. Bei wenigen Bloggern, da es damals einfach herzlich wenig Blogger gab.
Und Melody hat mich informiert, dass es offensichtlich zu Beginn sowas wie zwei Lager gab, die sich gewissermaßen nicht gerade freundlich gegenüberstanden: die Tagebuchschreiber (siehe ein Beispiel, man beachte das Fehlen von Permalinks bei den Tageseinträgen, darauf gehe ich gleich noch ein. Auf dieser Seite werden klassischerweise Sprungmarken verwendet) und die Blogger. Wußte ich nicht mal, dass es so eine wie auch immer gefühlte Unterscheidung gab. Das war jedoch nicht nur ein typisch deutsches Phänomen, wie man language@internet nachlesen kann, toller (wenn auch älterer) Artikel zu der Szene der Webdiaristen, u.a. heißt es dort:
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First I will provide some background on the diary“s history as an online form. Diaries began to appear on the Internet in 1995, typically developing out of the personal home pages of individuals already involved with Internet technologies (Astruc, Leitch-Thompson and Wade n.p.). In 1997 people started creating pages that became known as Weblogs (or „blogs“?)“these were daily lists of annotated links to other sites, without extended commentary or personal narratives. They acted as filters for the burgeoning content of the Web and directed readers to material the blogger found particularly worthwhile. In 1999 free software became available that allowed users who did not know HTML to make and post a blog or diary. As a result, blogging became an accessible activity for significantly more people, and the numbers of both diaries and blogs mushroomed (Blood „Weblogs“? 8). (Now in 2004 there are hundreds of thousands of blogs and diaries online.) With the huge influx of new writers into the blogging and online diary communities, both forms evolved to suit these users“ needs. Collapsing these related forms into one, the latest generation of writers marry personal narratives (like a diary) with critical commentary about the Web and its content (like a blog), drawing on the Internet culture to speak to and for other „Netizens.“?
Interessant? Für mich schon. Dass aus zwei grundsätzlich unterschiedlichen Richtungen ein Bedarf bestand, ins Netz zu schreiben, der dann in die Entwicklung von uns heute bekannter Blog-Software mündete.
man hatte am Anfang dann zunächst beides parallel. Diary und Blog verschmolzen so 2002, die Übergänge verschwanden dann allmählich. Anfangs waren Blogs bei den Tagebuchschreibern nicht so beliebt, weil die Blogger sich so herablassend gaben. In 2001 war der Begriff Blogger dann jedenfalls schon lange etabliert:
www.x-7.de/extra/bloggerparty.htm. Ich meine ja, es begann im ersten Quartal 1999, dass wir mit blogger.com experimentierten, viele von uns zunächst parallel livejournal-accounts oder diaryland-blogs hatten… Ich glaube, so ab 2003 gab es keinen großen Unterschied mehr, ob man nun Blogsoft benutzte oder vielmehr, ob das, was man damit schrieb, nun Diary oder Blog hieß…. Tatsache ist, dass Tagebuchschreiber nach und nach ganz viele Dinge von selbst taten, die dann bei den Blogs auch auftauchten: Aktuellster Eintrag oben, ein Archiv, Permalinks, Blogroll … dann probierten die ersten Blogsoftware aus und sie verbreitete sich sehr schnell, ohne dass noch viel über die Inhalte dann diskutiert wurde. Schnell: 1- 1,5 Jahre.
Interessant erscheint mir neben den unterschiedlichen Szenen auch die Tatsache, dass die „Erfindung des Permalinks“ Blogs zu einem Durchbruch verholfen hat, so die anscheinend vorherrschende Meinung. Siehe zB Kottke, März 2000. Das mag sich sicherlich komisch anhören, denn das Netz besteht seit jeher aus Links. Doch findet man heute immer noch recht altertümlich anmutende Newsseiten, deren einzelne Artikel nicht verlinkbar sind, stattdessen verlinkt man auf die News-Startseite und der Leser muss sich durchwühlen (hier ein Beispiel, wie ein Blogger anno dazumal die Permalinks für sich entdeckt, 2001). Permalinks haben eine wesentlich direktere Kommunikation zwischen Blogs ermöglicht. Witziges Randdetail: nebst Dave Winer und Jason Kottke wird auch Evan Williams ein wichtiger Beitrag zur „Erfindung des Permalinks“ im Umfeld der Blogs zugesprochen. Denn Blogger.com scheint als eine der ersten Blog-CMS Permalinks eingeführt zu haben. Siehe dazu den Beitrag von Matthew Haughey. Evan ist ja heute mehr als Twitter-Gründer bekannt, doch war er auch der Gründer von Blogger.com, das heute zu Google gehört. Siehe hierzu den Abschnitt History.
Das Thema Trackbacks kann man als Erweiterung der direkten Kommunikation betrachten, das kam durch die Firma Six Apart auf, anno 2002 und setzte sich erst allmählich durch. Kann mich noch relativ gut an die Diskussionen erinnern, bis wir einigermaßen verstanden hatten, was die überhaupt wollten und was das zum Teufel sein soll. Zu Beginn war das mehr eine Qual, denn kaum ein Blog-CMS konnte Trackbacks verarbeiten, so kann man bis heute an Blogger.com Blogs keine TBs „verschicken“. Und wenn das CMS es doch konnte, gab es mangels Standards immer noch Probleme, einen TB zu senden (wordpress konnte nicht mit movable type reden bspw).
Ein wohl eher unwichtiges Randdetail: vormals besaß jedes Blog eine Kalenderansicht in der Sidebar. Heute aber sieht man diese Funktion nur noch recht selten, sie ist quasi aufgegangen in den Monatsarchiven. Obwohl Systeme wie WordPress nach wie vor eigene Kalenderfunktionen anbieten, um so ein Kalenderblatt darzustellen. Warum diese Abkehr? Kann sein, dass mit dem Aufgehen der Diaristen-Szene in die Blog-Szene (kann man das so sagen?) der Tag per se nicht mehr so wichtig wurde.
Sodele, eigentlich wollte ich ja nur was kurz zu den frühen Anfängen der deutschen Blogszene was erzählen, über den Verweis auf convers.antville. Wurd ja jetzt doch länger, sorry fürs Abschweifen:)
Warum mich das so fesselt? Man kann sich anhand dem Herauskristallisieren der Blogosphäre ziemlich gut vor Augen führen, wie kleine technische Innovationen dazu beitragen, dass etwas erst viel später zu einem Massenphänomen wird bzw. werden kann, da nicht gleich jede Innovation zu was Großem führt. In der Summe sind es eine Vielzahl von Ideen und Diskussionen gewesen, wie man feststellen kann. Keiner kann für sich alleine beanspruchen, der Erfinder der Blogs zu sein. Was ja auch der Natur des Internets entspricht.
Jetzt könnte man sich fragen, warum die Forenszene mehr oder minder seine Innovationskraft verloren hat bzw. wieso sich eigentlich Foren nicht zu Blogs weiterentwickelt hatten, also aus der Forenszene heraus. Weiß ich nicht, keine Ahnung. Wird wohl daran liegen, dass man als Mensch dazu neigt, in eingefahrenen Gleisen zu denken und nicht mehr out of the box denken kann. Kinder können das hervorragend mE, wir Erwachsense verlieren diese spielerische Fähigkeit, Dinge auseinanderzunehmen und neu zusammenzusetzen. Ebenso kann man sich fragen, warum keine Industrie rund um die Foren entstanden ist? Industrie? Blogs werden von zahlreichen Tools flankiert, wie eben Technorati. Warum entstand zB kein spezieller, prominenter Suchmarkt für Foren? Weil es Google und Co. gab und das ausreichte? Das dürfte wohl mit zwei Dingen zusammenhängen: einerseits gabs es zur Hochzeit der Foren bei Weitem nicht so viele User im Netz, damit weniger Entwicklerpotenzial und andererseits ist ein Forum ein in sich ruhender Kleinstkosmos. Forennutzer finden im Forum ihr Thema, doch bei der Unzahl von Blogs entstand ein ganz anderes Problem: wie finden Einzelpersonen im Netz zueinander? Die Anwtort darauf gab zB Technorati, auch Feedreader wie Bloglines mit offenen Abolisten. Foren sind nunmehr eine sehr etablierte, ausgereifte Technik, die GUI steht mehr oder minder quasi standardisiert fest.
Doch auch bei den Blogsystemen kann man eigentlich seit längerer Zeit feststellen, dass keine neuen Innovationsimpulse mehr aufkommen. Blogs werden im diesen Sinne wie Foren zwar nicht ihre Bedeutung verlieren. Aber sie werden zur Weiterentwicklung des Webs wohl nicht mehr viel technisch beitragen. Ursprünglich dachte ich, dass sich Blogs wohl zu der Webpräsenz für jedermann entwickeln werden. Doch haben sich Blogs imho als „aufwendig zu betreibende“ Webseiten etabliert, weil man aktuell mit dabei sein muss. Dieser Gedanke schreckt viele User ab. Kann also sein, dass etwas anderes als Blogs dazu beitragen werden, dass eines Tages nahezu jeder User mit einer Webpräsenz aufwarten wird. Dieser Theorie folge ich persönlich, nicht mehr, dass es Blogs anno 2010 sein werden.