In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Perfeggt.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Perfeggt aus Berlin.
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Wer steckt hinter Perfeggt?
Der volle Ei-Geschmack eines Omelettes, das jedoch trotzdem pflanzlichen Ursprungs ist – geht das überhaupt? Offenbar schon und zwar mit der flüssig-pflanzlichen Ei-Alternative von Perfeggt. Der vegane Ei-Ersatz besteht unter anderem aus Proteinen der Ackerbohne.
Aus Sicht der Gründer:innen steht das Ei vor einer Revolution. Das Huhn wird damit als Erzeuger überflüssig, so die Prognose. An dessen Stelle tritt eine Kombination aus ausgewählten Pflanzenproteinen und innovativer Lebensmitteltechnologie. Damit will Perfeggt-Mitgründerin und CEO Tanja Bogumil „das Ei völlig neu denken“, wie sie selbst sagt.
Bogumil ist der festen Überzeugung, dass die Menschen bessere Lebensmittel benötigen. Das heißt in erster Linie zu wissen, wie und wo Lebensmittel erzeugt werden.
Steht das Ei vor einer Revolution?
Die Initialzündung zu Perfeggt dürfte wohl auf die heimische Landwirtschaft zurückgehen, wo Bogumil als 12-jährige zum ersten Mal mit der Massentierhaltung sowie der industriellen Fleisch- und Nahrungsmittelproduktion in Berührung kam. So wurde sie bereits in jungen Jahren zur Vegetarierin – und das aus tiefster Überzeugung.
Sie erkannte: Nahrungsmittel wie etwa Fleisch auf industrielle Art und Weise „herzustellen“, war nicht richtig. Diese Überzeugung teilt Bogumil heute mit ihrem Team aus erfahrenen Expert:innen, die ihr bei Perfeggt zur Seite stehen.
Dazu gehört auch Co-Founder Bernd Becker. Er leitete über 25 Jahre lang die Forschung und Entwicklung bei der Rügenwalder Mühle, wo er mit großem Erfolg den vegetarischen Pordukt-Bereich mit aufgebaut hat. Aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen ist Becker als Chief Product Officer maßgeblich für die Entwicklung von Perfeggt verantwortlich.
Marketing, Investor Relations, F&E
Zum Jahresbeginn stellte Perfeggt sein erstes Produkt der Öffentlichkeit vor. Die flüssig-pflanzliche Ei-Alternative kommt dabei in der Flasche zu den Endverbaucher:innen. Das ist erstmal nicht unbedingt neu.
Der Marketingplan sieht dabei vor, das Produkt zuerst in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Markt einzuführen. Dort will man sich dabei zunächst auf den B2B-Bereich konzentrieren. So sollen insbesondere die Gastronomie und der Food-Service-Bereich mit dem Produkt versorgt werden.
Im weiteren Verlauf des Jahres rollt Perfeggt sein Produkt dann auch im Lebensmitteleinzelhandel aus, so der Plan. Dem voraus ging Ende 2021 eine Finanzierungsrunde, aus der Perfeggt im November des vergangenen Jahres insgesamt 2,5 Millionen Euro generieren konnte.
Dabei beteiligten sich namhafte internationale AgriFood-Investoren an dem Foodtech-Start-up. Dazu gehören etwa die EVIG Group, Stray Dog Capital, Good Seed Ventures, E2JDJ, Tet Ventures und Shio Capital, die in der Vergangenheit bereits Unternehmen wie Beyond Meat, Gorillas und Good Catch unterstützten.
Das finanzielle Grundgerüst steht
Mit diesem finanziellen Grundgerüst will Perfeggt zusätzliche Angestellte einstellen und die Weiterentwicklung des ersten Produktes sowie die zukünftige Entwicklung neuer Produkte absichern und vorantreiben.
Die gesamte Produktentwicklung geschieht unter anderem auch in Zusammenarbeit mit der Wageningen University & Research, eine der international bedeutendsten wissenschaftlichen Life-Science-Institutionen.
Außerdem forscht das Foodtech-Start-up an seinem eigenen F&E-Standort im Emsland an pflanzlichen Eiweißstoffen sowie deren Kombinationsmöglichkeiten. Dadurch will man den ernährungsphysiologischen und funktionalen Eigenschaften des Originalproduktes, also dem tierischen Ei, am nächsten kommen.
Auf diese Weise sollen aus pflanzlichen Eiweißen Lebensmittel entstehen, an denen Verbraucher:innen auf Grund deren herausragender Konsistenz, Geruch und dem vollem Geschmack nicht mehr vorbeikommen.
Was macht Perfeggt?
Das junge Unternehmen konzentriert sich offensichtlich voll und ganz auf die Verfeinerung und Perfektionierung seines flüssig-pflanzliche Ei-Ersatzes. Eine gute Strategie, denn gerade im Lebensmittel-Sektor gilt: Geschmack ist King.
Aus diesem Grund achtet Perfeggt mit geradezu klinischer Präzision darauf, die beste Kombination aus pflanzlichen Proteinen und Lipiden zu identifizieren. Davon erhofft man sich, die komplexe Beschaffenheit eines Eis zu decodieren sowie dessen unverwechselbaren Geschmack zu replizieren.
Daran arbeitet ein multidisziplinäres Team aus Lebensmittel-Experten, die sich mit der Erforschung nicht-tierischer Proteine sowie deren Kombinationsmöglichkeiten befassen.
Was macht Perfeggt so besonders?
Ei-Ersatz aus der Flasche: Okay, das kennt man schon. Aber: Die gesamte Produktentwicklung basiert auf einem datenzentrierten Ansatz. Dabei analysieren die Mitarbeiter:innen systematisch nicht nur jedes Detail des tierischen Eies. Entscheidend für die Weiterentwicklung der pflanzlichen Alternative sind vielmehr auch andere Pflanzen sowie tierische Produkte.
Die Perfeggt-Forschungsabteilung erhofft sich davon, idealerweise auf Parallelen und Ähnlichkeiten zu stoßen, von denen das eigene pflanzliche Ei-Produkt profitiert. Durch diese methodischen Prozess entsteht eine Datenbasis, die in Zukunft zu einer zügigen, kontinuierlichen und systematischen Weiterentwicklung und Verbesserung pflanzlicher Ei-Produkte herangezogen werden kann und auch wegweisend für Innovationen ist.
Auf diese Weise kontrolliert das Unternehmen gewissermaßen den gesamten Produktentwicklungsprozess und kann Eier systematisch imitieren – eben in pflanzlicher Form. Dazu gehört auch, die gemeinhin als gesundheitsfördernd geltenden Bestandteile wie Eiweiß, Vitamin B12, Phosphor oder Riboflavin zu replizieren. Damit will Perfeggt einen kalorienarmes Grundnahrungsmittel schaffen, das mit dem Nährwertprofil des tierischen Eies übereinstimmt.
Gibt es Kritikpunkte?
Vegetarische oder vegane Lebensmittel boomen extrem. Das wird CO-Founder Bernd Becker als ehemaliger Mitarbeiter bei Rügenwalder Mühle nur allzu gut wissen. Inwieweit sich die Alternativen zum tierischen Ei tatsächlich durchsetzen können, bleibt trotzdem abzuwarten.
Fakt ist: Der Markt für pflanzliche Ei-Produkte ist (noch) ein Nischen-Markt, der sich gerade erst formiert. Das bietet gerade für Start-ups viele Chance, aber auch Risiken. Operativ wird es für Perfeggt darauf ankommen, dass das Produkt in der Zielgruppe möglichst schnell und möglichst positiv wahrgenommen wird. Der generelle Veggie-Boom dürfte hier sicherlich kein Nachteil sein.
Zwar dürfte für das Unternehmen in der frühen Phase seiner Existenz Monetarisierung noch nicht das ausschlaggebende Kriterium sein – mit lediglich einem Produkt ist das auch sehr schwierig –, es wäre aber auch im Hinblick auf den Wettbewerb extrem hilfreich, möglichst bald mit weiteren Produkten und vor allem Content das Profil zu schärfen.
Fazit
Perfeggt befindet sich im Wachstumsprozess. Entscheidend für die Zukunft ist gerade jetzt, wie schnell das Unternehmen wächst und sich Marktanteile sichern kann. Und dazu benötigt man generell mehr als ein Produkt.
Positiv: Das Investoren-Interesse an der Food-Tech-Branche ist offensichtlich ungebrochen. Davon profitiert auch Perfeggt. Das Unternehmen konnte Ende 2021 aus einer Finanzierungsrunde insgesamt 2,5 Millionen Euro akquirieren. Im direkten Vergleich schneiden Wettbewerber hier allerdings wesentlich besser ab.
Beteiligungen im Gesamtwert von 200 Millionen Dollar sind keine Seltenheit. Das ist eine andere Dimension, die Perfeggt zeigt, wohin die Reise geht. Aber: Angesichts der weltweit 1,3 Billionen Eier, die Hühner im Jahr produzieren, ist das Wettbewerbsumfeld für die junge Branche klar abgesteckt. Das heißt: Es gibt genügend Raum für Wachstum. Ihn zu nutzen, das ist die Kunst.
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