Höchste Zeit, vor Beratern, Analysten und Propheten zu warnen. Sie formulieren einfache Wahrheiten – doch in den meisten der meisten Fälle ist es so einfach nicht.
Wann poste ich am besten auf Facebok & Twitter?
Nehmen wir als Beispiel die Frage, welcher Zeitpunkt der beste sei, um auf Twitter, Facebook oder sonstwo zu posten. Der Berater antwortet aus der Erfahrung, der Analyst aus seiner Datenlage, der Prophet aus dem Ätherleib. Wer die Fragestellung googelt, findet glasklare Aussagen auf diese Frage. Besonders perfide übrigens bei den Kollegen von Hubspot. Die sagen uns nämlich nicht nur, wann wir posten sollen, sondern auch gleich, dass diese Aussage nichts wert ist.
Weil es eben darauf ankommt. Die Älteren werden sich erinnern, es gab in der Zeit des real existierenden Sozialismus’ eine Serie, die es durchaus mit Häschen- und Ostfriesenwitzen aufnehmen konnte. Jene um den armenischen Hauptstadtsender nämlich, Radio Eriwan. Keine Ahnung, ob es diesen tatsächlich gegeben hat oder gibt, Wikipedia sagt nein, Cicero sagt ja. Da es für den Fortgang unserer Geschichte nicht relevant ist, verzichte ich auf Nachforschungen und freue mich über sachdienliche Hinweise.
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Die Radio-Eriwan-Witze folgten, wie alle erfolgreiche Witzserien, einem feste Schema: Dem Sender wird eine Frage gestellt, deren Beantwortung die Welt schlauer oder wenigstens besser machen soll. So eine Art Domian unter Hammer und Sichel. Die Antwort beginnt immer mit „im Prinzip ja“ und führt sich dann selbst ad absurdum. Frage an Radio Eriwan: “Stimmt es, dass Ungarn das größte europäische Land ist?“ Antwort: „Im Prinzip ja. Die glorreiche Rote Armee hat nach der Niederschlagung des Ungarnaufstands 1956 damit begonnen, das Land zu verlassen, und die Grenzen bis heute nicht erreicht.“
Im Prinzip ja, aber …
Und genau so ist es auch mit den Social-Media-Posts und vielen andere Fragen nach endgültiger Wahrheit. Im Prinzip stimmt es, dass der Durchschnitt der erfolgreichen Twitter-Posts um – sagen wir – 14 Uhr gepostet wurde. Nur blöd, dass mir das überhaupt nicht hilft. Denn jede Konstellation in der Kommunikation ist anders: Botschaft, Ziel, Zielgruppe, Umfang usw. variieren teilweise erheblich. Es kann also keine absolute Wahrheit geben.
Tatsächlich müssen wir darauf reagieren, was der Münchner Zukunftsforscher Joachim Graf als Granularisierung der Welt bezeichnet. Keine Ahnung, ob er es selbst erfunden hat, bei mir kam es wenigstens so an. Er meint damit, dass alles immer kleiner wird und zwar sowohl auf der Hardware-Ebene als auch auf der Zeitebene. Wenn ich an der Bushaltestelle eine E-Mail lese und beantworte, habe ich zwei Minuten gearbeitet. Die Generationen unserer Väter, Mütter, Großväter und Großmütter (wer gendern erfunden hat, muss Zeilengeld bekommen haben) hingegen sind morgens zur Arbeit gegangen, haben gearbeitet, kamen nach Hause und waren privat. Zwei große Zeitblöcke (im Prinzip ja).
Kommunikation wird immer kleinteiliger
Und so ist auch unsere Kommunikation immer kleinteiliger geworden, die Zahl der Kanäle immer größer, die Varianten der Ansprache immer größer. Wir bündeln das heute mit Begriffen wie Content oder Inbound Marketing, die wiederum Multi Channel-Ansätze bündeln.
Die Krux einfacher Wahrheiten, so verlockend (und mitunter hilfreich) sie auch sein mögen: Sie basieren auf Durchschnittswerten, Benchmarks und berücksichtigen nicht den Einzelfall – dürfen sie ja auch gar nicht.
Das Dilemma vom schlauen Hasen und dem alten Jäger
Bildhaft gesprochen bilden einfache Wahrheiten das Dilemma des Hasen und des alten Jägers ab – und damit meine ich nicht den altersmilden Jäger, der dem Reh im Visier leise zuruft, es möge doch schnell ins Unterholz flüchten und der hier gerne mitliest. Ich meine jenen alten Jäger, dem Auge und Hand nicht mehr gehorchen, wie er das gerne hätte. Dieser senile Waidmann legte eines Tages auf einen Hasen an, doch die Kugeln schlugen mehrere Meter rechts des Hasen ein. Hasen sind schlau und so mag unser Meister Lampe geahnt haben, dass nichts tun die sicherste Variante sei, er blieb also regungslos in seiner Kuhle sitzen. Des Jägers zweiter Schuss schlug mehrere Meter links des Hasen ein. Der Hase war unversehrt, indes der Jäger, ein ehemaliger Berater, zufrieden, denn statistisch gesehen war der Hase tot.