Technologie Wirtschaft

Digitale Transformation im Fußball (3/5): Audience Development

Digitale Transformation im Fußball
geschrieben von Philipp Ostsieker

Die Begeisterung für Sport ist ungebrochen. Doch die Aufmerksamkeit von Fans und Sponsoren beschränkt sich längst nicht mehr nur auf das Ereignis oder den Spieltag selbst. E-Gaming, Start-up-Investitionen oder virale Vermarktungskampagnen – Philipp Ostsieker führt in seiner Kolumne Matchplan durch die innovativen Ideen der Sportbranche. Diesmal: Die digitale Transformation im Fußball.


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Nachdem in der letzten Woche das Thema Crowdsourcing im Mittelpunkt stand, dreht sich der heutige Beitrag um das Thema Audience Development. Social Media hat sich als erste Anlaufstelle für Nutzer entwickelt. Wie können Klubs im Profifußball entsprechend ihre Strategie anpassen? Welche Geschäftsziele stehen dabei im Vordergrund? Und bleiben Facebook, Twitter & Co. die einzig relevanten Tools im Audience Development? Auch diesmal bilden die Überlegungen aus dem Report „Football’s digital transformation. Growth opportunities for football clubs in the digital age“ die inhaltliche Grundlage.


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Die These: Fußballvereine werden ihr inhaltliches Angebot sowie ihre Aktivitäten im Audience Development für neue Kanäle differenzieren müssen, um ihre Klub-Marke zu kommunizieren, bestehende Fans zu aktivieren und neue Zielgruppen zu erreichen.

Die Kernaussagen:

  • Vereine und Spieler werden Social Media noch intensiver nutzen, um Fans zu erreichen, die sie mit ihrer aktuellen Social-Media-Strategie bislang noch nicht erreicht haben.
  • Eine direkte Monetarisierung über soziale Medien wird möglich werden, aber Social Media wird sich kurzfristig noch vor allem auf Markenaufbau und Audience Development für Vereine, Spieler und Sponsoren fokussieren.
  • Die neue “digitalisierte Spieltag” wird es den Klubs ermöglichen, zusätzliche Informationen an die Fans liefern, und Inhalte mit Bezug auf das Spiel zu nutzen.

Der „Spieltach“ im Fokus – vor allem in den sozialen Medien

Dass die Liga-Spieltage die wöchentlichen Höhepunkte einer Saison bilden, liegt auf der Hand. Jeder Klub genießt hier eine besondere Aufmerksamkeit und versucht diese bestmöglich zu nutzen. Wer einem oder mehreren Klubs bei Facebook oder Twitter folgt, wird den kompletten Tag über mit spielbezogenen Beiträgen versorgt, immer versehen mit allgemeinen oder vereinseigenen Hashtags wie, z.B. #matchday, #spieltach, #echteliebe, #immerdabei, #effzeh oder #niemalsallein. Schon BVB-Marketingdirektor Carsten Cramer schwärmte bei den Online Marketing Rockstars 2014 von der Möglichkeit, alle Fans von morgens bis abends zu involvieren, ohne dass sie zwangsläufig im Stadion sitzen.

Laut der Strategie-Beratung Advant Planning besteht der erfolgreichste Kommunikationsmix rund um die Bundesliga für Sponsoring- & Werbetreibende mit einem Fokus auf 20- bis 49-Jährige aus einer Kombination von Bandenwerbung, TV-Spots und TV-Presentings. Das Ziel ist also klassisch ein möglichst hoher Reichweitenaufbau zu einem aufmerksamkeitsstarken Zeitpunkt. Der Fokus auf Social-Media-Maßnahmen, nicht nur während der Spieltage, schlägt hier in die gleiche Kerbe, richtet sich aber vor allem die Nutzer zwischen 18 und 24 Jahren.

Advant Planning unterscheidet unter den 30 Millionen Bundesliga-Fans grundsätzlich zwischen vier Typen:

  • Der Manische
  • Der Leidenschaftliche
  • Der Affine
  • Der Sympathisant

Audience Development: Grenzen des Kernmarkts

Die bereits angesprochenen Maßnahmen und Ziele betreffen vor allem den manischen Fan, der zusätzlich zur digitalen und mobilen Elite zählt und sich an Spieltagen sehr häufig als Autor oder Kommentator von Beiträgen beteiligt. Als Kanäle schneiden hier sowohl Facebook als auch YouTube am besten ab. Als interessierter Beobachter fällt es jedoch zumindest in der digitalen Welt schwer, eine differenzierte inhaltliche Ansprache der anderen Fan-Typen zu erkennen. Der Grad von Reichweite und Interaktion wirkt dank Spielbezug, verschiedener Aktionen oder Gewinnspielen sehr hoch, aber weder eine inhaltliche Vielfalt, noch eine inhaltliche Tiefe fehlt – welche ggf. für den Affinen oder Sympathisanten interessant sein könnte.

Wenn ein Klub seinem Kernmarkt an quantitative Grenzen stößt, ist natürlich auch die Entwicklung auf einen neuen Markt möglich. Im Fall der Bundesliga-Klubs sind relevante Märkte beispielsweise der amerikanische oder asiatische Markt. Seit einigen Jahren rennt die Bundesliga der Premier League hinterher. Mittlerweile werden die Trainingslager nach Katar (FC Bayern) oder Orlando (Schalke 04) verlegt, Borussia Dortmund hat 2014 ein Büro in Singapur eröffnet. Und auch online werden die Klubs im Ausland aktiver. So kommuniziert zum Beispiel Schalke 04 über seine chinesischen Klub-Kanäle mit mehr als einer Millionen neuer chinesischer Fans. Dem japanischen Twitter-Account folgen 80.000 Nutzer. Darüber hinaus deckt der Klub mit seinen Online-Shops nun die komplette Asien-Pazifik-Region ab. Als neue Partner konnte S04 u.a. die Konzerne Hisense und Huawei gewinnen.

BVB und Bayern: Ganzheitliche Strategien zur verbesserten Ansprache

Abseits einzelner Marketing-Kanäle versuchen sich einige Klubs in einer ganzheitlichen Online-Marketing-Strategie. Ende 2015 hat Borussia Dortmund gemeinsam mit den Performance-Marketing-Experten von The Reach Group nach eigenen Angaben als erster Klub eine deutschlandweite, umfangreiche Kampagne gestartet. Das Ziel der Kampagne ist es, die Marke des Klubs zu stärken und Anhänger enger an den offiziellen Fanshop zu binden sowie den Umsatz zu erhöhen. The Reach Group baut ein Vertriebspartner-Netzwerk auf, in dessen Fokus die Kanäle und Maßnahmen Display, Retargeting, Loyalty-Partnerschaften sowie Content-Websites und -Blogs stehen.

Audience Development

Vereine wie der FC Bayern legen allen Online-Maßnahmen sogar ein umfangreiches digitales Ökosystem zugrunde, wie in Teil 1 dieser Serie bereits berichtet wurde. Nicht jeder Klub wird kurzfristig in diesem Umfang aktiv werden können, nichtsdestotrotz werden Klubs neben der reinen Aktivierung vieler Fans ihre Erfolge im Web kontinuierlich messen und kritisch hinterfragen müssen, um ihre verschiedenen Fantypen noch gezielter ansprechen zu können.

Özil & Co.: Fußballer als Social-Media-Phänomen

Nicht nur Klubs und Mannschaften sorgen sich um Reichweite und Branding, auch einzelne Fußballer versuchen sich online zu vermarkten. Ein Beispiel ist der deutsche Nationalspieler Mesut Özil (27 Jahre, Arsenal London). Angefangen bei einer viersprachigen Homepage, die von sechs Mitarbeitern betreut wird, gehört Özil mit fast 30 Millionen Fans zu den zehn beliebtesten Sportlern bei Facebook, vor Sportlern wie z.B. Ex-Basketball-Star Michael Jordan. Hinzu kommen 10 Millionen Follower bei Twitter, 5 Millionen bei Instagram sowie über 800.000 bei Google+.

In Berlin twittert nun sogar der Trainer selbst. Nachdem schon Hertha-Geschäftsführer Michael Preetz 2013 seinen Twitter-Account startete und es mittlerweile auf ca. 225.000 Follower bringt, ist seit Anfang des Jahres nun auch Trainer Pal Dardai aktiv. Interessant: Der Account von Hertha BSC bringt es vergleichsweise “nur” auf ca. 116.000 Follower. Auch im Fußball scheint Twitter also für Einzelpersonen sehr interessant zu sein.

Die Sicht aus Fußballer- und Vermarktungsperspektive hat Christoph Metzelder als Geschäftsführer von Jung von Matt/sports. Er nutzt mittlerweile Facebook, Twitter und Instagram. Interessanterweise kennt Metzelder auch noch die Zeiten, in den Social Media und Audience Development eine untergeordnete Rolle spielten. Der Ex-Nationalspieler sagte schon im Podcast gegenüber Online Marketing Rockstars, dass der FC Bayern noch 2011 betonte, keine Facebook-Präsenz zu benötigen und z.B. der FC Schalke erst 2012/2013 eine bereits existente, unabhängige Präsenz mit 500.000 Fans kaufte. Als wertvollsten Kanal sieht Christoph Metzelder vor allem Instagram. Vereine wie Borussia Mönchengladbach oder seit kurzem Hannover 96 sind mittlerweile auch auf Snapchat aktiv.

Differenziertes Audience Development oder nur „Social Media für alle“?

Schon beim Blick auf den PwC-Report wird deutlich, dass das Problem bei Themen wie Audience Development oder auch Content Marketing sehr oft die Diskussion zur begrifflichen Abgrenzung darstellt. Begnügen wir uns an dieser Stelle einmal damit, dasses  einfach darum geht, (online) möglichst viele Nutzer auf die eigene Marke aufmerksam zu machen, Beziehungspflege zu den bestehenden Nutzern zu betreiben, deren Nutzungsfrequenz zu erhöhen und schlussendlich zu monetarisieren.

Fußballvereine sind mit Ihren Fans, und nicht nur Nutzern, natürlich sehr viel mehr als reine Marken. Emotionalität lässt sich über Facebook & Co. also besonders gut abdecken. Social Media hat es in jedem Fall geschafft, sich als Portal für eine breite Aufmerksamkeit und auch Beziehungspflege zu etablieren – Kanäle wie Search, Referrals oder E-Mail werden in diesem Beitrag zugegeben vernachlässigt. Theoretisch kann erst einmal jeder Klub sehr zügig auf Facebook & Co. aktiv sein – mal abgesehen von kostenintensiven Paid-Maßnahmen. Einige machen dies besser, einige weniger gut. Per se leben die Klubs dabei natürlich von einer extrem hohen Markenbekanntheit.

Sponsoren beteiligen sich an Aktionen und Gewinnspielen

Beurteilt man die Beziehungspflege und Nutzungsfrequenz nach der reinen Quantität von Social-Media-Beiträgen über eine Saison, sind Nutzung und Interaktion sicherlich bei vielen Vereinen sehr hoch. Was dagegen auffällt: es existiert keine wirkliche Differenzierung zwischen etwaigen Fantypen. Der große gemeinsame Nenner sind natürlich die Spiele und Ergebnisse selbst. Es ist auch klar, dass es sich lohnt, mit den meisten Themen etwas lauter und plakativer umzugehen und dabei vor allem die Klub-Stars in den Vordergrund zu stellen. Wenn aber das Fanpotenzial in die Millionen geht, ist es eben fraglich, ob alle die undifferenzierte Dauerbeschallung so sehr schätzen oder ob es nicht ungenutzte Potenziale in der Differenzierung von Fangruppen gibt. Und sind die eingangs erwähnten Fan-Typologien dabei überhaupt zeitgemäß oder müssen ab einem bestimmten Fanvolumen detailliertere Personas entwickelt werden? Oder sind die Klubs letztlich sowieso nur am manischen oder leidenschaftlichen Fan interessiert?

Diese Fragestellungen sind auch für die Monetarisierung interessant. Die meisten Klubs müssen sich nicht um ihre Ticketverkäufe sorgen, die TV-Gelder als große Säule werden an anderer Stelle verteilt. Es bleiben vor allem mögliche Merchandising-Erlöse via E-Commerce sowie die Sponsoren-Akquise im Web. Die Bewerbung von Shop-Angeboten via Social Media ist sicherlich relevant – wenn Marco für Reus für den BVB ein Tor schießt, gibt es das Trikot mit der „Nr. 11“ günstiger als üblich zu kaufen.

Sponsoren beteiligen sich vor allem an Aktionen oder Gewinnspielen. Interessant wird es sein, ob der Großteil der Sponsoren damit weiterhin seine Marketingziele erfüllen wird oder ob es nicht auch nach etwas komplexeren Lösungen verlangt, bei denen sich vielleicht etwas weniger Fans etwas intensiver mit den Sponsoren-Marken auseinander setzen. Die meisten Vereine scheinen sich allerdings lieber auf zusätzliche, internationale Märkte zu entwickeln als innerhalb des Kernmarktes zu differenzieren. Spannend wirken die ganzheitlichen Ansätze des FC Bayern sowie des BVB. Die Klubs denken, natürlich aufgrund finanziell besserer Möglichkeiten, über den schnellen Reichweitenaufbau mit Branding hinaus. Wer wirklich sein volles Potenzial in der Monetarisierung ausschöpfen möchte, wird noch viel mehr die relevanten Daten aus seinen Maßnahmen ziehen müssen, um nicht nur die Zielgruppen zu erreichen, die er ohnehin schon immer erreicht hat.


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Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.