Hass und Hetze im Netz nehmen immer mehr zu. Die sozialen Netzwerke scheinen jedoch nicht ansatzweise Herr der Lage werden zu können. Die Initiatoren der App Hassmelden gehen deshalb noch einen Schritt weiter. Sie erstatten stellvertretend Strafanzeige für ihre User. Aber wie funktioniert das?
Hass und Hetze im Netz nehmen immer mehr zu
Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa nehmen Hass und Hetze im Netz immer mehr zu. Das liegt nicht zuletzt auch an der COVID-19-Pandemie. Vor allem die sozialen Medien gelten dabei als Sammelbecken für Hasskommentare.
Rund zwei Fünftel (39 Prozent) der Befragten gaben demnach an, dass ihnen (sehr) häufig Hassrede im Netz begegnet. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) haben grundsätzlich sogar schon einmal Hass und Hetze im Internet erlebt.
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Der Umfrage zufolge steigt gleichzeitig aber nicht nur die Angst vor Hasskommentaren, sondern auch die Wut auf die Verfasser:innen. Immer mehr Menschen melden Hass und Hetze deshalb bei den Plattformbetreibern. Doch die kommen kaum noch hinterher.
Da die Überprüfung der gemeldeten Inhalte automatisiert erfolgt, erkennen die Algorithmen der Netzwerke viele strafrechtlich relevante Inhalte nicht. In manchen Fällen kommt es sogar zum sogenannten Overblocking. Das heißt, dass teilweise auch Inhalte, die vielleicht einen Sonderfall darstellen, ungerechtfertigt gelöscht werden.
Hassmelden: eine zentrale Meldestelle für Hass und Hetze im Netz
Kritiker:innen bemängeln deshalb, dass die Plattformenbetreiber zu wenig gegen Hass und Hetze im Netz unternehmen beziehungsweise den Meldungen nicht gerecht werden würden.
Da aber auch immer mehr Nutzer:innen über das Löschen hinaus eine strafrechtliche Verfolgung wünschen, wenden sich viele an unabhängige Meldestellen wie Hassmelden.
Denn die Initiatoren der Plattform erstatten stellvertretend Strafanzeige für ihre User. Dass der Bedarf dafür da ist, zeigen die Zahlen. So verzeichnet Hassmelden pro Tag mittlerweile rund 1.000 eingehende Meldungen. In durchschnittlich 400 Fällen erstatten die Initiatoren wiederum stellvertretend Anzeige.
Über 400.000 Meldungen und 150.000 Strafanzeigen
Seit März 2019 hat die Plattform insgesamt 400.000 eingehende Meldungen verzeichnet. In 150.000 Fällen hat Hassmelden wiederum Anzeige erstattet – Tendenz steigend. Die Initiatoren haben sich dabei den „Kampf gegen Hatespeech“ auf die Fahne geschrieben.
Alle Beteiligten von Hassmelden arbeiten zudem ehrenamtlich. Sie wollen Betroffene unterstützen, für eine strafrechtliche Verfolgung sorgen und die Politik verpflichten. Im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Organisationen erhält Hassmelden keine Fördergelder oder Zuschüsse.
Lediglich einige kleinere Beträge von privaten Unterstützern, mit denen die laufenden Kosten gedeckt werden. Das Team von Hassmelden möchte so „maximale Neutralität, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit“ garantieren.
Strafanzeige per App: So nutzt du Hassmelden
Um auf Hassmelden eine Meldung zu machen, genügen wenige Taps oder Klicks. Denn es reicht der Link zum jeweiligen Inhalt, den Betroffene für strafrechtlich relevant halten. Nutzer:innen können dazu sowohl die Webseite als auch die App (für iOS und Android) von Hassmelden verwenden.
Nach der Einsendung überprüft die Anwendung zunächst, ob zu dem Link bereits weitere Meldungen vorliegen. Anschließend dokumentiert die Plattform den Vorfall und sichert die Beweise automatisch gerichtsfest, damit ein im Nachhinein gelöschter Beitrag folgenlos bleibt.
Eine eigens entwickelte Künstliche Intelligenz (KI) schätzt daraufhin die strafrechtliche Relevanz ein und legt je nach Inhalt eine Priorität fest. Der letzte Schritt erfolgt jedoch händisch. Denn das Team von Hassmelden überprüft jeden gemeldeten Inhalt einzeln.
Nach der Prüfung informiert die Anwendung die Nutzer:innen über das entsprechende Ergebnis. Falls es zu einer stellvertretenden Strafanzeige kommt, erhalten weder die Behörden noch Täter:innen Informationen über die Urheber:innen der Meldung. Der gesamte Prozess erfolgt komplett anonym.
Was passiert, nachdem eine Meldung angezeigt wurde?
Ob und inwieweit die Anzeigen von Hassmelden von Erfolg gekrönt sind, obliegt den Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfolgungsbehörden. Besonders relevant sind dabei Postings, die zu Straftaten aufrufen, verfassungsrechtliche Symbole, Volksverhetzung oder Bedrohungen beinhalten.
In einigen Fällen müssen die Betroffenen jedoch selbst Anzeige erstatten. Das gilt für Antragsdelikte wie Beleidigungen, Verleumdungen oder üble Nachrede. Das Verfahren bleibt dann jedoch nicht mehr anonym. Ob und wann ein solcher Fall vorliegt, teilt Hassmelden seinen Nutzer:innen mit.
Die Plattform bietet dabei grundsätzlich einen relativ unkomplizierten Weg, problematische Inhalte im Netz zu melden, überprüfen zu lassen und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgen zu lassen. Für die Nutzer:innen ist der Aufwand dabei äußerst gering – die Arbeit von Hassmelden aber umso löblicher.
In schätzungsweise einem Drittel der Fälle können die Täter identifiziert werden
Ob und inwieweit den Verfasser:innen strafrechtlich relevanter Inhalte tatsächlich auch Konsequenzen drohen, ist jedoch schwer nachvollziehbar. Auch dem Team von Hassmelden liegen keine genauen Zahlen und Informationen zu vollstreckten Urteilen vor.
Bei über 1.000 Meldungen pro Tag würde das Einholen von zusätzlichen Informationen die ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter:innen schlichtweg überfordern. Die Ermittlungsbehörden schätzen allerdings, dass bei Hass-Delikten etwa ein Drittel der Täter:innen identifiziert werden können. Das sollte in etwa auch auf die Strafanzeigen von Hassmelden zutreffen.
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