Facebook Instant Articles, Apple News, Snapchat Discover: Social-Media-Konzerne und Tech-Unternehmen investieren gerade in die schöne, neue Medienwelt. Apple sucht Journalisten, Facebook starke Partner und alle haben sich lieb. Noch, behauptet unser Autor Tobias Gillen.
„Medien-Apps werden unwichtiger, Facebook noch wichtiger“, schreibt heute der Medien-Branchendienst turi2 unter Berufung auf den Digital News Report. Darin heißt es, dass Smartphone-Nutzer im Schnitt 1,5 klassische Nachrichten-Quellen nutzen, 70 Prozent haben eine News-App und nur jeder Dritte nutze sie mindestens einmal pro Woche.
Kleine Selbstkontrolle: Wie viele Social-Media-Apps hast du auf deinem Smartphone installiert? Und wie oft öffnest du Facebook, Twitter oder Instagram? Eben. In der Journalismus-Branche heißt es seit Jahren ständig: „Wir müssen dahin gehen, wo die Leser sind.“ Damit wurde irgendwann der Sprung von der Print-Zeitung zum Online-Portal gerechtfertigt, oder die eigene Facebook-Fanseite oder – noch später – dann endlich die redaktionseigenen Twitter-Accounts.
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Fast 5.000 Journalisten diskutieren in Facebook-Gruppe
Nun aber verschiebt sich alles noch einmal. Nicht mehr nur die Inhalte vom Papier ins Internet oder die Teaser von der Homepage zu Twitter und Facebook. Aktuell stehen wir kurz davor, sämtliche Grenzen zu überschreiten und unsere Inhalte komplett auf den sozialen Medien anzuzeigen.
Facebook hat damit vor kurzer Zeit angefangen. Als die Facebook Instant Articles, also komplette Inhalte auf Facebook gegen Werbebeteiligung, vorgestellt wurden, war der Aufschrei noch groß. Wenn man sich jetzt so in der geschlossenen Gruppe für „News, Media & Publishing on Facebook“ umguckt, die von Facebook administriert wird, findet sich dort kaum ein deutscher Chefredakteur oder Digital-Stratege nicht. 4.650 Journalisten diskutieren (oder lesen nur mit) dort über die Zukunft der Nachrichten auf Facebook – täglich werden es mehr.
Verweildauer ein Ranking-Faktor
Da passt es auch, dass Facebook gestern den Faktor Zeit beim Sortieren des Newsfeeds vorgestellt hat. Der Algorithmus berücksichtigt künftig nämlich auch, wie lange Nutzer bei einem Beitrag verweilen und sich die Inhalte anschauen. Man habe herausgefunden, dass Nutzer nicht immer interagieren, aber sich trotzdem für ein Posting interessieren würden. Logisch, dass die Verweildauer bei einem perfekt aufbereiteten und bildstarken Instant Article höher sein wird als bei einem Teaser, der auf die Website verlinkt.
Aber nicht nur Facebook sorgt in dem Markt aktuell für Aufsehen. Auch Apple hat mit der Vorstellung von Apple News, einem schickeren Ersatz für den Zeitungskiosk, viele Fragen aufgeworfen. Apps wie Flipboard können sich zumindest auf harte Konkurrenz einstellen. Da erscheint es nur logisch, dass Apple künftig eigene Journalisten beschäftigen wird. In einer Stellenanzeige sucht das Unternehmen in den USA nun danach:
The Apple News team is looking for passionate, knowledgeable editors to help identify and deliver the best in breaking national, global, and local news. These editors will help News users find the best and most timely coverage of major news events, while also managing select categories based on their areas of professional expertise.
Snapchat und Apple stellen ein
Zudem brauche man jemanden, der mit den „world’s finest publishers“ und im internationalen Team arbeiten könne. Auch Newsletter seien eine denkbare Aufgabe. Ähnlich lief es im Januar bei Snapchat, das mit seinem Discover-Team nun auch Journalisten wie den CNN-Mann Peter Hamby beschäftigt.
Die Grenzen verschwimmen zunehmend zwischen gewinnorientierten Tech-Konzernen und eigentlich unabhängigem Journalismus. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Facebook, Apple oder Snapchat auch eigene Journalisten leisten und sich mehr und mehr zu wirklichen Medienunternehmen entwickeln. Natürlich gefällt das den klassischen Medienhäusern nicht, schließlich ist es solvente Konkurrenz.
Faire Deals?
Fraglich wird es aber dann, wenn die klassischen Medienhäuser anfangen, diese neuen Medienunternehmen mit großen Inhalten zu speisen, sie mit ihrer Glaubwürdigkeit und ihren starken Marken zu pushen und ihre Souveränität am Ortschild von Palo Alto abgeben. Das bedeutet nicht, dass es nicht völlig richtig ist, seine Inhalte nutzerorientiert auszuspielen. Aber bei den aktuellen Konditionen halte ich es für fraglich, ob das ein fairer Deal ist.
Facebook, Apple, Google, Snapchat und Co. sind aktuell die guten Freunde aus dem Silicon Valley, die Medien eine neue Plattform geben. Aber auch das wird sich irgendwann ändern, spätestens, wenn man in Kalifornien sieht, dass es auch ohne Partner aus den Medien geht. Und dann wohl dem, der noch eine eigene Marke mit Glaubwürdigkeit hat und die Nutzer noch davon überzeugen kann, die Social-Media-Apps zu verlassen.
Ich will hier bloß nicht alles verteufeln, was aktuell an Entwicklung stattfindet. Ich finde viele Dinge auch sehr gut. Etwa, dass sich Medienhäuser die Möglichkeiten der neuen Social-Media-Welt immer mehr zunutze machen, mit Periscope experimentieren oder Snapchat-Storys ausarbeiten. Aber all das darf nicht auf Kosten der eigenen Souveränität gehen.
Stimme dir voll und ganz zu, kluge Gedanken! Mehr habe ich aktuell (aus Zeitgründen) nicht zu sagen 🙂
Danke, Daniel!
Hallo Tobias!
Wieder ein interessantes Thema. Von der geheimen FB-Gruppe der Medienmacher hatte ich noch nie etwas gehört, obwohl ich mich stark mit dem Thema beschäftige.
Generell bin ich eher skeptisch, was die aktuelle Kumpanei zwischen Verlagshäusern und Techkonzernen angeht. Ich orte auch die Gefahr, dass Apple & Co die Eigenschaften von Zeitungen (Vertrauen, Aufmerksamkeit, …) auf die eigenen Marken transformieren wollen. In weiterer Folge werden wohl die guten Journalisten weggekauft und die Giganten ziehen weiter.
Was mich aber am allermeisten abschreckt: Ich möchte nicht, dass Facebook, Apple oder Amazon die Oberhand in Sachen News gewinnen. Berichte über die Steuertricks von Großkonzernen, Datenschutzprobleme oder die gar nicht so tollen Features des brandneuen Smartphones werden auf derartigen Portalen wohl niemals auftauchen. 🙂
Convenience geht bei den meisten „Leuten“ leider heute über alles. Ach da habe ich doch eine App, dann muss ich nicht weiter suchen ist leider Standard geworden heute.
Was dabei leider völlig ausser Acht gelassen wird, ist die Manipulierbarkeite von jedem Einzelnen von uns, alleine schon durch Filterfunktionen von den Firmen, die uns die News dann am Ender frisch auf die App servieren.
Ich habe allerdings keine Idee, wie man dem gegensteuern kann.
Selbst Convenience schaffen! Warum können nur Facebook & Co. nutzerfreundlich sein? Das ist es ja, genau das!
Die Medienhäuser müss(t)en bis zu einem gewissen Grad zusammenarbeiten und gemeinsame Plattformen entwickeln. Nutzer werden immer dahin gehen, wo sie Angebote gebündelt bekommen. Man geht ja auch in den Supermarkt und kauft nicht alle Sachen einzeln im jeweiligen Fachgeschäft.
Blendle könnte, zumindest was Paid Content angeht, ein Anfang sein.
Verlage waren doch auch immer gewinnorientiert – und haben trotz enger Verzahnungen mit der Werbewirtschaft investigative Reportagen zugelassen. Sie hatten halt lange das Glück, dass sie mit Druckereien und Papier den größten technologischen Hebel selbst in der Hand hatten und dass es da nicht so viel in Bezug auf schlechte Arbeitsbedingungen etc. gab. Und selbst wenn Verlage dagegen halten und selber zu Medienunternehmen werden, hat der Focus denn die Bestseller von zooplus schlecht geschrieben oder sagt Welt.de etwas Kritisches zum Zusammenschluss von Immonet und Co? Und was sollte Apple bei Artikel von GEO zensieren? Kurz: Die eigentliche Frage ist doch: Kann es 100% unabhängigen, investigativen, kritischen Qualitätsjournalismus noch innerhalb von größeren Verlagen bzw. den globalen GAFA-Technologieunternehmen geben auf Dauer? Ich denke eher nicht. Aber er wird nicht sterben, nur kleiner, zerklüfteter. (Sitze in der S-Bahn, war das jetzt alles logisch? 🙂 )
Tech Unternehmen werden die Medienhäuser nicht verdrängen.
Man muss die Kernkompetenz von Google, Facebook und Co. betrachten.
Googles und Facebooks Stärke ist das Vertreiben von Inhalten. Sie wissen, was deine Leser wollen. Deswegen werden sie langfristig zum wichtigsten Vertriebskanal für Medien.
Apples Stärke sind ihre Produkte. Das sie jetzt Journalisten einstellen ist Luxus, für sie und ihre Kunden.
Klassiche Medienhäuser haben zwei Probleme:
1. Instant Articles.
Durch sie wird der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Leser innerhalb der Grenzen EINES Unternehmens auagetragen.
Facebook kann die Regeln dieses Wettbewerbs selbst gestalten.
Das ist nicht marktwirtschaftlich und deswegen langfristig schädlich.
2. Blind-Date mit den Lesern
Google und Facebook wissen, was die Leser wollen. Die Medien nicht, trotzdem machen sie die Inhalte.
Die Medien haben ein Blind-Date mit den Lesern, Google und Facebook steigt mit ihnen ins Bett.
Die Artikel werden immer besser.
Ich bin davon überzeugt, dass das Konzept, wenn ich es richtig verstehe aufgehen kann.
Lieber langangelegte gute Journalistische Artikel als täglich X Beiträge zu jedem neusten Technikkrümel der im Netz gefunden wird, oder im schlimmsten Fall bei The Verge abgeschrieben.
Ich bin gespannt was ich hier noch lesen werde.
Die Facebook-Gruppe „News, Media & Publishing on Facebook“ ist nicht geheim und hat viele Mitglieder, die bei deutschen Verlagen & Co. arbeiten. – https://www.facebook.com/groups/media.publishers/
Hi Heiko, wie eben schon besprochen, habe ich das „geheim“ in „geschlossen“ geändert. Sorry für die missverständliche Formulierung.
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