Wenn ein Unternehmen die Geschicke im Internet dominiert, dann ist das Google. Mit einer angekündigten Änderung zu einer schlankeren Darstellung von Websites, die mit einer schlechten Netzabdeckung angesteuert werden, geht der Konzern aber einen Schritt zu weit. // von Tobias Gillen
Google hat schon früh angefangen, Website-Betreiber in eine Abhängigkeit zu zerren. Mit der steigenden Marktmacht im Suchmaschinenmarkt galt für diese schon früh: Wer Google gefällt, bekommt Traffic. Vor einigen Jahren gab es Kennziffern wie den PageRank, der anzeigen sollte, wie gut eine Website in der Gunst des Konzerns steht. Inzwischen wird die Abhängigkeit durch große Algorithmus-Updates deutlich, nach denen sich Betreiber richten – und darüber teils sogar vergessen, für wen sie die Seiten eigentlich machen: den Leser oder Google?
Ein aktuelles Beispiel: Google sagt, es hätte gerne für mobile Geräte optimierte Websites. Wer dem folgt, wird weiterhin gut in den Suchergebnissen gelistet. Wer sich widersetzt, wird abgestraft und auf Smartphones und Tablets weiter hinten angezeigt. Die Konsequenz: Website-Betreiber kuschen – oder sie verlieren Traffic. Ein Mitspracherecht gibt es nicht, Einmischung ausgeschlossen.
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Google verändert Websites nun selbst
Wer die Macht hat, bestimmt eben, wie es läuft. Im Februar 2015 liefen 67,63 Prozent der weltweiten Suchanfragen am Desktop über Google, von mobilen Geräten waren es 92,21 Prozent. Die Konkurrenz – Baidu, Yahoo, Bing, AOL und Ask – teilen sich den schmalen Rest auf. Nun geht Google noch einen Schritt weiter – und entzieht Website-Betreibern ganz direkt die Kontrolle über das, was ihre Leser angezeigt bekommen.
Eine aktuelle Ankündigung im Webmaster Central Blog von Google liest sich zunächst unspektakulär. Von „schnelleren mobilen Websites in Indonesien“ ist die Rede, von viermal schnellerer Ladezeit, von 80 Prozent weniger verbrauchten Daten, von 50 Prozent mehr Seitenaufrufen. Das soll erreicht werden, indem Google Websites – zunächst nur in Indonesien – schmaler und datenschonender anzeigt, wenn man mit einer schlechten Netzabdeckung surft.
Algorithmen entscheiden über „relevanten Inhalt“
Was in anderthalb Wochen in Indonesien als Testballon startet, ist für den Konsumenten sicher keine schlechte Sache: Er bekommt seine Informationen – und das auch bei schwachem Empfang oder schlechter Netzabdeckung. Doch ist es eine Ankündigung, die zumindest zum Nachdenken anregen sollte. Denn damit bestimmt Google, was „relevanter Inhalt“ ist.
In der Ankündigung liest sich das so: „So we’ve developed a way to optimize web pages to be faster and lighter, while preserving most of the relevant content.“ Es trägt jetzt nicht gerade zur Beruhigung bei, dass Google „das meiste“ des relevanten Inhalts anzeigen möchte. Und überhaupt: Wer entscheidet darüber, was relevant ist? Ein Algorithmus?
Erinnerungen an das Bildersuche-Update
Das führt zum Kontrollverlust der Website-Betreiber. Was angezeigt wird, entscheidet Google. Und zwar dort, wo Google eigentlich keine Kontrolle darüber haben sollte. Es ist schon ein wenig selbstironisch, dass Google im August 2014 ankündigte, Website-Betreiber für eine sichere https-Variante einer Seite mit einem besseren Ranking zu belohnen. Der Sinn hinter diesen Verbindungen ist schließlich – ganz einfach ausgedrückt – zu verhindern, dass sich jemand zwischen Nutzer und Website schaltet. Und genau das macht Google nun, wenn auch etwas anders geartet.
Man kennt das von der Bildersuche. Gibt man einen Suchbegriff ein, etwa BASIC thinking, stößt man zuerst auf einige Logos und Screenshots. Klickt man eines der Bilder dann an, kommt man nicht etwa direkt auf BASICthinking.de, sondern auf eine Zwischenseite von Google. Am rechten Bildrand sieht man dann einen Link zur „Website mit dem Bild“, aber wer klickt sich schon weiter dorthin?
Drastische Einbußen voraus?
Genauso gut kann man auf der Vorschauseite von Google lesen und sogar interagieren: Bei einem Klick auf einen Artikel öffnet sich nämlich nicht etwa die Originalquelle, sondern weiterhin die google.de-Seite. Bei Website-Betreibern führte das zu drastischen Einbußen im Traffic durch die Bildersuche.
Ähnlich der Bildersuche wird das auch beim Testlauf in Indonesien laufen. Betreiber können über die URL
icl.googleusercontent.com/?lite_url=http://eigenedomain
testen, wie ihre Seite dann künftig aussehen würde, bei BASIC thinking etwa so.
Am oberen Bildrand wird groß die Domain angezeigt, darunter ein Link zur Originalseite. Links im Header generiert Google selbst ein Menü aus so ziemlich allem, was es im oberen Drittel der Seite so findet. Ansonsten wird zwar der Inhalt halbwegs angezeigt, der Rest aber leider nicht – bei uns (siehe Bilder oben) und bei vielen anderen getesteten Seiten ist das ein ziemliches Chaos. Betroffen sind übrigens nicht nur nicht mobil-optimierte Seiten, sondern alle – es geht einzig um die Netzabdeckung.
Auf BASIC thinking-Anfrage widerspricht eine Google-Sprecherin. Es gehe nicht darum, den Website-Betreibern den Traffic zu nehmen und es werde auch keine zwischengeschaltete Seite geben. Auf Nachfragen, dass aber doch genau das so nachvollziehbar ist, bekommen wir keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, was beunruhigender ist: Eine Zwischenseite, auf der Google Websites „optimiert“. Oder dass Google direkt auf den Seiten werkelt.
Monetarisierung mit Google-AdSense bleibt erhalten
Immerhin: An der Monetarisierung von Websites soll sich nur wenig ändern. Zumindest dann nicht, wenn man, jetzt wird es wieder absurd, seine Seite mit Google-Anzeigen vermarktet. Denn AdSense-Anzeigen sind nicht betroffen von der Schlankheitskur, die Google den Seiten verordnet. Andere Werbenetzwerke sollen folgen, so Google.
Statt Website-Betreibern die Möglichkeit zu geben, bei so einer Sache aktiv mitzuarbeiten, indem sie sich ganz bewusst dafür entscheiden, zwingt Google einfach alle dazu. Es gibt einzig eine Opt-out-Möglichkeit, wenn man
Cache-Control: no-transform
in seinem HTTP-Header ergänzt. Für technisch nicht so versierte Website-Betreiber schon eine ordentliche Herausforderung.
Das sieht die Google-Sprecherin anders. „Wir geben den Website-Betreibern die Kontrolle mit dem Opt-out zurück“, sagt sie. Und: „Wer eine Website hat, der ist auch technisch versiert.“ In Zeiten von simplen Baukasten-Systemen oder WordPress, Tumblr und Blogger ist die Aussage für mich wenig nachvollziehbar. Es war wohl noch nie so einfach für technisch nicht so versierte Menschen, eine Website zu starten wie heute.
Bye bye, Souveränität
Wenn Google, wie April 2015 geschehen, seine eigenen Seiten – etwa die Suchergebnisse – schlanker gestaltet, um sie bei schlechter Netzabdeckung schneller anzeigen zu können, ist das absolut in Ordnung. Wenn Google aber anfängt, die Kontrolle darüber zu übernehmen, was „relevanter Inhalt“ ist und was nicht, dann hört es auf mit dem Verständnis. Als Betreiber einer Seite möchte man selbst darüber entscheiden, was der Leser angezeigt bekommt und was nicht.
Im Zweifel würde ich eher auf einen Klick verzichten, als dass der Google-Algorithmus mir meine Souveränität abnimmt und meine Seite umgestaltet. Zumal nicht mal das so richtig zu funktionieren scheint, wie die Bilder oben belegen. Die Google-Sprecherin sieht das anders: Dass die Nutzer die Inhalte angezeigt bekommen, sei wichtiger, als wie sie angezeigt werden.
Zu viele offene Fragen
Beängstigend, wenn man diese Vorstellung mal weiterdenkt: Was, wenn jetzt plötzlich jeder Konzern anfängt, in der Darstellung von Websites herumzupfuschen? Wenn Twitter, Facebook und Co. auch mit scheinbar nutzerfreundlichen Motiven (Sprecherin: „Uns geht es darum, den Menschen ein positives Sucherlebnis zu bereiten.“) ihre eigenen Versionen von Websites gestalten?
Zunächst soll es sich nur um einen „Testballon“ in Indonesien handeln, wahrscheinlich werde der aber, so auf Nachfrage, in weitere Länder ausgeweitet, die mit schlechter Netzabdeckung kämpfen. Danach sei auch Europa möglich.
Dafür müssten aber noch einige offene Fragen geklärt werden.