Wirtschaft

Readfy: Kostenlose Lese-Flatrate gegen grauenvolle Werbebanner? Nein danke!

geschrieben von Ekki Kern

Readfy

Kostenlose E-Books gegen Werbeeinblendungen beim Lesen? Das verspricht Readfy seit ein paar Tagen. Unser Gastautor Ekki Kern stört sich an dem Geschäftsmodell und widerspricht dem Marketingsprech des Startups in seinem Kommentar.

Werbung am oberen Rand des Displays

Jetzt soll ich also auch noch beim Lesen von Werbung gestört werden. Klasse. Das Startup Readfy aus Düsseldorf hat sich nicht nur den Namen ein bisschen vom Streamingdienst Spotify abgeschaut, sondern gleich das ganze Geschäftsmodell. Nur geht es hier eben nicht um Musik, sondern um Bücher.

Diese bietet das Unternehmen in rauen Mengen an, und zwar als sogenannte Lese-Flatrate. Geld kostet das den Kunden nicht, denn die Lizenzgebühren, die das Startup an die Verlage überweisen muss, spielt man anhand von Werbeeinblendungen wieder ein. Diese bekommt man als Leser während der Lektüre direkt auf den oberen Rand des Displays geschickt.

Penetrant blinkender Banner

Frank Großklaus, bei Readfy fürs Marketing zuständig, verwendet Begriffe wie „Readvolution“ und ist schon von Berufs wegen vom Geschäftsmodell der Firma überzeugt: Beim Lesen eines Buches sei jeder konzentriert und fokussiert. Deswegen nehme ein Leser Werbung automatisch auch wahr, beruhigt er schon einmal alle, die in den elektronischen Büchern Werbung schalten möchten.

Bei einem Buch mit Reiseerzählungen sei es gar kein Problem, passgenau Banner der Urlaubsziele einzublenden. Dadurch werde „die Lust auf dieses Ziel durch das Leseerlebnis noch potenziert“, sagte er gegenüber dem Mediendienst „Kress“. Weiter beteuert er in Richtung Kunde, dass man im Rahmen einer Testphase das eindeutige Feedback bekommen habe, „dass ein ab und zu geschaltetes Werbebanner den Lesegenuss in keiner Weise beeinträchtigt“.

ReadfyDieser Befund hat sich während meiner persönlichen Testphase leider nicht bestätigt. Von „ab und zu“ kann hier keine Rede sein, ständig nervt ein penetrant blinkender Banner eines Shoppingclubs am oberen Rand des Smartphone-Displays. Das ist nur eines: grauenvoll.

Aufmerksamkeit nimmt ab – von Seite zu Seite

Spätestens seit Facebook wissen wir alle: Zahlt der Kunde nicht fürs Produkt an sich mit harten Euros, dann eben mit einer anderen Währung. Readfy verkauft, wie viele andere Unternehmen heutzutage, Aufmerksamkeit. Die seiner Leser. Nun mag es sein, dass sich viele Menschen von grellen Bannern nicht mehr gestört fühlen, im Netz und im Privatfernsehen gibt es ja schließlich genug davon. Zu diesem Personenkreis gehöre ich allerdings nicht. Ein Buch konsumiere ich anders, als ich fernsehe oder auf der Konsole zocke.

Ein Buch verlangt von mir, dass ich mich auf den Inhalt einlasse. Meine Aufmerksamkeit, die Readfy mal eben zum Teil seines Geschäftsmodells macht und an seine Werbekunden weitervertickt, wird Seite um Seite geringer. Das schmälert mein Lesevergnügen. Stress während meiner Lektüre ist das Letzte, was ich am Ende eines anstrengenden Arbeitstags brauche.

Verstehen konnte ich auch nie, weshalb das sogenannte Social Reading nun plötzlich das Maß aller Dinge sein soll. Hier kann man etwa Passagen eines Buches mit Followern und auch echten Freunden teilen und damit prahlen, welch intellektuell hochwertige Literatur man so konsumiert. Readfy spricht hier im schönsten Marketingsprech von „einer ganz neuen Art des Leseerlebnisses“. Vielleicht lese ich deshalb besonders gern auf meinem E-Book-Reader und eben nicht auf dem Smartphone, weil dort weitestgehend Ruhe herrscht. Während ich lese, ist das Gerät am besten vom WLAN getrennt. Ich verzichte dankend auf Buchvorschläge und brauche auch kein farbiges Display.

„Ich zahle gerne für etwas, das ich mag“

Ich mag meinen E-Book-Reader am liebsten, wenn er nichts tut außer mir eine Seite mit schwarzen Lettern anzuzeigen und einfach ein praktischer Ersatz für mein papiernes Buch ist. An Leuten wie mir kann sich Readfy die Zähne ausbeißen. Denn ich zahle gerne für etwas, das ich mag. Ich gehe gerne in die Buchhandlung und kaufe mir ein Buch. Genauso wie auch online gerne für ein E-Book zahle. Wenn es ohne Werbung ist.

Vielleicht komme ich nach meiner kurzen weil missglückten Testphase irgendwann zu Readfy zurück. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass in der Pressemitteilung die Rede davon ist, dass man derzeit an einem Abomodell arbeite, das ohne Werbeeinblendungen auskommt. Das sind doch mal gute Nachrichten.

Wie seht ihr das? Kostenlose E-Books gegen Werbung oder lieber ein paar Euro für werbefreie Lektüre bezahlen?

Bilder: Screenshots

Über den Autor

Ekki Kern

Ekki ist Medienjournalist und probiert Technologien gerne aus, entdeckt dabei aber nicht selten die Vorzüge des Analogen. Diskutieren über das alles kann man mit ihm ganz hervorragend, für die Zeitung schreibt er über Medien und Verbraucherthemen, privat für seinen Watchblog Radiowatcher.

8 Kommentare

  • Was ich jetzt nicht ganz verstanden habe: Getestet hast du das auf einem Smartphone oder Tablet, oder? Normalerweise liest du „Bücher“ aber auf einem E-Book-Reader? Schon allein deshalb dürfte das Lesevergnügen ja getrübt sein, weil das Display viel schlechter geeignet ist.

  • Ja, da hast du recht. Das kommt noch dazu. Ich lese längere Texte sehr viel lieber auf dem E-Reader. Ich habe im Text einen kleinen Gedankensprung gemacht und eben noch mal umformuliert, damit das besser verständlich wird.

  • Wenn die Werbebanner immer an der gleichen Stelle auf dem Bildschirm oberhalb des Buchtextes auftauchen, wüsste ich da eine ganz analoge Methode, um meine Aufmerksamkeit gezielt zu lenken .. 🙂

  • Um mal in ein Buch reinzulesen werde ich die App sicher mal ausprobieren. Trotzdem kann ein echtes Buch für mich durch nichts ersetzt werden. Es ist herrlich mal nicht auf einen Bildschirm zu starren!

  • Mir geht die Werbung auf den Sack. Gerade weil Sie an allen Orten auf einen einhämmert.

    Ich gucke kein privat TV mehr. Höre kein Radio. Lese keine Zeitungen und Magazine mehr. Die bestehen auch nur noch zu 80% aus Werbung.

    Internet ohne Abdlock wäre der Kraus.

    Und bei Apps kaufe ich die app. Wenn es Sie nicht zu kaufen gibt, blocke ich den Werbe Dreck mit einer Firewall oder Appguard. Und wenn die App dann rum schreit, fliegt sie vom Tab.

    Das Maß des Unerträglichen ist bei mir lange überschritten.

  • Geht mir genauso – auf meinem E-Reader herrscht Ruhe – die Auszeit, die ich mit beim Lesen nehme. Werbung würde ich beim Lesen nicht akzeptieren.
    Überhaupt, ein aus meiner Sicht absurdes und einfallsloses Geschäftsmodell: wenn einem nicht einfällt, dann ist die Innovation die Werbefinanzierung. Ergebnis: ich werde mit Werbung zugeballert und ständig angebettelt, meine Ad-Blocker auszuchalten. Mittlerweile ein Schneeball-System, in dem Werbung Werbung finanziert.
    Der Text, die Geschichte, die Story, geht dabei zunehmend unter – wichtig ist nur, wie sich das Buch als Werbeträger eignet. Eine Enteignung der Autoren findet also nicht nur beim Honorar, sondern auch bei den Inhalten statt, jeder Text wird PR.
    Abgesehen davon ist natürlich die Bücherleihe für E-Leser ein interessantes Angebot, mal sehen, ob es einmal kreative, neue Ideen gibt, wie man dies verwerten kann. Ansonsten gibt es die Onleihe, da habe ich meine Leseflat für 20 E im Jahr.

  • Die penetrante Werbung ist jetzt nicht mehr nur am oberen Rand, sondern geht über den halben Bildschirm und muss erst wegeklickt werden und das aller paar Sekunden. Ich habe es getestet: 3 Minuten lesen, 7x Werbung wegklicken. Das hat mir gereicht und ich hab die App gelöscht. Da es sich hier um eine App handelt, können die angebotenen Bücher eben nicht auf dem eBook Reader gelesen werden. Jedenfalls kenne ich keinen, auf dem Apps installiert werden können, sodass der Autor des Artikels die App natürlich auch nur auf Smartphone oder Tablet testen konnte.

  • Oberer Rand mit Werbung? Schön wärs. Die App ist unerträglich. Lesen kann man kaum, denn aller paar Sekunden ploppt eine riesige Werbung über das halbe Display auf, die man mit x schließen muss, bevor man a
    weitere 2 Zeilen lesen kann. Schreibt man an die Macher, heißt es nur,man ist bemüht, die Werbeeinblendungen so gering wie möglich zu halten und der Lesefluss soll nicht gestört werden. Aha! Das ist nicht nur störend, sondern schon penetrant.