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8chan: Die Plattform für extreme Meinungsfreiheit im Porträt

8chan, Internet, Hatespeech
Die Homepage von 8chan ist offline, auf Twitter verbreitet die Seite aber weiterhin Meldungen. (Foto: Screenshot / Twitter)
geschrieben von Vivien Stellmach

8chan ist für seine extreme Meinungsfreiheit bekannt. Jeder kann dort posten, was er will – und genau das ist das Problem. Derzeit steht 8chan massiv in der Kritik, weil Massenmörder und andere Verbrecher ihre Taten im Forum ankündigten. Jetzt ist die Seite offline – vorerst.

8chan, auch Infinitechan oder Infinitychan genannt, ist eine Plattform für extreme Meinungsfreiheit. Gründer Fredrick Brennan ging 2013 mit dem Forum als Abspaltung von der Seite 4chan online, weil er einen Ort schaffen wollte, an dem alle legalen Meinungen willkommen sind.

4chan fing nämlich plötzlich an, seine Nutzer in ihren Äußerungen einzuschränken und Morddrohungen und Beleidigungen zu löschen. Das geschah im Zuge  einer antifeministischen Hass-Kampagne gegen eine Programmiererin.

Und weil auf diesem Planeten eben genug Menschen mit wirklich hasserfüllten Herzen leben und sich auf einer geeigneten Plattform breit machen wollten, kamen auf 8chan auch schnell extrem gehässige, diskriminierende und mordlustige Beiträge zusammen.

Der Anschlag von El Paso wurde auf 8chan angekündigt

So geschehen auch im Fall eines rassistischen Mörders aus der US-Grenzstadt El Paso: Ein 21-Jähriger aus Texas hatte dort Anfang August 22 Menschen in und um eine Walmart-Filiale erschossen – und den Anschlag zuvor auf 8chan angekündigt.

Der junge Mann veröffentlichte keine 30 Minuten vor seinem Angriff ein hasserfülltes Manifest auf der Plattform. Damit wollte er seine Tat offenbar rechtfertigen, denn er begründete sie darin unter anderem als Antwort auf die „hispanische Invasion in Texas“.

Es gibt aufgrund der extremen Meinungsfreiheit nur wenige Moderatoren auf 8chan. Ein Moderator hatte das Schreiben des El-Paso-Mörders nach kurzer Zeit zwar gesperrt.

Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings schon in die digitalen Archive der Seite gewandert und als Screenshot hundertfach im Forum verbreitet worden. So konnte auch die US-amerikanische Seite Bellingcat die Ankündigung mit einem Screenshot dokumentieren.

Der Fall zog Konsequenzen für 8chan mit sich: Der Infrastruktur-Betreiber der Seite, Cloudflare, hat dem Forum nämlich den Zugang zum Internet gekappt.

Die „Hasskloake“ ist jetzt offline

Seitdem ist 8chan offline. Die Plattform habe sich laut Cloudflare-Chef Matthew Prince zu einer „Hasskloake“ entwickelt. Das schrieb er so in einem Blog-Eintrag.

Cloudflare hat das Forum vor Hacking-Attacken geschützt und online gehalten. Wir möchten dir jetzt trotzdem vorstellen, was es mit der Plattform auf sich hat beziehungsweise hatte.

Prince vermutet nämlich, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis 8chan einen neuen Anbieter findet und wieder online geht.

8chan: Eine Plattform für Ankündigungen von Anschlägen

Der Angriff auf El Paso war schon der dritte Anschlag, der auf der Seite angekündigt wurde.

Ende April 2019 hatte ein Mann im kalifornischen Poway eine Frau in einer Synagoge erschossen und drei weitere Personen verletzt – und zuvor einen offenen Brief auf 8chan geteilt, in dem er seine antisemitischen und rassistischen Motive preisgab.

Zuvor hatte auch der australische Terrorist Brenton Tarrant sein Pamphlet auf der Seite veröffentlicht – und sogar einen Link zum Livestream der Tat geteilt. Tarrant tötete am 15. März 2019 bei einem Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen.

Beide Täter verfolgten offenbar die rechte Verschwörungstheorie des „großen Austauschs“. Demnach soll die weiße Bevölkerung durch Einwanderung und Vermischung verdrängt werden.

8chan ist ein Sammelbecken für Hass, Rassismus und mehr geworden

Gründer Fredrick Brennan hatte ursprünglich offenbar gute Absichten mit seiner Seite. Leider entwickelte sich 8chan aber in eine ganz andere Richtung.

Weil dort fast alles erlaubt war – egal ob jemand einen Anschlag ankündigte und seine Motivation mit Gleichgesinnten teilte oder ein Bild beziehungsweise Video mit rassistischen Inhalten veröffentlichte –, ist die Seite außer Kontrolle geraten.

Zwischenzeitlich soll es dort sogar Kinderpornographie gegeben haben.

Die Nutzer wehrten sich nämlich aus Prinzip gegen jede Form der Zensur. Um welche Inhalte es ging, war ihnen dabei völlig egal. Hauptsache, sie konnten ihre freie Meinung äußern.

Gründer Fredrick Brennan: „Schaltet die Seite ab!“

Brennan reagierte auf die außer Kontrolle geratene Seite und forderte in einem Interview mit der New York Times, die Seite abzuschalten. Doch es scheint, als würde er die dunkle Seite so schnell nicht loswerden.

Brennan gab den Betrieb des Forums vor einem Jahr nämlich an den US-amerikanischen Unternehmer Jim Watkins ab. Der betreibt die Seite nun von den Philippinen.

Und Watkins hat ganz offensichtlich eine sehr lässige Einstellung gegenüber rechtem Gedankengut. In einem Interview mit dem Online-Magazin Fusion sagte er 2016: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass weiße Rassisten hier ihre Meinung äußern.“

Watkins nimmt seine Plattform in einem siebenminütigen Video zudem in Schutz: „Ich weiß nicht, ob er es geschrieben hat oder nicht“, sagt er über den Täter von El Paso. „Aber es wurde nicht vom Mörder hochgeladen. Das ist klar.“ Belegen kann Watkins seine Aussage nicht.

Zudem sei 8chan „ein leeres Blatt Papier“, das von den Nutzern beschrieben werde.

Wie geht es mit 8chan weiter?

Cloudflare-Chef Matthew Prince liegt mit seiner Annahme, 8chan könne bald wieder online gehen, vermutlich richtig. Die Seite kündigte nämlich an, zum Technik-Unternehmen Bitmitigate wechseln zu wollen.

Auf Twitter schrieb sie: „Es wird noch ein paar Minuten lang Ausfälle geben, während wir umziehen.“ Demnach kann 8chan schon bald wieder komplett erreichbar sein.

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Über den Autor

Vivien Stellmach

Vivien Stellmach war von Mai 2019 bis November 2020 Redakteurin bei BASIC thinking.