Wirtschaft

Micropayment-Bezahlmodell im Gutjahr-Blog: Bei Nichtgefallen Geld zurück. Lösung des Paid-Content-Dilemmas?

geschrieben von Michael Müller

Journalist und Blogger Richard Gutjahr wird sein beliebtes Blog in Kürze mit einem neuen Bezahlsystem versehen, das sich in einigen Punkten deutlich von anderen Modellen unterscheidet. Keine straffe Paywall, kein echtes Freemium, kein Abo, keine Vorkasse, sondern vielmehr eine „weiche Bezahlschranke“ wird dann Teile seiner Artikel schmücken. Die Preise für den Einzelabruf sollen sich deutlich unter einem Euro bewegen und mit der Zeit dynamisch entwickeln, je nachdem, wie Richard den Preisverlauf über ein WordPress-Plugin ansetzt.

Realisiert wird die Idee in Kooperation mit dem Münchner Startup LaterPay, das sich, beraten von Gutjahr, für den Micropayment-Dienst verantwortlich zeigt. Fragt sich: Zaubern Gutjahr und LaterPay damit die ultimative Lösung des Paid-Content-Dilemmas aus dem Hut, das seit einiger Zeit alle Online-Publisher quält? Ich finde: Jein.

Micropayment umgedacht

Aber von vorn, denn es gibt eine kleine Vorgeschichte. Rückblick. 2011: In Kairo protestieren die Menschen gegen das herrschende Regime. Richard Gutjahr ist vor Ort, die Kosten seiner selbst initiierten Berichterstattung steigen in unerwartete Sphären und belasten seine private Geldbörse zunehmend. Aber: Einiges wird durch anerkennende Spenden seiner Leser abgefedert, sogar honoriert. Daraus zieht Gutjahr die Schlussfolgerung, dass Leser gerne für guten Content zahlen. Sie wollen sogar, sofern sie den Nutzen des Gekauften erfahren und man es ihnen einfach macht, so seine zentrale These.

Genau hier findet LaterPay seine Nische, ist doch die Grundidee von Micropayment-Diensten wie flattr im Netz nicht neu. Aber was genau ist anders? Für den Leser in erster Linie, dass er sich nicht mit einer „nervigen Vorabregistrierung und langen Vorab-Bezahlprozeduren“ rumärgern muss. Dies spart Zeit und schafft Spontanität. Deshalb reicht bei der erstmaligen Nutzung von LaterPay der imaginäre, digitale Handschlag zunächst einmal aus: Klickt ein Leser zwei Mal den Payment-Button, bekundet er „ja, ich zahle später“, ähnlich eines Bierdeckels in einer Kneipe.

Die Bezahlung erfolgt erst, wenn ein gewisses Limit – derzeit ist von 5 Euro die Rede – erreicht ist. Bis dahin hat der Leser die volle Kontrolle und Transparenz über die bisher aufgelaufenen Kosten. Als Zahlungsmöglichkeiten gibt LaterPay Bankeinzug, Kreditkarte und PayPal an.

Eingebaute Geld-zurück-Garantie

Besonders schön: Erfüllt ein Text oder aufpreispflichtiges Merkmal nicht die Erwartungen, die Preis und Headline suggerierten, hat der Leser die Möglichkeit, das Geld zurück zu verlangen. Um Missbrauch vorzubeugen, sorge „ein spezieller Algorithmus dafür, dass das System für alle fair bleibt und einzelne User die Inhalte nicht en gros zurückgeben“, so Gutjahr.

Auf Publisher-Seite wandern mindestens 85 Prozent der entrichteten Gebühr in die eigene Geldbörse, da LaterPay maximal 15 Prozent der Transaktionshöhe als Unkosten einbehält. Von einer „variablen Gebühr“ ist auf der Website von LaterPay die Rede, allerdings schweigt sich das Unternehmen darüber aus, nach welchen Maßstäben diese Variation angesetzt wird. Womöglich Betriebsgeheimnis.

Schöner Ansatz, aber (noch) nicht die ultimative Lösung

Ich finde: Die Ideen von Richard Gutjahr und LaterPay sind gut durchdacht, portieren sie doch alltägliche, gesellschaftliche Normalitäten ins digitale Zeitalter und bieten dadurch die große Chance, angenommen zu werden. Und doch bin ich skeptisch, ob dadurch das grundsätzliche Paid-Content-Dilemma von Onlinemedien umschifft werden kann – womöglich ist dies aber auch gar nicht das Ziel der Option, sondern nur ein weiterer Versuch, Menschen für die Wertigkeit digitaler Inhalte zu sensibilisieren.

Dass Leser gerne für gute Inhalte zahlen, ist sicherlich wahr. Doch ist in meinen Augen die individuelle Einschätzung darüber schwammig, ab wann ein Text oder Merkmal auch wirklich „gut genug“ ist, um bare Münze dafür auf den Tisch zu legen. Wenn ein hochwertiger Text trotz seiner qualitativen Wertigkeit von der Masse nicht freiwillig honoriert wird, hat das System seinen Sinn verfehlt, wie ich finde. Schließlich bleibt guter Content hinter verschlossener Tür und zeigt sich nur einem „elitären Kreis“, der das (zwar minimierte, aber dennoch existente) Risiko eingeht, zu klicken – und dafür zu zahlen.

Ebenso ist unklar, ab wann eine kritische Masse an aktiven, zahlungswilligen Benutzern erreicht ist, die LaterPay auch auf Dauer wirtschaftlich tragfähig machen. Bei wenigen Prozentpunkten echtem Gewinnanteil – von „maximal 15 Prozent der Gebühr“ ist die Rede, wovon Kreditkarten- und Lastschriftgebühren noch beglichen werden müssen – bleibt wirklich nur ein marginaler monetärer Anteil bei Abwickler LaterPay hängen. Ob das dauerhaft genug Luft zum Atmen bietet?

Fragt sich: Was sagt die Zielgruppe, die Leser?

All dieser gesunden Skepsis zum Trotz, ziehe ich meinen Hut vor so viel innovativem Unternehmergeist und drücke Richard sowie den Köpfen hinter LaterPay beide Daumen, dass das System gut angenommen wird. Guter Content verdient es, angemessen honoriert zu werden. Und mal ehrlich: Wie kann man sein eigenes Gewissen besser befriedigen, als ohne große Umwege einen hart arbeitenden Journalisten und ein junges Startup zugleich zu unterstützen?

Abschließend die Frage an euch Leser: Was sagt ihr als „Konsumenten“ dazu? Würdet ihr für gut recherchierte Texte zahlen und auf den digitalen Bierdeckel von Richard und LaterPay anschreiben lassen? Wo sind eure Grenzen – ab wann ist ein Inhalt wertig genug, um dafür zu bezahlen?

Bilder: LDprod / Shutterstock; Richard Gutjahr / G! Blog

Über den Autor

Michael Müller

Michael tritt seit 2012 in über 140 Beiträgen den Beweis an, trotz seines Allerweltnamens real existent zu sein. Nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums arbeitete er einige Jahre als PR-Berater, bevor er 2016 als Tech-Kommunikator bei einem deutschen Spezialglas-Hersteller einstieg.

2 Kommentare

  • Ich bin mir nicht sicher, was ich von der Idee halten soll. Ja, die Registrierung ist eine große Hürde bei flattr. Letztendlich ist die aber auch bei diesem am Ende notwendig. Bisdahin wird der User ähnlich wie bei den Facebook-Like-Buttons von dem Dienst verfolgt.. mhh. Aber ansonsten sehe ich hier halt absolut nichts Neues.

    Das interessante an dem neuen Dienst wäre für mich aus Sicht eines Journalisten also nur, dass im Gegensatz zu flattr, dass wenn ich Artikel „verkaufe“, dafür dann auch einen Festpreis bekomme und nicht auch noch abhängig davon bin, wieviel der Leser insgesamt in dem Monat via flattr einzahlt und wie viel er insgesamt geflattr’ed hat.

    Zu deinen Fragen:
    Für Inhalte, die einen Mehrwert bieten, wo ich das Gefühl habe gut informiert worden zu sein, bin ich gerne bereit zu zahlen.

    Aber ob ein Artikel wirklich sein Geld wert war, weiß ich eben erst am Ende. Manchmal evtl. auch erst paar Tage/Wochen später wenn sich herausstellt, dass der Artikel auf völlig falschen Fakten aufgebaut hat.

    Auch kann ich nicht sagen, welche Artikel ich bspw. anklicken werde.

    Ich weiß jedoch, dass – hätte man mich im Vorfeld gefragt – ich von mir aus so einen Artikel über die Geschehnisse in Kairo nicht vorfinanziert hätte. Sorry, ist ja alles schön und gut was da passiert, aber das interessiert mich dann doch nicht so sehr, als das ich dafür bereit wäre Geld auszugeben.

    Was hingegen sein kann: Per Zufall stoße ich auf einen Artikel zu der Thematik der mich fesselt. In dem Falle wäre ich dann natürlich schon bereit, zu zahlen (halt das klassiche post-paid).

    Insofern bleibt also das Dilemma: Sperre ich den Content für nur zahlende Nutzer, hat der Nutzer das Risiko. Hier ist evtl. dieses Rückgaberecht wirklich eine interessante Idee und damit das „Neue“. Aber hat auch etwas von der Idee „Der Nutzer wird am Ende dazu tendieren zu vergessen freiwillig zu zahlen. Also lassen wir ihn am Anfang zahlen und hoffen darauf, dass er am Ende vergisst den Kauf rückgängig zumachen“. Mir ist also grundsätzlich post-paid lieber (wobei ich zugeben muss, dann doch zu der Gruppe zu zählen, die das auch mal gerne vergisst).

    …während ich mir Gedanken dazu gemacht habe, kam mir auch folgendes in den Sinn: Wird Bezahl-Journalismus dazu führen, dass Themen die die breite Masse nicht interessieren, es zukünftig noch schwerer haben werden? Denn schließlich muss der Journalist ja Geld verdienen, also wird er seine Themenwahl wohl danach ausrichten, was die meisten potentiellen Käufer findet. Das macht mir etwas Sorgen.

    Zur letzten Frage: Da möchte ich die Berichterstattung über das Verfahren gegen Herrn Uli H. als Beispiel anführen. Ich halte viele Äußerungen zu diesem Fall für überflüssig. Von den 1.000.000 Artikeln zu dem Verfahren halte ich 999.995 für abgeschrieben/wiedergekaut – halt einfach überflüssig weil sie keine journalistischen Wert haben.

    Aber erst am Montag habe ich einen wie ich finde wichtigen Artikel dazu gelesen: http://www.sueddeutsche.de/medien/guenther-jauch-zum-hoeness-prozess-das-maerchen-von-hoeness-steuerschuldvermehrung-1.1913132 – solche Details, wie dass es eben keine Steuerschuldvermehrung gab, dass in den Prozessakten die Herkunft des Geldes womit gezockt wurde usw. 100% nachgewiesen und völlig unstrittig war… so etwas hätte ich mir viel früher gewünscht (zumal besagter Artikel sicherlich kaum gelesen wurde, da er als Kritik zur Jauchsendung platziert wurde). Gerne auch detaillierter. Dafür würde ich zahlen, dass ist für mich Journalismus (wertfrei Dinge recherchieren, einordnen und evtl. am Schluss noch kurz bewerten).

    …und ich wollte mich kurz fassen :/

  • bin überzeugt von diesem Konzept.
    Bin Konsument von News übers Internet und habe jegliche Zeitschriftenkäufe eingestellt. Mit dem kostenlosen Content habe ich meine Probleme, da er mehr Fragen aufwirft als Verständnis schafft.
    Die Preisklippe zum bisher verfügbaren Bezahlkontent ist mir als Durchschnittsverdiener zu hoch.
    Gerne würde ich, wenn mich ein Thema bewegt und ich mir die Zeit nehmen will, Content erwerben, um so an differenzierte Informationen und Darstellungen zu kommen.
    Ich glaube ich würde auch für unterhaltsamen Content kleine Beiträge zahlen. Darin liegt meines Erachtens ein großes Potential. Ich finde zwar für mich unterhaltsames und anregendes im Internet, leide aber an den Unmengen an geschmackloser Produktion über den ich immer wieder hinwegsteigen muß, bis ich dann endlich etwas gefunden habe.
    Ich kann mir vorstellen, das analog zu Likes und Views Bezahlcontent zu stürmischer Nachfrage gelangen kann.
    Gruß
    Peter