Seit einigen Wochen schon plagt es mich: das schlechte Gewissen. Jeden Tag kommen neue Dinge ans Licht, die illegalen Praktiken hinter NSA, GCHQ und BND werden immer weiter und tiefgründiger aufgedeckt. Und dennoch: Ich bin ahnungslos. PGP? SSL? Was-weiß-ich-was-für-eine-Abkürzung? Ich habe keine Ahnung von Verschlüsselung, Kryptologie und Co. Meine Daten sind ungeschützt. Bis jetzt. Denn nun wage ich mich endlich vor, raus aus der Lethargie und starte meinen Weg zur Verschlüsselung. In Teil 1 aus dem Tagebuch eines (noch) Ahnungslosen ging es um den Versuch, meine E-Mails zu verschlüsseln. Während in Teil 2 anschließend die ersten Tage mit PGP im Mittelpunkt standen, versuchte ich mich in Teil 3 an S/MIME. In Teil 4 geht es nun um PGP-Verschlüsselung am Smartphone. Und ihr dürft in den Kommentaren gerne helfen, korrigieren, verbessern – und so auch anderen helfen.
Liebes Tagebuch,
bislang läuft mein Weg zur Verschlüsselung eigentlich recht problemfrei. Ich bin mir zwar durchaus bewusst, dass mein bisheriges Wissen noch nicht dafür ausreicht, mir die Geheimdienste ernsthaft vom Leib zu halten, zufrieden bin ich aber trotzdem mit meinen ersten Erfolgserlebnissen. Immerhin kann ich inzwischen PGP und S/MIME – wer hätte das noch vor ein paar Tagen gedacht.
Besonders aber freut mich die Resonanz auf die einzelnen Einträge. Immer wieder bekomme ich positive Rückmeldungen von Menschen, die neu in der Materie sind und von Menschen, die sich wirklich auskennen. Erstere melden sich, weil sie genauso verzweifelt sind wie ich und nun endlich den Mut fassen, sich auszuprobieren. Und die wirklichen Krypto-Cracks freuen sich einfach, dass das Thema aufgegriffen wurde. Das macht Lust auf mehr. Also los.
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Bislang habe ich fast alles, was ich ausprobiert habe, am Mac gemacht. Wer mich kennt weiß aber, dass ich selten ohne mein iPhone aus dem Haus gehe. Und das aus gutem Grund: Ich arbeite gerne auch von unterwegs. Wenn ich Wartezeiten habe, checke ich die Nachrichtenlage, halte Kontakt zu Lesern und Kollegen, lese und beantworte E-Mails. Was aber, wenn jetzt jemand von meinem öffentlichen PGP-Key Gebrauch macht und mir eine verschlüsselte Nachricht sendet?
Keine PGP-Unterstützung am iPhone
Genau, dann stehe ich vor einem Problem. Denn dann kann ich diese E-Mail erst an meinem Mac lesen. Mein iPhone zeigt nur zwei Dokumente – mime-attachement und encrypted.asc – die ich nicht öffnen kann. Wieder muss – wie so oft – Google herhalten, ausgerechnet das Unternehmen, das maßgeblich in den Überwachungsskandal verwickelt ist. Dort erfahre ich, dass eine PGP-Implementierung in iOS nicht möglich ist. Mit zwei Buttons in der E-Mail-Kopfzeile komme ich also nicht weiter. Anders sieht das übrigens mit S/MIME aus: Seit iOS 5 unterstützt das iPhone die Verschlüsselung damit standardmäßg – aber dazu später mehr.
Wenn ich PGP schon nicht direkt in die Mail-App einbauen kann, muss es doch einen anderen Weg geben. Nächste Idee: Eine App aus dem App Store. Ich hatte mich darauf eingestellt, dass das Projekt „PGP am iPhone“ aufwendig wird, demnach bin ich noch voller Zuversicht und stürze mich auf den AppStore.
Suchbegriff: „PGP“, Anzahl der Treffer: 29 – das klingt doch schon mal gut. Leider sind davon nur etwa eine Handvoll brauchbar. Aber immerhin, das sollte reichen. Was auffällt ist, dass es kein kostenloses Angebot gibt. Von der App oPenGP gibt es zwar eine Lite-Version, die kann aber nur ein paar verschlüsselte Nachrichten senden, danach ist ein In-App-Kauf nötig. Im Internet finde ich eine Empfehlung für oPenGP, das User-Interface sieht gut aus – das nehme ich.
Schlüssel-Übertragung per „iTunes File Sharing“
Bevor ich mit der App aber überhaupt was anfangen kann, muss ich meine generierten Schlüssel auf das iPhone bekommen. Klar, denn ohne mein Schlüsselpaar kann ich auch mit der tollsten App keine E-Mail en- und dekodieren. Den Schlüssel schicke ich mir per E-Mail zu, dann importiere ich ihn in die App und schon kann’s losgehen. Übrigens: Wer mir den letzten Satz geglaubt hat, hat den Sinn dieses Tagebuchs nicht verstanden. Natürlich schicke ich das Heiligste an der PGP-Verschlüsselung, meinen private key, NICHT per unverschlüsselter E-Mail an mich selbst. Nicht mal, wenn ich die E-Mail verschlüsseln könnte, würde ich das tun.
Die weitaus sicherere Lösung heißt „iTunes File Sharing“. Dazu schließe ich das iPhone an meinen Mac an, öffne iTunes, wähle das iPhone aus, klicke auf „Apps“ und gehe auf dieser Ansicht ganz nach unten. Dort finde ich die oPenGP-App und ein Fenster, in dem ich Dateien auswählen kann. Nun muss ich nur noch mein Schlüsselpaar auf dem GPG-Schlüsselbund exportieren und auswählen, schon ploppt am iPhone ein Fenster auf, das mich zur Eingabe meiner Passphrase auffordert. Gemacht, getan, der Schlüssel ist drin. Ich gebe zu: Wenn man das zum ersten Mal macht, dauert das ein bisschen länger, als ich in diesem Absatz impliziere – im Grunde ist es aber sehr simpel. Für Android und Windows Phones gibt es übrigens ähnliche Lösungen, wie eine kurze Google-Recherche ergibt.
Voilà – es funktioniert
Wenn ich nun zurück in mein E-Mail-Postfach gehe, sehe ich schon, dass die zwei Dokumente – mime-attachement und encrypted.asc – anders aussehen: Sie tragen jetzt das Icon von oPenGP. Drücke ich jetzt länger auf ein Icon, bietet mir das iPhone die Option „In oPenGP öffnen“ an. Danach muss ich in der App nur noch – wie gewohnt – meine Passphrase eingeben und schon kann ich die Nachricht lesen.
Möchte ich darauf nun antworten, benötige ich natürlich den public key meines Gegenübers, also sein digitales Vorhängeschloss. Das kann er mir entweder in der E-Mail mitschicken und ich importiere es oder füge es wieder über „iTunes File Sharing“ in die App ein. Wenn ich nun die Nachricht eingetippt habe, muss ich das Schloss des Empfängers auswählen und auf „verschlüsseln“ klicken. Eine weitere Passphrasen-Eingabe später kann ich die Nachricht dann in eine E-Mail kopieren und meinem Gegenüber zuschicken.
Aufwand, der sich lohnt
Wichtig dabei ist allerdings, dass ich auch wirklich die richtige E-Mail-Adresse auswähle. Also die, der auch das Vorhängeschloss zugeordnet ist. Hier kann man schnell durcheinander kommen – ein Minuspunkt. Genauso wie die Tatsache, dass das ganze Prozedere bei häufiger Anwendung echt ein Krampf ist und ich mir wirklich zwei Mal überlege, ob eine E-Mail wirklich so wichtig ist, verschlüsselt zu werden. Und damit sind wir beim nächsten Problem der ganzen Thematik: Komfort, Bequemlichkeit und der innere Schweinehund.
Natürlich ist das alles unnötiger Aufwand, den Apple mit einer standardmäßigen PGP-Integration (wie bei S/MIME) leicht beheben könnte. Aber es ist ein Aufwand, der sich lohnt. Das merke ich am Feedback von vielen ahnungslosen Leidensgenossen. Und das merke ich seit Monaten jeden Abend, wenn ich die Nachrichten schaue und die neusten Snowden-Auswertungen von „Washington Post“, „Guardian“ und „Spiegel“ präsentiert bekomme. Allein die Überlegung, ob eine E-Mail so wichtig ist, verschlüsselt zu werden, trifft mich. Weil ich genau weiß, dass es so auch vielen anderen gehen wird.
Ich nehme mir also vor, konsequent zu bleiben. Wann immer ich die Möglichkeit – also einen PGP-nutzenden E-Mail-Partner – habe, werde ich E-Mails verschlüsseln. Ob ohne viel Aufwand am Mac oder mit viel Klickerei am iPhone. Ich halte durch.
Dein Tobias
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