Es ist eine seltsame Arbeitswelt für Angestellte bei Amazon. Ein Algorithmus kontrolliert ihre Leistung und wenn sie nicht abliefern, verschicken Bots Kündigungen. So läuft es ab, wenn Amazon seinen Angestellten kündigt.
Zugegeben: Entlassen zu werden, ist nicht angenehm. In erster Linie gilt das natürlich für die Angestellten. Doch auch die Personalabteilung hat selten Spaß daran. Doch eine Kündigung per Bot zu erhalten, ist sicherlich noch um einige Stufen seltsamer als ein unangenehmes Kündigungsgespräch.
Genau so ergeht es aber vielen Mitarbeiternden bei Amazon in den USA. Nach einem Bericht von Bloomberg, in dem das Magazin mit 15 Fahrer:innen des Lieferprogramms Flex gesprochen hat, berichten viele davon, wie bei ihnen plötzlich eine automatisierte E-Mail mit einer Kündigung eintrudelte.
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Algorithmus misst Leistung
Offenbar kündigt Amazon seinen Flex-Angestellten mit Vorliebe per Bot.
Wer Jeff Bezos Personalstrategie über die Jahre verfolgt hat, wird davon nicht allzu überrascht sein. Der Amazon-Chef glaubt seit jeher, dass Maschinen (viele) Jobs besser erledigen können als Menschen. Angefangen bei der Personalabteilung.
So berichten ehemalige Mitarbeitende immer wieder über Technologien bei Amazon, die die Produktivität messen. Das gilt offenbar auch für die freiberuflichen Lieferfahrer:innen im Amazon-Flex-Programm. Das ist nichts Geheimes. Fahrer:innen wissen von vorneherein, dass ihre Arbeit über die Flex-App beobachtet wird.
Dabei gibt es eine Art Abgleich zwischen dem, was der Algorithmus vorgibt und der absolvierten Leistung. So berechnet die App im Vorfeld, wie lange eine bestimmte Lieferung dauern sollte. Dabei spielen GPS-Daten eine Rolle. Ebenso kommen Informationen zur Verkehrssituation und zur Fahrzeit zum Einsatz.
Was passiert, wenn der Algorithmus einen Fehler macht?
Der Algorithmus ist zwar überwiegend akkurat, aber eben nicht perfekt. So berichtet ein Lieferfahrer gegenüber Bloomberg wie er einmal eine Lieferung in den frühen Morgenstunden in einem geschlossenen Apartment-Komplex abgeben sollte.
So früh war noch kein Personal am Tor und der Fahrer konnte das Paket nicht an die entsprechende Adresse liefern. Das Flex-Protokoll sieht in diesem Fall vor, sich an das Hauptbüro des Komplexes zu wenden. Das tat der Fahrer auch. Doch auch dieses war noch geschlossen.
In diesem Fall schreibt Amazon vor, die Kund:innen direkt zu kontaktieren. Nun kann man sich vorstellen, wie „leicht“ es für Lieferanten ist, am frühen Morgen jemanden zu erreichen – vor allem, wenn man von einer unbekannten Nummer anruft.
Schlechte Bewertungen vom Algorithmus
Der Fahrer konnte also niemanden erreichen und musste dann bei Amazons Flex-Support anrufen, um das Problem zu klären. Das dauerte wiederum einige Zeit.
Da das aber ein Problem ist, das der Algorithmus nicht mit in seine Berechnungen einbezieht, sah die Technologie lediglich, dass die Lieferung sich grundlos extrem verspätet hatte und der Fahrer bekam eine schlechte Bewertung.
Kurze Zeit später erhielt er eine automatisierte E-Mail: Amazon kündigte ihm per Mail-Bot.
Amazon kündigt, Beschwerden zwecklos
Er beschwerte sich zwar. Doch eine Chance seine Situation zu erklären, bekam er nicht. Gespräche mit der Chefetage gibt es für Flex-Driver nur selten. Warum auch? Der Algorithmus hat ja vermutlich in 95 Prozent der Fälle recht. Und die kleine Fehlerquote nimmt man, wenn man internen Quellen bei Amazon glauben darf, billigend in Kauf.
Erstens ist es viel effizienter und kostensparender die Personalabteilung mit Technologien zu ersetzen. Wenn man nun aber anfangen würde, den Algorithmus jedes Mal zu hinterfragen, würde dies zu viel Aufwand und Kosten mit sich bringen – vor allem bei einer geringen Fehlerquote.
Zweitens ist es für Amazon auch kein Problem neue Angestellte zu finden. Das Flex-Programm war seit jeher beliebt, ist aber durch die Pandemie noch beliebter geworden. Weil viele Menschen ihre Jobs verloren haben oder sich unsicher am Arbeitsplatz fühlten, ist ein flexibler Job bei Amazon mit guter Bezahlung verlockend.
Drittens muss Amazon aber auch bei seiner Vorgehensweise nur wenig Widerstand befürchten. Denn Amazons Praktiken sind nicht illegal. Auch haben die Flex-Angestellten so gut wie keine gesetzliche Basis für Beschwerden, da sie als Selbstständige kaum von Arbeitsgesetzen geschützt sind.
Amazon nur ein Beispiel von vielen
Das ist übrigens nicht nur bei Amazon so. Die Vorteile der Gig-Economy nutzen auch andere Tech-Unternehmen in den USA. So arbeiten auch die Fahrer:innen bei Uber oder Doordash und auch die Juicer, die Elektro-Scooter für Unternehmen wie Lime oder Bird aufladen.
Es gibt zwar zaghafte Gesetzesinitiativen wie den Algorithm Fairness Act, um insbesondere gegen Personalentscheidungen per Algorithmus vorzugehen. Doch über erste Vorschläge sind diese Initiativen bislang nicht hinausgekommen.
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