Die digitale Werbebranche in Deutschland muss sich keine Sorgen machen. Zumindest wenn es rein nach den Werbeausgaben geht: Allein 2017 konnte digitale Werbung laut aktuellen OVK-Zahlen auf 1,93 Milliarden Euro netto zulegen. Das ist im Vorjahresvergleich ein Plus von acht Prozent. Doch was bei diesen Erfolgszahlen allzu häufig vergessen wird: Viel hilft nicht immer viel.
Ein Beitrag von Hartmut König, CTO Central Europe bei Adobe
Ein Großteil dieser digitalen Werbespendings verpufft im Niemandsland. Zu laut ist der Werbebuzz, den die Marken auf sämtlichen digitalen Kanälen entfachen. Zu groß die Konkurrenz, die bekanntermaßen nur den einen Klick entfernt ist.
Austauschbare O815-Botschaften von der Stange gehen da zwangsweise sang- und klanglos unter. Jon Ones, der digitale Leiter von Duracell, bekräftigte diesen Punkt auf dem Adobe Summit.
Da die Marken einen Großteil ihres digitalen Marketings in die Hände von externen Partnern legen, ist es seiner Ansicht nach völlig klar, dass sich Überschneidungen in der Reichweite oder verschwendeten KPIs kaum vermeiden lassen. Schließlich neigen externe Anbieter dazu, ihre eigenen Erfolgskriterien zu definieren, die sie auf all ihre Kunden anlegen.
Ein Problem von Relevanz und Kontext
Auf dem Weg zum digitalen Marketingerfolg hat sich die Personalisierung zu einer Art „heiliger Gral“ entwickelt: 89 Prozent der deutschen Markenverantwortlichen in großen Konzernen ab 5.000 Mitarbeitern sind laut einer aktuellen Adobe Umfrage inzwischen der festen Überzeugung, dass größtmögliche Personalisierung für den Erfolg ihres Unternehmens wichtig ist.
Das Problem bei der Sache: Nur 42 Prozent sehen sich derzeit in der Lage, den von ihnen angestrebten Personalisierungsgrad auch wirklich anzubieten.
Damit ist Deutschland anderen europäischen Märkten zwar weit voraus (35 Prozent in der Schweiz und Frankreich, 30 Prozent in Großbritannien, 23 Prozent in den nordischen Ländern und nur 22 Prozent in den Beneluxländern), dennoch besteht auch hierzulande eindeutiger Nachholbedarf.
Als zentrale Gründe für die unzureichende Personalisierung machen die befragten deutschen Marken vor allem zwei Dinge aus: Daten und Kontext. Der Zugriff auf Kundendaten bildet die Basis für maßgeschneiderte digitale Erlebnisse.
Doch: Viele Unternehmen sammeln heute mehr Daten, als sich mit manuellen Mitteln verwalten lassen. Tatsächlich gibt in unserer Umfrage rund jeder zweite Entscheider zu, die vorliegenden Daten nicht schnell und effektiv genug verarbeiten zu können (52 Prozent).
In der Folge sprechen diese Marken ihre Kunden nahezu blind, auf Grundlage weniger, offensichtlicher Informationen an, die einen relevanten Kontext vermissen lassen. Genau deshalb sind unsere Facebook-Feeds und viele Websites immer wieder mit Anzeigen für Produkte übersät, die wir längst nicht mehr brauchen.
Ein Geschenk, das für einen Freund bei Amazon gekauft wurde, erscheint z. B. noch monatelang in unseren Produktempfehlungen. Und das will doch keiner!
Persönlich werden mit KI
Kunden erwarten heute zu Recht, dass Marken sie kennen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Dies erfordert jedoch mehr als den reinen Zugriff auf Daten und das dazugehörige Bauchgefühl. Für die persönliche Kundenansprache braucht es vor allem den richtigen Kontext, um zu verstehen, was diese Daten wirklich über eine Person aussagen.
Genau aus diesem Grund gewinnt Künstliche Intelligenz (KI) in allen Branchen und Bereichen – vom Einzelhandel bis zu Finanzdienstleistungen – zunehmend an Bedeutung. Die Technologie ermöglicht es Unternehmen, große Datenmengengen schneller zu analysieren und darauf zu reagieren. KI ist damit eine Art Schlüssel für erfolgreiche Personalisierung im großen Stil.
Aktuelle Adobe Untersuchungen bestätigen diesen KI-Trend: Knapp jedes zweite deutsche Unternehmen plant, bis Ende 2019 KI für Geschäfts- und Kundenanalysen einzusetzen. Bis Ende 2020 wollen 93 Prozent KI zum Einsatz bringen.
Einige Unternehmen haben da bereits einen Vorsprung: Obwohl Swisscom bereits mehr als 80 Prozent des Schweizer Telekommunikationsmarktes beherrscht, ist das Unternehmen weiterhin auf der Suche nach Möglichkeiten, das Kundenerlebnis für ihre digitalen Zielgruppen zu optimieren.
So hat der Anbieter erst kürzlich seine Web- und Mobilseiten um KI-fähige Targeting- und Bereitstellungsfunktionen erweitert, mit denen er neue Services auf der Grundlage von Echtzeit-Kundendaten automatisch einführen, testen und optimieren kann. Da die KI-Software im Laufe der Zeit immer genauer wird, kann Swisscom die Services für jeden Kunden immer weiter verfeinern und auf individueller Ebene eine langfristige Bindung aufbauen.
Dieser letzte Punkt ist gerade im digitalen Zeitalter von entscheidender Bedeutung: Im Überfluss der Botschaften bleiben schlecht getargete oder irrelevante Kampagnen bestenfalls unbemerkt. Im schlimmsten Fall aber droht das Risiko, Kunden zu verlieren, die keine Geduld mit Marken haben, die eindeutig nicht verstehen, was sie wollen.
Der selektiven Aufmerksamkeitsspanne gerecht werden
Ein ganz entscheidender Punkt ist, zwischen „Massenpersonalisierung“ und „Personalisierung im großen Stil“ zu unterscheiden. Ersteres beinhaltet, eine Botschaft an so viele Menschen wie möglich weiterzugeben – immer in der Hoffnung, dass sie interessiert sein könnten.
Die zweite Option besteht darin, die Customer Experience auf die Bedürfnisse vieler Menschen gleichzeitig abzustimmen. Dies ist der Weg zu Kundenerlebnissen, die bei mehreren Zielgruppen ankommen – und es ist die Richtung, in die uns KI führt.
Zu oft fühlt sich Targeting wie ein Roboter an, der um unsere Aufmerksamkeit buhlt. Dies kann z. B. bei einfachem Programmatic Advertising der Fall sein kann. Um sich vor diesem unangenehmen Gefühl und der zunehmenden Flut an digitalen Inhalten zu schützen, entscheiden die Kunden von heute immer selektiver, was sie tatsächlich konsumieren.
46 Prozent der europäischen Konsumenten fühlen sich von der großen Auswahl an digitalen Inhalten bereits überwältigt. Rund 60 Prozent würden daher am Ende auch etwas von einer unbekannten Marke kaufen, wenn sie ein besseres Gesamterlebnis bietet – vom ersten Werbekontakt oder der Kampagne bis hin zu dem Produkt oder der Dienstleistung, die sie kaufen.
Es schließt sich der Kreis: Auch vor diesem Hintergrund ist es für Marketer unerlässlich, den Kontext in das Kundenerlebnis einzubringen. Der Schlüssel zur Personalisierung ist derselbe – egal, ob es sich um einen persönlichen Ansprechpartner oder um einen digitalen Kanal handelt. Es gilt, auf die eigene Zielgruppe zu hören, dessen Bedürfnisse zu verstehen und diese am Ende auch zu erfüllen.
Kontext ist in beiden Fällen das entscheidende Bindeglied zwischen dem Verstehen von Menschen und der Erfüllung ihrer Wünsche. Immer mehr Marken setzen daher auf KI, um diesen dringend benötigten Kontext in ihre Daten zu integrieren. Denn nur so können sie wirkliche „Personalisierung im großen Stil“ realisieren und das Beste aus ihren Werbeinvestitionen herausholen.