Das hatten sich zahlreiche deutsche Online-Medien sicherlich anders vorgestellt: Nach der Bitte, den Adblocker doch bitte auf den eigenen Seiten abzustellen, freut sich der Anbieter des kleinen Plugins über um 129 Prozent gestiegene Downloadzahlen und ein Plus von 167 Prozent bei eingegangenen Spenden.
„Bitte schalten Sie Ihren Werbeblocker aus“
Dabei ist die Verlagsinitiative nicht einmal unsympathisch. Als ich am Montag „Spiegel Online“ aufrief, kam mir ein freundlicher, aber bestimmter Hinweis entgegen: Ich würde einen Adblocker benutzen, doch der Verlag sei auf Werbeanzeigen angewiesen, um sein Angebot kostenlos anbieten zu können. Nicht nur „Spiegel Online“ bat darum den Adblocker abzuschalten – auch die „FAZ“, „Süddeutsche“, „ZEIT Online“, die IT-Kollegen von Golem.de und die „Rheinische Post“ schalteten den Aufruf.
Ich möchte mich nicht als Engel darstellen, aber ich fühlte mich erwischt wie ein Schuljunge, der gerade Bockmist gebaut hat und habe den Adblocker bei „Spiegel Online“ schnurstracks deaktiviert. Doch offensichtlich brachte der Hinweis andere User erst auf die Idee, sich den AdblockPlus zu installieren. Ein klassischer Streisand-Effekt. Zudem hat die Diskussion fast nebenbei noch eine andere Debatte wieder in Schwung gebracht – den ewigen Diskurs über Qualität und Wert von Nachrichtenangeboten im Internet.
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25 Prozent der User benutzen einen Werbeblocker
Aber zurück zum Thema: Am Montag hieß es noch, dass 25 Prozent der User einen Adblocker benutzen würden, um auf den entsprechenden Seiten werbefrei Artikel lesen zu können. Woher die Zahl kommt, ist unklar, aber sie klingt recht plausibel. Der Anteil der „Schwarzsurfer“ wird durch die gestiegenen Downloadzahlen bei Adblock Plus zwar nicht merklich angestiegen sein, doch man muss sich schon fragen, wie eine Kampagne einen derart entgegengesetzten Effekt hervorrufen kann.
Rein theoretisch ist es natürlich möglich, dass trotz der gestiegenen Downloadzahlen zahlreiche User den Adblocker bei Spiegel Online & Co. deaktiviert haben, wahrscheinlich ist das aber nicht. Hier können nur die Verlage mit frischen Zahlen aufklären – und das wäre in ihrem eigenen Interesse.
Werbung oder Bezahlschranke?
Auch wenn User allergisch auf Werbung reagieren – es sollte klar sein, dass die Verlage auf die Werbeeinnahmen angewiesen sind. Die einzige Alternative ist die Bezahlschranke – ein Modell, dass sich immer mehr durchsetzt, von vielen Nutzern aber auch nicht gerade geliebt wird.
Ich persönlich habe mir den Adblocker schon vor einiger Zeit installiert – bei manchen Webseiten wurde es mir im wahrsten Sinne des Wortes zu bunt. Ich habe nichts gegen ein Display-Banner, meinetwegen noch dezent animiert, aber Popups und automatisch mit Ton startende Video-Ads sind mehr als störend. Und wenn man sie abschalten kann, dann macht man das eben auch.
Das Problem dabei ist: Die Seiten, die auf dezente Werbung setzen, werden in Mitleidenschaft gezogen. Und dazu gehören eben auch die genannten Verlagsseiten mit Gratis-Content, die – mit einigen Abweichungen wohlgemerkt – zur Refinanzierung auf tendenziell unaufdringliche Werbeformen setzen. Und da wohl kaum jemand zahlreiche Webseiten als Ausnahme hinzufügt, leiden sämtliche werbefinanzierte Seiten aufgrund der Dreistigkeit einiger weniger.
„Acceptable Ads“ – im Prinzip gut, aber ausbaufähig
Was also tun, um „gute“ von „schlechter“ Werbung zu trennen? Vorhandene Lösungen erscheinen halbgar. So hat etwa AdblockPlus mit der „Acceptable Ads“-Initiative eine Methode entwickelt, bei der die Community selbst festlegt, welche Werbeanzeigen als unaufdringlich empfunden werden. Diese werden dann standardmäßig trotz aktiviertem Werbeblocker angezeigt.
Doch die Anforderungen sind hoch – im Prinzip sind nur statische Text-Ads erlaubt – und so richtig funktioniert der Filter auch nicht. Netzwelt.de hat zum Beispiel eine Vereinbarung erzielen können, dass Google Ads okay sind, doch mir werden sie bei eingeschaltetem Adblocker nicht angezeigt. Schalte ich den Adblocker aus, blinkt die halbe Webseite.
Grundsätzlich ist die Idee, bestimmte Werbeformen zuzulassen, aber richtig. Noch hapert es jedoch an der Umsetzung. Auch ein automatisiertes Zulassungsverfahren steht bislang nicht zur Verfügung – so muss jede Webseite manuell einen Antrag stellen und auf die Gnade der AdblockPlus-Community hoffen. Hinzu kommt: Mit statischen Text-Ads alleine werden sich Spiegel Online & Co. kaum finanzieren können.
AdblockPlus-Gründer fordert Dialog über Online-Werbung
Ein Dialog, den AdblockPlus-Gründer Till Faida fordert, ist zwar wichtig, doch er wird äußerst mühsam. Auf der einen Seite die Community, die keine blinkende Werbeanzeige sehen will, auf der anderen Seite die Verlage, die ohne blinkende Werbeanzeigen vorgeben, Einbußen zu erleiden.
Eine einfache Lösung ist nicht in Reichweite. Vielleicht würde es allerdings helfen, wenn betroffene Online-Medien den Auflagen der AdblockPlus-Community etwas entgegen kommen – geringe(re) Werbeeinnahmen sind immer noch besser als gar keine Werbeeinnahmen. Andererseits ist es mehr als fragwürdig, dass Adblocker über das Anzeigengeschäft unabhängiger journalistischer Publikationen entscheiden.
Sind Werbeprofile die Lösung?
Allerdings könnte man darüber nachdenken, ob unter der Schirmherrschaft des Online-Vermarkterkreises im Bundesverband der Digitalen Wirtschaft bestimmte Werbeprofile definiert werden. Manche User wollen überhaupt keine Werbung, manche nur Text-Ads, andere können Display-Ads noch verschmerzen. Wenn der User bei der Installation von AdblockPlus gefragt wird, mit welchem Profil er surfen möchte, könnten alle davon profitieren. Eine Garantie darauf gibt es allerdings nicht.
So bleibt vielleicht schlimmstenfalls nur noch ein radikaler Schritt: Entweder doch Paywall oder eine Adblocker-Sperre, wobei der Inhalt einer Webseite schlichtweg nicht angezeigt wird, sobald ein Tool den Ad Server blockiert – bei Online-Videos ist das zwangsweise so, weil das Werbevideo dem Content-Video vorgeschaltet ist. Doch bevor die Nachrichtenwebseiten Werbeverweigerern tatsächlich den Stecker ziehen, sollte man eher den Dialog suchen und versuchen, Kompromisse zu erzielen.
Bild: Screenshot