Grün

„E-Mobilität ist nur Wahlkampf“: Alex Böhm zum Youtube-Interview mit Merkel

alexander_böhm
Bild: Alexander Böhm
geschrieben von Marinela Potor

Alexander Böhm a.k.a „AlexiBexi“ hat im #DeineWahl-Interview auf Youtube Kanzlerin Angela Merkel zur Elektromobilität interviewt. Wir wollten von ihm wissen, wie das war und was er gelernt hat – und er hat sehr ehrlich geantwortet.

Alexander Böhm, oder AlexiBexi wie er sich auf seinem Youtube-Kanal nennt, ist eigentlich Filmemacher, hat aber vor einigen Jahren seine Leidenschaft für die Elektromobilität entdeckt. Auf Youtube berichtet er regelmäßig über Themen der E-Mobilität und als jemand, der mehr als eine Million Follower hat, war er einer der Fragesteller beim Interview „#DeineWahl – YouTuber fragen Angela Merkel“. Wir haben mit ihm nach dem Interview über die Deutschen und ihre Autos, Dieselgate und Angela Merkels Einstellung zur E-Mobilität gesprochen.

Mobility Mag: Du hast dir für dein Interview mit Angela Merkel ganz bewusst das Thema “Elektromobilität” ausgesucht. War das schon immer eine Leidenschaft von dir?


Neue Stellenangebote

Growth Marketing Manager:in – Social Media
GOhiring GmbH in Homeoffice
Praktikum im Bereich interne Kommunikation und Social Media
BOS GmbH & Co. KG in Ostfildern bei Stuttgart
Praktikum (m/w/d) Projektmanagement Social Media ab Januar 2025
CEWE Stiftung & Co. KGaA in Oldenburg

Alle Stellenanzeigen


Alexander Böhm: Mobilität, vor allem E-Mobilität ist eine Leidenschaft geworden, sie war es nicht von Anfang an. Ich war eher ein Benzinverfechter und fand es toll, Verbrenner zu fahren. Wenn ich zum Beispiel einen Termin in München hatte, konnte ich einfach herunterfetzen in fünf Stunden von Hamburg nach München. Das ging super, das war schön und auch komfortabel.

Zum Glück hat man aber heutzutage ganz tolle Möglichkeiten, um sich zu informieren. Bei mir war es Netflix. Da habe ich bei den Dokumentationen irgendwann sehr spannende Dokus entdeckt, auch zum Thema „Fortbewegung“ und gemerkt, wie viel sich da eigentlich getan hat.

Diese Netflix-Dokus haben dir dann die Augen für die E-Mobilität geöffnet?

Ich habe gemerkt, dass vieles, was die Autoindustrie einem versucht zu verkaufen, dann doch mehr Marketing ist als Realität. Dann habe ich angefangen, mich weiter zu informieren. Das war 2015 und seitdem habe ich auch direkt Bock drauf bekommen. Nur hat mich anfangs das Finanzielle noch etwas gehemmt. Ich wollte sehr gerne ein E-Auto, aber diese Autos schienen unbezahlbar. Und dann habe ich weiter recherchiert und weiter gerechnet und gemerkt, dass im Endeffekt ein schicker Benziner langfristig im Vergleich zu einem Elektroauto sogar teurer ist. Ein paar Showrooms und Probefahrten später, hat mich die Thematik dann so mitgenommen, dass ich im Herbst 2016 angefangen habe, auf Youtube darüber Videos zu drehen. Tja, und siehe da, meine Zuschauer hat das Thema wirklich interessiert!

Du fährst natürlich auch ein Elektroauto. Welches Modell hast du dir ausgesucht?

Ich fahre einen Tesla, den S 75D.

Ach, einen Tesla sogar!

Ja, viele in meiner Umgebung waren anfangs skeptisch, um es mal vorsichtig auszudrücken, aber sobald sie einmal drin gesessen haben, haben sie auch gemerkt, dass der Tesla ja wie ein ganz normales Auto ist, und man sogar mit einer Akku-Ladung von Hamburg nach Berlin kommt! Dann sind immer alle ganz begeistert. Das zeigt mir aber auch, dass da einfach noch viel Aufklärung fehlt in Deutschland. Das ist so ein bisschen wie, „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!“, aber sobald sie es dann einmal probiert haben, heißt es: „Das schmeckt ja doch ganz geil!“

Nun liegt aber die Schwierigkeit darin, die Bauern davon zu überzeugen, etwas Neues zu probieren. Wie siehst du das denn bei der E-Mobilität – sind die Deutschen wirklich bereit, ihre Benziner aufzugeben?

Ja! Da verändert sich schon etwas, weil die Menschen besser informiert sind und auch merken, wie E-Mobilität von der Infrastruktur her funktioniert und dass sie funktionieren kann. Das habe ich auch schon bei mir im Dorf gemerkt …

Inwiefern?

Nun ja, der Stromanbieter EWE hat bei uns im Parkhaus Ladestationen aufgestellt – aufladen gratis. „Um das Ganze zu fördern“, hieß es. Das Lustige ist, dass die Menschen damit aber auch neugierig geworden sind und fragen wie das funktioniert. Nun sieht man plötzlich bei uns im Dorf viel mehr E-Autos! Es ist tatsächlich so: Je mehr Aufklärung es gibt, umso eher stellen die Verbraucher um. Ich erkenne da wirklich einen Wandel … zumindest wie dieser Wandel so langsam beginnt.

Du hast jetzt mehrmals erwähnt, wie wichtig es ist, die Menschen über die Thematik zu informieren. Als du mit der Kanzlerin gesprochen hast, hattest du das Gefühl, dass ihr das ein Anliegen ist? Ist Angela Merkel oder ihrer Partei das Thema „E-Mobilität“ wichtig?

Ich glaube nicht! Ich hatte eher das Gefühl, es ging ihr darum, Wahlkampf zu machen und Elektromobilität war da auch nur Wahlkampf. Denn sobald man nachgefragt hat, wie man das umsetzen will oder was das kosten soll, kam leider nichts. Das Konzept scheint mir insgesamt zu undurchdacht.

Das Gefühl hatte man aber auch bei ihrer Aussage zum Dieselskandal. Ich paraphrasiere ein wenig, aber ihre Antwort zur Frage, wie das passieren konnte, war in etwa: „Wir hätten nicht erwartet, dass die Autobauer schummeln.“ Wie schätzt du diese Aussage ein?

Also, ich habe meine Zweifel, dass das die Politiker so unvorbereitet getroffen hat. Natürlich gibt es da eine Lobby, aber so ist es nun mal. Viel machen kannst du da leider nicht, außer natürlich die Erkenntnisse aus diesem Skandal in etwas Eigenes umsetzen. Also zum Beispiel: keinen Verbrenner mehr kaufen!

Im Endeffekt muss man also selbst umdenken. Warum muss deiner Meinung nach die Politik hier noch etwas tun? Man kann die Leute ja auch nicht zwingen, sich ein Elektroauto zu kaufen…

Also wenn wir ehrlich sind: Die Förderungen, die in den letzten Jahrzehnten in Dieselautos oder Ein-Liter-Autos geflossen sind, hätte man ja auch in Akkutechnik oder Elektromotoren stecken können! Wäre das staatlich gefördert worden, dann wären wir in Deutschland definitiv schon viel weiter fortgeschritten in der Entwicklung und Deutschland wäre international viel besser aufgestellt. Da bin ich mir mehr als sicher!

Nach deinem Interview mit der Kanzlerin hat ein Zuschauer kommentiert: „Deutschland ist in Sachen Mobilität 0,0% innovativ“. Teilst du diese Einschätzung?

Das stimmt schon! Das hat man ja auch im Gespräch gesehen. Wenn Frau Merkel als Zeichen für Mobilitätsinnovationen in Deutschland auf einen E-Roller anspielt, dann fragt man sich natürlich schon, was sie damit sagen will. Sollen wir jetzt alle Roller fahren, oder wie? Auf wichtige Kritikpunkte, zum Beispiel die Tatsache, dass es kein deutsches E-Auto gibt, das mit einer Akku-Ladung die Pendlerstrecke Hamburg – Berlin fahren kann, gibt es keine gute Antwort. Da muss man sich als Fahrer ein ausländisches Auto zulegen. Das ist doch peinlich!

Glaubst du, Verbraucher verlangen zu viel von ihren E-Autos?

Nun gut, da muss man genau schauen, welches Modell man fährt. Selbst beim Benziner ist es ja so, dass die kleinen Stadtflitzer nicht ideal für lange Strecken sind. Das ist bei den E-Autos ja auch nicht anders. Aber, da muss es wie bei Verbrennern auch mehr Auswahl geben, also E-Autos für Städte oder für weite Strecken. Je nachdem, was man von seinem Fahrzeug erwartet, wählt man dann das passende Modell. Nur: Aktuell gibt es diese Auswahl nicht. Im Moment hat man eigentlich nur die Wahl zwischen geht nicht und geht nicht.

Was würdest du dir denn von der E-Mobilität in Deutschland wünschen?

Der erste Schritt wäre, dass es einfach ein Angebot für kurze und lange Strecken von deutschen Autoherstellern bei E-Autos gibt. Da bräuchte man auch nicht zu jedem Modell acht Varianten, das ist doch Verschwendung. Wieso nicht einfach drei Modelle: großes Auto, mittelgroßes Auto, kleines Auto und fertig – wie bei Tesla. Das ist doch viel schlauer. Dann kannst du dich entscheiden, was zu dir und deinem Lebensstil passt. Es muss auch klar sein, dass wir auch bei E-Autos nicht mit jedem Fahrzeug alles machen können. Also, ich kann nicht denken, dass ich ein elektrisches Auto habe, das mit einer einzigen Ladung weite Strecken fährt und ich das ebenfalls in zwei Minuten aufladen kann. Diese Erwartungshaltung muss man sich abgewöhnen! Käufer brauchen aber auch mehr Informationen.

Was erwartest du hier in Zukunft von der deutschen Automobilindustrie?

Ich glaube nicht mehr daran, dass die deutschen Hersteller hier etwas reißen werden. Denn wenn man sich die Konzeptautos von Mercedes bis VW anschaut, ist keins davon überzeugend. Das sind genau die Autos, die ich in Zukunft nicht sehen will. Ich glaube auch nicht, dass die deutschen Hersteller wirklich verstehen, wie die Zukunft funktioniert. Die Vorstände gehören einfach einer anderen Generation an. Wir brauchen einfach einen Elon Musk in Deutschland, der sagt: „Ich finde es scheiße, wie es jetzt läuft und will, dass es anders läuft“ – und dann alles daran setzt, dass es funktioniert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hier könnt ihr euch das Interview von Alexander Böhm mit Angela Merkel in einer von ihm kommentierten Fassung nochmals anschauen. Fazit: „Kann man mal gemacht haben!“

Auch spannend

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

Kommentare