Wie viel brauchen wir eigentlich zum Leben? Diese Frage steht im Zentrum des Dokumentarfilms Without Bound – Perspectives on Mobile Living von Michael Tubbs und Aaron Harlan. Eine herausfordernde, humorvolle und nachdenklich stimmende Dokumentation.
Wie viel kostet Glück?
Navada im Jahr 2014. Eine Handvoll Sozialrebellen haben hier mitten in der Wüste an einem idyllischen Ort Stellung bezogen. Ihr Ziel: Das Leben in vollen Zügen genießen – in ihren Wohnwagen. Without Bound begleitet diese Menschen in ihrem unkonventionellen Alltag und fragt, warum macht ihr das eigentlich?
Die Karawane zieht weiter
Keiner der Interviewpartner besitzt ein Haus, die meisten haben all ihr Hab und Gut verkauft und leben mitunter schon seit 30 Jahren in ihren Wohnwagen.
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Viele von ihnen haben harte Schicksalsschläge wie Scheidung, Krankheit oder Verlust hinter sich. Andere wiederum konnten sich einfach nicht mit dem vorgefertigten Lebensmodell ihrer Gesellschaft anfreunden.
Zwar besteht die fröhliche Karawane zum größten Teil aus Rentnern, aber auch zwei junge digitale Nomaden sind mit von der Partie. Sie alle sind hier gelandet, weil sie irgendwann festgestellt haben, dass Glück nicht käuflich ist. Noch weniger ist es an materielle Dinge gebunden. Zwei Aussagen, bei denen gerade in den konsumsüchten USA wohl viele erstmal schlucken müssen.
Was passiert mit Menschen, wenn sie frei sind?
Doch auch wenn dieser Dokumentarfilm eine amerikanische Perspektive einnimmt, sind uns materialistische Glaubensgrundsätze à la „Mein Haus, mein Auto, mein Pferd“ auch in Deutschland nicht fremd.
Besitz, so die These, scheint für viele ein Gefühl der Sicherheit zu erzeugen. Und das in einer Welt, in der uns sensationsgierige Medien und kriegswütige Regierungen glauben lassen, Gefahren lauerten um jede Ecke. Die RVer fragen sich: Ist es möglich, dass Regierungen uns absichtlich mit Werbung überschwemmen, um all unser Denken nur in Bahnen des Konsums zu lenken?
Das ist natürlich keine neue Erkenntnis. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Theorie war etwa der deutsch-amerikanische Philosoph Herbert Marcuse. Die interviewten Aussteiger sehen das ganz ähnlich. Sie fragen provokant: Was passiert eigentlich mit uns, wenn wir nicht acht Stunden am Tag arbeiten und danach nur noch Kraft zum Konsumieren haben? Woran denken Menschen, die frei sind?
Back to Basics
Ich finde Without Bound so eindrucksvoll, weil die Doku den Finger tief in die Wunde unserer Konsumgesellschaft legt und abseits von Blogmonetarisierung, Onlinerechnungsprogrammen und den besten Coworking-Spots auch zurück zu den Grundlagen des digitalen Nomadenlebens geht.
Die meisten von uns sind ja nicht aus dem Hamsterrad ausgebrochen, um in Mexiko das gleiche Leben zu führen, was wir schon in Deutschland nicht mochten. Freiheit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und die Besinnung auf das Wesentliche sind die wahren Motoren, die digitale Nomaden antreiben.
Oberflächlich geht es in der Dokumentation zwar vor allem um RVer, doch die Fragen, die diese Menschen bewegen, haben sich auch die meisten digitalen Nomaden schon einmal gestellt. Denn genau wie die Digitalnomaden rütteln auch die Menschen in der Doku an fest betonnierten gesellschaftlichen Wänden. Sie suchen nach alternativen Lebenswegen, die weniger mit Konsum und mehr mit tiefem Glück zu tun haben. Schönstes Zitat dazu:
Nur weil etwas verrückt klingt, heißt es nicht, dass es unmöglich ist.
Wie Immanuel Kant so (na ja, oder so ähnlich) schon vor 300 Jahren sagte: Habe Mut, deinen Traum zu leben. Was für eine schöne Botschaft für’s Wochenende!