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Interview: Die Rolle von Fan-Loyalität im Fußball

Die Rolle von Fan-Loyalität im Fußball
Fanmiles
geschrieben von Philipp Ostsieker

Die Bundesliga-Klubs absolvieren Trainingslager in Asien oder starten Reichweiten-Offensiven auf Facebook, um neue Fans anzusprechen. Aber können sie auch langfristig ihre treuen Fans binden? Daniel Sprügel von Fanmiles verrät im Interview seine Sicht auf das Thema Fan-Loyalität im Fußball.

Daniel Sprügel

Daniel Sprügel ist studierter Sportmanager mit über 10 Jahren Erfahrung im Sportmarketing und Sponsoring Sales. So konnte er bereits große Namen wie Coca-Cola, die Deutsche Bahn, Burda, den HSV, Hertha BSC oder Bayer 04 Leverkusen zu seinen Kunden zählen. Als Director Account Management Sports DACH treibt er die Aktivitäten der Fanmiles GmbH voran.

Mit Sports Maniac betreibt Daniel Sprügel zudem einen der spannendsten Podcasts im deutschen Sportbusiness und diskutiert dort mit diversen Sport-Experten regelmäßig die Zukunft der Branche.


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Im Interview spricht der Experte im digitalen Sportmarketing über die Rolle von Fan-Loyalität im Fußball. Wer Lust hat, kann sich dieses Interview auch als Podcast-Folge bei Sports Maniac anhören.

Daniel, wie ist Fanmiles entstanden? Wie hat es sich über die Jahre entwickelt? Was macht ihr genau? Und wie bringt sich Philipp Lahm als Investor mit ein?

Daniel Sprügel: Fanmiles gibt es schon seit 2011. Ich selbst bin seit knapp viereinhalb Jahren mit an Bord. In 2013 haben wir mit dem Hertha BSC Bonusprogramm das erste Loyalty-Programm für Fans in der Bundesliga gelauncht. In den darauffolgenden zwei Jahren folgten der Hamburger SV, Schalke 04 und zuletzt Bayer 04 Leverkusen, die ebenfalls ein in sich geschlossenes Loyalty-Programm mit unserer Technologie gestartet haben.

Was wir letztendlich nach 2 Jahren Pilotphase gemerkt haben, ist, dass diese in sich geschlossenen eigenständigen Programme aufgrund der begrenzten Anzahl an Fans nicht skalierbar sind.

Deswegen haben wir 2015 die für alle Partner offene globale Plattform Fanmiles.com gelauncht und die bestehenden Programme der Vereine darin migriert. Als Loyalty-Technologie-Unternehmen bieten wir Marken und Unternehmen aus Sport und Entertainment an, mit unserer Technologie ihr eigene Loyalty-Programm zu betreiben. Aus User-Sicht musst du es dir so vorstellen: Du als Philipp Ostsieker hast einen globalen Account bei Fanmiles, mit dem du bei allen Partnern aus dem Netzwerk die digitale Währung „#fanmiles“ sammeln und auch wieder in Prämien einlösen kannst. Das ist so ähnlich wie PayPal. Da hast du auch einen Account und kannst überall damit bezahlen.

Heute sitzen wir in Berlin-Kreuzberg mit 35 Leuten im Team. Die Hälfte des Teams sind dabei Software-Entwickler, die an der Weiterentwicklung der Technologie arbeiten. Ich war damals der erste Mitarbeiter nach der Geschäftsführung und hatte das Glück alle Facetten einer klassischen Start-Up Story mit allen Höhen und Tiefen mitzuerleben. Philipp Lahm ist seit Februar 2016 einer der Investoren, was natürlich für die PR und Außendarstellung von Fanmiles ganz gut ist. Philipp ist aber kein klassischer Investor, sondern bringt sich durch sein Netzwerk und seine Kontakte auch aktiv mit ein. Im September wird er beispielsweise mit unseren beiden Gründern beim größten Start-Up Event, der Bits & Pretzels, darüber sprechen, warum er in Fanmiles investiert hat.

Kannst du ausführen, wie konkrete Partnerschaften bei euch aussehen, bspw. mit Schalke 04?

In der Bundesliga arbeiten wir erfolgreich mit Schalke 04, Hertha BSC und Bayer 04 Leverkusen zusammen. Diese belohnen ihre Fans für jede Interaktion rund um den Verein, beispielsweise den Stadionbesuch, den Einkauf im Fanshop oder eine Interaktion mit einem Sponsor. Die dabei gesammelten #fanmiles können dann in Prämien, wie Tickets, Merchandise oder exklusive Highlight, wie Meet & Greets, eingelöst werden. Im eSports & Gaming gehören unter anderem die ESL, Electronic Arts oder Activision, einer der größten Spiele-Publisher der Welt, zu unseren Partnern. Neben den Bundesliga-Vereinen nutzen auch namhafte Unternehmen und Marken aus Sport unsere Technologie, um ihre Kunden zu aktivieren und zu binden, wie beispielsweise Adidas, Intersport, 11teamsports oder auch die Ausrüster Kappa und Hummel.

Das war jetzt natürlich sehr sportlastig, weil wir da als Firma auch ursprünglich herkommen. Nichtsdestotrotz haben wir auch einige Partnerschaften im Entertainment, wie z.B. CineStar, Ticketmaster, Sony Music oder Universal Music.

Kannst du in dem Kontext noch etwas zu deiner konkreten Rolle sagen?

Ich bin für den Bereich Sales & Business Development verantwortlich. Unser Team kümmert sich um die Gewinnung und Akquise neuer Partner – erstmal mit Fokus auf den Kernmarkt Deutschland. Wir haben auch schon erste Ansätze in Richtung USA gemacht. Der Sport- und Entertainment Markt ist natürlich vom Volumen her nochmal eine ganz andere Liga als hier in Deutschland.

Ein bisschen weg von Fanmiles selbst. Ihr habt ja wirklich prominente Klubs in eurem Portfolio. Aber welchen Stellenwert gibst du dem Thema Fan-Loyalität im Profifußball generell?

Wenn du dich durch die Bundesliga-Vereine fragen würdest, würden dir wahrscheinlich alle sagen: „Das ist das Wichtigste überhaupt für unseren Verein“. Das stimmt ja per se auch so.

Wenn man sich die Wertschöpfungskette eines Vereins mal anschaut, ist es ja so: Du hast loyale Fans, die kaufen Tickets und Merchandise. Diese Einnahmen kannst du direkt wieder in Spieler investieren. Dann geht der Kreislauf weiter. Wenn du gute Spieler hast, kommst du vielleicht ins internationale Geschäft und bist interessanter für Sponsoren. Dir winken zudem weitere Einnahmen durch höhere TV-Gelder. Und die Basis dieses wirtschaftlichen Erfolgs sind die loyalen Fans, die deine Trikots und Tickets kaufen. Deswegen sollte man ihn eigentlich auch in den Fokus aller Maßnahmen nehmen und fanzentrisch denken.

Was ich oftmals in meinen Gesprächen höre, oder generell im Markt: Es herrscht vielerorts der Glaubenssatz „Warum soll ich ein Loyalty-Programm einführen? Meine Fans sind doch ohnehin loyal. In dem Bereich müssen wir nicht viel tun.“

In meinen Augen ist das ein großer Fehler und viel zu kurz gedacht. Wenn man sich mal in der Bundesliga umschaut, findet man eigentlich bei jedem Verein eine Kampagne zur Mitgliedergewinnung. Wenn man sich aber mal anschaut, dass in der Bundesliga knapp eine Million Vereinsmitglieder gibt, frage ich mich doch: „Was passiert denn mit denen?“.

Ich bin selbst auch kein Vereinsmitglied.

Ich bin tatsächlich seit etwa 25 Jahren eines Vereins im Ruhrgebiet und seit dem 100-jährigen Jubiläum 2009 Vereinsmitglied.

(lacht) Wattenscheid 09?

Fast. Ich finde, das ist ein Klub, der ganz tolle Marketing- und Kommunikationsarbeit leistet. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass in der Ansprache nicht unterschieden wird zwischen dem VIP-Karteninhaber und dem klassischen Südtribünen-Fan. Das ist immer mein plakatives Beispiel. Es gibt mir aber auch das Gefühl, dass das Thema gar nicht so einen hohen Stellenwert hat.

Ich stimme dir da voll zu. Wenn du mal überlegst, als Mitglied kriegst du wahrscheinlich einmal im Jahr ein Paket. Darin enthalten ist dann ein Stadion-Magazin oder ein Fan-Katalog, damit du mehr bestellst. Der einzige Grund, warum ich aktuell Vereinsmitglied sein sollte, ist vermutlich nur, um schneller an Tickets zu kommen. Ansonsten: Ich brauche nicht jede Woche das Stadion-Magazin, ich brauche auch keine Rabatte im Fan-Shop. Merchandise kriege im Zweifel auch auf Amazon günstiger.

Im Endeffekt gibt es drei zentrale Gründe, warum Vereine sich jetzt um die Loyalität ihrer Fans kümmern sollten.

Erstens: Die Ansprüche von Fans sind gestiegen. Der Fan will selbst bestimmen und tendiert mehr und mehr von „passive to active“. Er kommentiert die Social Media der Vereine oder schreibt an den Fan-Service. Und dann will der Fan gehört werden. Er will Feedback, am besten sofort. Er will, ähnlich wie er es durch Messenger Dienste und Social Media kennt, dass sein Verein innerhalb kürzester Zeit zurückschreibt. Und das können die meisten Klubs schon aus personeller Sicht gar nicht leisten.

Der zweite Punkt ist der demografische Wandel. Das sieht man ja auch in der gesamten Gesellschaft. Es kommen immer wenige junge Fans nach. Deswegen muss ich mich natürlich mehr auf die konzentrieren, die ich habe.

Der dritte Punkt ist der veränderte Medienkonsum generell, nicht nur bei Fans. Das heißt: Wenn ich mir zuhause etwas anschauen will, gehe ich eher auf Netflix oder auf YouTube, als mich vor den Fernseher zu setzen. Stichwort: On demand Gesellschaft. Mit der digitalen Welt gibt es mittlerweile einfach eine Vielzahl an attraktiven Alternativen zum Stadionbesuch. Und nicht nur wie früher, den Besuch im Tierpark Hagenbeck, wie es Raphael Brinkert kürzlich bei uns im SPONSORs Podcast auch gesagt hat.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der Stellenwert von Fan-Loyalty in der Bundesliga ist mir persönlich noch zu gering. Was Vereine bedenken sollten: Was für die freie Marktwirtschaft gilt, gilt auch für den Sport. Einen Kunden zu gewinnen, ist im Endeffekt fünfmal teurer, als einen bestehenden Kunden zu binden. Und das werden die Vereine über kurz oder lang auch zu spüren bekommen, wenn sie nicht aktiv was für ihre Fans tun.

Noch so eine provokative These: Viele Klubs rennen mittlerweile blindlings schnellen Millionen, z.B. in Asien, hinterher. Sie kennen aber ihre eigenen Fans zuhause gar nicht richtig und verpassen hohe Potenziale. Sie gehen eigentlich den zweiten Schritt vor dem ersten.

Ich glaube, dass muss man voneinander trennen. Das eine ist ja die Internationalisierung, „die Millionen in Asien“. Natürlich muss man sich immer damit beschäftigen, neue Erlösquellen außerhalb des Kernmarktes Deutschlands zu identifizieren. Für einen Klub wie bspw. Erzgebirge Aue ergibt es natürlich wenig Sinn, alleine schon von der Manpower her. Aber natürlich: für Vereine wie Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04, Bayer Leverkusen usw., die international wahrgenommen werden möchten, macht es 100% Sinn nach Asien zu gehen.

Gerade durch die digitalen Kanäle kann man heutzutage deutlich einfacher und günstiger mit Fans weltweit kommunizieren als noch vor zehn Jahren. Es lässt sich natürlich darüber streiten, wie gut oder weniger gut die Ansätze der Vereine dabei sind.

Beim zweiten Punkt, dass Vereine ihre Fans überhaupt nicht richtig kennen, stimme ich dir absolut zu. Mit Blick auf die Bundesliga-CRM-Landschaft, sehe ich eine Dreiteilung der Liga.

Ganz vorne natürlich die Beispiele wie SAP bei der TSG Hoffenheim und beim FC Bayern oder Salesforce bei Schalke 04. Die haben natürlich von A bis Z die besten CRM-Datenbanken oder ERP-Systeme, die die Vereine nutzen können, um ihre Fan-Daten zu bündeln, zu analysieren und intelligent zu verwerten.

Im Mittelfeld findest du Vereine, die sich gerade mitten in der Implementierung von CRM-Systemen befinden. Oder sie denken zumindest gerade darüber nach und beschäftigen sich intensiv damit.

Und am Ende der Tabelle gibt es natürlich auch einige Vereine. Ich würde fast sogar sagen, dass es der Großteil der Vereine ist. Bei denen sind die Daten aus dem Merchandising-, Ticketing- und Mitglieder-Bereich noch nicht mal in einer einheitlichen Datenbank erfasst – teilweise sogar noch in Excel-Listen. Ich habe zuletzt noch mit einem Klub gesprochen, der gerade erst seine Barcodes im Fan-Shop eingeführt hat. Das heißt, da gab es nicht einmal ein Warenwirtschaftssystem.

Liegt das daran, dass die Erkenntnis nicht vorhanden ist? Oder ist der Grund einfach ein riesiges Ressourcen-Problem?

Ja und nein, beides irgendwie. Eines vorweg: Was man gerade aus Online-Shops kennt, von Amazon und Zalando z.B., die schicken einem auf Basis deines Click-Verhaltens gezielte und personalisierte Angebote. Du hast dir den Nike Sneaker angeschaut und kriegst ihn nächste Woche vielleicht mit 20 Prozent Rabatt. So etwas habe ich noch nicht bei einem Bundesliga-Verein angeboten bekommen. Aber das erwartet letztendlich der Fan.

Und das kann auch ohne eine entsprechende Infrastruktur gar nicht stattfinden. Da schlummert auf jeden Fall einiges an Potenzial. Aber dazu muss erst einmal noch etwas Basisarbeit geleistet werden. Dazu gehört eben auch, sich erst einmal damit zu beschäftigen. Was für CRM- und Loyalty-Lösungen gibt es? Und welche ergeben für mich Sinn?

Aktuell ist es so: Wenn wir beide ins Stadion gehen, gleich alt sind, vielleicht das Trikot vom gleichen Spieler tragen, und immer die gleiche Anzahl Bier trinken, kann es trotzdem sein, dass du nachher mit der S-Bahn nach Hause fährst und ich mit dem Auto. So ähnlich Fans sich auch sind, man kann sie trotzdem nicht in eine Kiste stecken. Du musst jeden einzelnen individuell ansprechen und mit ihm kommunizieren. Genau in diese Richtung geht der BVB zum Beispiel ansatzweise mit deren App. Da bekommen zumindest schon mal die Stadionbesucher und die Daheimgebliebenen unterschiedliche Nachrichten zum Spiel.

In meinen Augen musst du aber noch einen Schritt weiter gehen. Sprich basierend auf dem individuellen Verhalten rund um den Verein mit Fans kommunizieren. Um beim Beispiel Ticketing zu bleiben: Wenn ich in der Vorrunde fünf von acht Mal ins Stadion gegangen bin, mit Frau und Kindern, macht es z.B. Sinn, dass ich eine Familiendauerkarte für die Rückrunde angeboten bekomme. Das macht natürlich für einen Besitzer einer Dauerkarte, der schon jedes Spiel da ist, keinen Sinn.

Das gleiche beim Merchandising. Wenn ich mir vor der Saison das Trikot von Arjen Robben kaufe, dann brauche ich aller Wahrscheinlichkeit nach kein zweites davon. Nichtsdestotrotz kriege ich zum Saisonstart alle zwei Wochen eine Email mit Betreff „Das neue Trikot“. Zu Weihnachten heißt es dann meist „Rabatt aufs Trikot“ und im Saison-Endspurt „Alles muss raus“. Aber eigentlich will ich den Robben vielleicht lieber persönlich treffen oder Autogrammkarten von ihm haben oder die Holland-Edition von irgendeinem FC-Bayern-Produkt haben. Da muss man viel individueller auf den Fan eingehen, welche Bedürfnisse er eigentlich hat. Das kann nur passieren, wenn die entsprechende digitale Infrastruktur vorhanden ist.

Um mein Loyalitäts-Bashing abzuschließen: Sehen die Klubs aus deiner Sicht zu wenig Umsatzpotenzial oder scheuen sie den Aufwand beim Thema Fan-Loyalität?

Ich glaube, weder noch. Die Punkte sind schon relevant, aber die eigentliche Grundproblematik besteht darin, dass es seitens der Vereine einfach einen fehlenden strategischen Planungshorizont gibt. Es hat auch weniger mit Kompetenz in den Führungsriegen zu tun – zumindest in den meisten Fällen. Es hat sehr, sehr viel mehr mit der Herausforderung zu tun, dass die meisten Vereine nicht wissen, wo sie in der nächsten Saison spielen.

Heißt, ab den Top-5 musst du dir Gedanken machen: Wo sind wir denn eigentlich nächstes Jahr? Wenn du weißt, du könntest theoretisch in die zweite Liga absteigen, dann tut man sich natürlich schwer in so eine digitale Infrastruktur oder einen Marken-Relaunch zu investieren. Im Zweifel fließen die Gelder eher in Beine statt Bits, wie es Prof. Dr. Julian Kawohl schon in meinem Podcast gesagt hat. Man verpflichtet eher noch einen Spieler als in infrastrukturelle Themen zu investieren.

Hast du das Gefühl, dass es so bleibt. Oder könnte sich diese Einstellung ändern?

Mal plakativ gesagt: Je enger die Schlinge sich zu zieht, desto eher handelt man. Man sagt, die sportliche und wirtschaftliche Schere in der Bundesliga geht immer weiter auseinander. Das ist aber auch kein Wunder, denn es ergibt Vereine, die handeln aktiv, und welche, die schauen nur zu. Das werden sie in ihrer Entwicklung merken.

Jetzt haben wir oft über negative Eindrücke oder Erfahrungen gesprochen. Was sind denn aus deiner Sicht positive Beispiele im Bereich Fan-Loyalität?

Wir sollten da kein Bundesliga-Bashing machen. Um eine Lanze zu brechen: Der Wille ist ja bei den meisten da. Es ist so, dass sehr viele kompetente Leute in den Vereinen tätig sind, die in ihrem Gebiet echte Experten sind. Meist sind denen selbst aber die Hände gebunden, sowohl aus finanzieller- als auch aus zeitlicher Sicht. Die Digitalisierung beginnt in den Köpfen der Entscheider. Und der Social-Media-Manager kann nicht zum Chef gerufen werden nach dem Motto: „Du machst jetzt die digitale Transformation unseres Vereins.“ Das wird nicht funktionieren!

Die beste Kundenbindung ist immer noch attraktiver Fußball. Wenn du die Fans nicht jedes Wochenende mit 0:0 nach Hause schickst, sondern attraktiv spielst und gewinnst, kommt dagegen niemand an. Jeden Tag arbeite ich mit Hertha, Schalke und Leverkusen. Die machen das in meinen Augen sehr, sehr gut mit den Mitteln und Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Zumindest zeigen das die erfolgreichen KPIs Ihrer Loyalty-Programme. Ansonsten, da bin ich ehrlich, kann ich dir gar keine kreativen oder gelungen Beispiele sagen. Fällt dir eines ein?

Im Sport nicht wirklich, weil ich aber auch nur die Klubs einschätzen kann, bei denen ich entweder Mitglied bin oder bei denen ich schon mal Tickets gekauft oder einen Newsletter abonniert habe. Gefühlt ist es dort zumindest überall ähnlich.

Gut, du kannst natürlich so was wie „Buy one, get one free“-Aktionen dazu zählen. Oder wenn Fans früher im Stadion kommen, kriegen sie die Wurst günstiger. Das sind alles Ansätze, aber keine, um die Loyalität der Fans systematisch und nachhaltig zu steigern.

Jetzt haben wir viel über das Thema Kundenbindung gesprochen. Was sind für dich grundsätzlich tolle Marken-Beispiele der Klubs? Und was ist dein Gefühl, wie sich Klubs im Rahmen des digitalen Wandels positionieren?

Was ich sehr begrüßen kann, ist, dass viele Klubs externe Kompetenz aus der Wirtschaft im Verein installieren. Ein Beispiel ist Hertha BSC mit Paul Keuter von Twitter. Auch der FC Bayern holt sich sehr viel Expertise von außen, das kriegt man gar nicht immer so mit. Man holt sich Hilfe von Experten aus der Wirtschaft, die schon ganze Unternehmen digitalisiert haben. Den digitalen Wandel alleine aus vereinseigenen Ressourcen zu meistern halte ich für nahezu unmöglich.

Auch Dienstleister und Agenturen müssen sich etwas bei der Vermarktung überlegen. Es reicht nicht mehr zu sagen, „Ich hab hier ein Trikot, eine Bande oder einen Ärmel. Kauf doch das mit Reichweite X“. Marketing- und Sponsoring-Entscheider müssen, wie auch bei anderen Marketing- und Kommunikationskanälen, intern klare Nachweise liefern, dass ein Kanal wie Sponsoring funktioniert. Und das wird nicht einfach. Deshalb bin ich auch gespannt, wie sich das Thema „Messbarkeit im Sponsoring“ weiter entwickeln wird.

Du hast angedeutet, dass einige Vereine bereit sind, sich auch Playern außerhalb der Sportbranche zu öffnen. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass es aber nach wie vor immer noch um die gleichen Geschäftsmodelle (z.B. Sponsoring, Ticketing, TV-Gelder) geht. Warum tun sich Klubs so schwer, neue Geschäftsmodelle zu testen?

Ich finde es gut, dass zumindest einige Klubs gemeinsam mit Hochschulen etwas testen oder erforschen. Oder sie gehen mit großen Playern wie Facebook, Google, Snapchat direkte Kooperationen ein, um Projekte anzustoßen.

Doch bevor Vereine über neue Geschäftsmodelle nachdenken. Lass uns doch erst mal auf die bestehenden Erlösquellen schauen. Denn da liegt in meinen Augen noch jedem Menge Potenzial brach, die man mit Hilfe innovativer Technologien heben kann.

Wenn Vereine die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen haben, ihren Fans personalisierte Angebote im Ticketing und Merchandising zu schicken, dann kannst du auch an diesen vermeintlich begrenzten Erlösquellen noch mehr herausholen. Mit dem Fokus und der Ausrichtung auf den Kunden und dessen Bedürfnisse sind Zalando und Amazon so groß geworden. Deswegen glaube ich, dass Vereine erst einmal hier ansetzen sollten.

Auf der anderen Seite gibt es gerade in Deutschland eine Zurückhaltung, was das Ausprobieren neuer Technologien und Geschäftsmodelle angeht. Ganz im Gegensatz zu Teams und Klubs im US-Sport, die beinahe wöchentlich irgendwelche Innovationen testen. Gefühlt ist es in Deutschland leider so: Wenn wir etwas starten, dann muss das auch erfolgreich sein. Ohne wenn und aber. Leider wird das Scheitern hierzulande noch als negativ angesehen.

In den USA findest du Teams wie die Golden State Warriors (NBA). Die arbeiten parallel, glaube ich, an über 50 Projekten mit Startups aus dem Silicon Valley zusammen. Wenn davon 2-3 Projekte funktionieren, dann ist das trotzdem ein Erfolgscase.

Da gibt es natürlich auch oft die Stimmen der Überkommerzialisierung des Sports. Aber wenn man sich mal anschaut, was die machen, könnte man sich in Deutschland die ein oder andere Scheibe davon abschneiden. Und wenn man die Fans fragt, die profitieren davon und sind glücklich damit. Und darauf kommt es doch ehrlicherweise an. Ich kann nur jedem, der die Chance dazu hat, raten, sich das mal genauer anzuschauen.

Zurück zur Bundesliga. Ob es jetzt der 1. FC Köln ist mit musical.ly oder Wolfsburg mit Virtual Reality, das sind alles gute Ansätze. Aber das müssen mehr Vereine machen und sie müssen es öfter machen. Ich würde mir wünschen, dass die Vereine einfach ein bisschen offener werden und Dinge mutiger ausprobieren. Das muss aber von ganz oben vorgelebt werden.

Wieder ein gefühlter Fakt von meiner Seite: Es gibt viele Best Cases, aber über 90 Prozent dieser Cases, die man wahrnimmt, sind immer nur von Top-Klubs. Gibt es aus deiner Sicht einen oder mehrere kleine Klubs, die es besonders gut machen?

Du hast recht, wahrscheinlich sind über 95 Prozent aller Cases von Top-Klubs. Was aber natürlich damit zusammenhängt, dass da wahrscheinlich zehn Leute im Marketing sitzen und nicht nur einer und noch dazu keine entsprechenden Budgets da sind, um vielleicht mal etwas auszuprobieren. Sowohl das Zeitliche, als auch die Manpower, als auch das Budget sind drei Faktoren, warum die Kleineren vielleicht nicht so viele Best Cases abliefern.

Auf der anderen Seite habe ich ja gerade die digitalen Kanäle angesprochen. Da haben ja die kleinen Klubs die gleichen Chancen wie die großen Klubs, um virale Inhalte zu produzieren, die vielleicht von Fans geteilt werden – auch außerhalb der eigenen organischen Reichweite. Und vielleicht gehe ich noch ein Stück weiter und sage: Die kleinen Vereine sind sogar im Vorteil, weil sie im Verein kurze Abstimmungswege haben und dadurch viel flexibler sind.

Zwei gute Beispiele, die ich zuletzt gesehen habe: TuS Haltern, auch wenn die von Jung von Matt/sports unterstützt werden. Aber die sind mit dieser Strategie in Social Media mittlerweile der größte Verein in Deutschland in der Oberliga.

Das zweite Beispiel ist Rot Weiss Ahlen. Da sitzt ein Social Media Manager, der ist recht lustig und humorvoll. Was der perfekt beherrscht, ist „Perfect-Minute-Advertising“. Wenn kicker oder sportal etwas posten, kommentiert er als Verein und verpflichtet Ibrahimovic oder will als erster Verein bei der WM in Russland dabei sein. Als Fan begeistert mich das. Also du siehst: Es geht schon, man muss in der Tat nur etwas kreativ sein.

Angenommen, du würdest einen kleinen bzw. Mittelkasse-Klub in der Bundesliga beraten, welchen drei Themen würdest du in den nächsten zwei bis drei Jahren intensiv nachgehen?

Das eine ist auf jeden Fall das Thema „Digitale Infrastruktur“. Dazu gehört für mich vor allem in einheitliches CRM- oder ERP-System, worüber ich meine komplette Fan- und Vereinskommunikation abhandeln kann. Und noch wichtiger, dahingehend ist auch meiner kompletten Organisation ein datengetriebenes Mindest einzupflanzen. In gewisser Weise ist also auch ein Change-Management-Prozess anzustoßen. Die Mitarbeiter müssen selbst spüren, dass ihre Abteilung und eigene Arbeit davon stark profitieren.

Das zweite ist das Personalisieren der Fan-Kommunikation, weil ich da vor allem unglaubliche Potenziale sehe beim Ticketing und Merchandising, wenn man auch bedarfsgerecht kommuniziert. Und am Ende des Tages wird das auch dabei helfen, um der Konkurrenz von Amazon oder Zalando ein bisschen Einhalt zu gebieten.

Ich bleibe auf der Business-Seite und gehe weg vom Sport. Bei allem, was du tust, mach es immer Fan-fokussiert. Wenn ein Verein etwas für Fans entwickelt, sollte er die Fans auch aktiv in den Entwicklungsprozess mit einbinden. Seinen Fans irgendetwas vorsetzen und sagen „Use it or not“ wird nicht funktionieren. Der dritte Punkt ist also der Fan-zentrische Ansatz “Fans first”.

In Anknüpfung daran: Welche Trends werden denn aus deiner Sicht aktuell total überschätzt und welche unterschätzt?

Ich würde nicht sagen „überschätzt“, aber in meinen Augen zu sehr gehyped im Sportbusiness: eSports. Dazu muss man sagen, ich habe hier kaum Berührungsspunkte. Ich bin zwar interessiert, lese einiges darüber und höre von großen Zahlen. Klar ist das ein Riesen-Thema, aber ich habe ein bisschen das Gefühl, dass alle, die letzte Woche noch etwas ganz Anderes im Sportbusiness gemacht haben, jetzt über eSports reden und was vom Kuchen abhabe wollen, weil es ohne Frage ein riesen Thema ist. Ich würde, wenn das Thema eSports wirklich so groß wird, wie die Prognosen es aussagen, mit Leuten reden, die ich auch wirklich Ahnung davon haben. Also bitte weniger Hype, denn eSports wird schon seinen Weg machen.

Was unterschätzt wird ist weniger ein Trend, vielmehr ein Mangel an Fokus – und zwar das Thema Aufbau einer vereinseigenen CRM-Datenbank. Ich nehme mal die großen Vereine. Die haben Millionen-Reichweiten in Social Media, aber nicht in ihren Datenbanken. Deswegen sollte man eher einen Fokus darauf legen, die Daten, die aktuell Facebook, Twitter und Google besitzen, inhouse zu holen. Wenn du das nicht tust und z.B. Facebook morgen wieder seinen Algorithmus ändert oder eine Plattform abgeschaltet wird, wie es z.B. bei Vine passiert ist. Dann sind Millionen Reichweiten und der direkte Kanal zu den Fans auf einen Schlag weg! Und das ist gefährlich. Also mein Tipp an der Stelle: Baue kein Haus auf gemieteten Grund. Und versuche daher möglichst viele Daten in deinem eigenen CRM zu sammeln. Nur so kannst du deine Fans wirklich kennenlernen und hast die Möglichkeit personalisiert mit ihnen zu kommunizieren.

Du hast schon ganze 43 Sports Maniac-Folgen veröffentlicht. Wie kam es zu der Idee, den Podcast zu starten? Wieviel Aufwand steckst du hinein? Sind noch weitere Formate neben dem Podcast denkbar?

Das ist dem Fakt geschuldet, dass ich viele Unternehmen gesehen habe, die Millionen-Gelder in Sponsoring-Flächen investieren, die ihnen nichts bringen bzw. ihre Ziele damit nicht erfüllen. Beispiel: Ein regionaler Sponsor bucht eine TV-Bande fürs nationale Fernsehen. Das ergibt für mich keinen Sinn.

Auf der anderen Seite kenne ich einige Sponsoren, die es mit verhältnismäßig geringen Budgets vor allem mit Hilfe digitaler Aktivierung schaffen, aus der Masse hervorzustechen. Und da dachte ich mir: Wie kann ich die beiden vernetzen? Sprecht doch mal miteinander!

Ich war damals schon im Podcast-Fieber durch verschiedene US-(Sport)-Podcasts und so kam ich auf das Medium. Wenn man sich dazu dann die Zielgruppe der Marketing-Entscheider im Sport mal genauer anschaut: Die haben alle keine Zeit, sind oft auf Reisen unterwegs mit dem Auto oder im Zug. Und noch dazu haben alle einen Mangel an aktiver Bildschirm-Zeit durch die Masse an Meetings oder Terminen. Es musste also ein Format sein, dass die Zielgruppe passiv konsumieren kann. Und so kam ich dann auf Podcasts. Und die Zuhörerzahlen und das persönliche Feedback, das ich bekomme, zeigen, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist.

Wieviel Aufwand stecke ich rein? Im Endeffekt schon einiges. Aber ich stecke weniger Aufwand, sondern vielmehr Herzblut und Leidenschaft hinein. Mir macht das tierisch Spaß, Experten zu interviewen und sie zu fragen, wie sie eigentlich so erfolgreich geworden sind. Und bei jedem Interview lerne ich etwas dazu und kann die Fragen stellen, die mich und auch meine Zuhörer interessieren.

Ich plane noch andere Formate im Podcast, wo man z.B. Zuhörer zu Wort kommen lässt oder das Ganze vielleicht sogar auf Englisch macht. Denkbar ist auch, gewisse Serien zu produzieren neben dem Podcast, der immer mittwochs erscheint – „Startups im Sport“ z.B. Zudem habe ich vor kurzem einen Instagram-Kanal gestartet, weil ich dort privat auch sehr aktiv bin und der Kanal gut konvertiert. Dort bekommen Zuhörer dann einen Blick hinter die Kulissen meiner Arbeit bei Fanmiles und bei Sports Maniac. Zukünftig werde ich mich zudem noch mehr auf das Video-Format fokussieren. Die Reichweiten von Videos gerade auf Facebook sind um ein Vielfaches höher, als die von Bildern oder Texten. Da ergibt es nur Sinn, sich auch auf dieses Format zu konzentrieren.

Absolut. Ich bin als treuer Hörer auf jeden Fall sehr gespannt, wie es weiter geht. Zu guter Letzt: Was wünschst du matchplan mag zum Start?

Erst einmal finde ich es sehr cool, was du da machst. Ich bin begeisterter Leser und Teiler. Ich lese deine News sehr gerne. Es freut mich, dass ich in der Expertenrunde mit dabei sein darf.

Generell kann ich nur sagen: Ich wünsche dir viel Reichweite, viel Engagement, viele Views, viele Clicks – vor allem, dass du dich auch mit dem Blog im Sportbusiness etablierst.

Mehr wollte ich gar nicht hören. Daniel, ich bedanke mich ganz herzlich. Ich bin wieder etwas schlauer geworden. Lass uns weiter Gas geben.

Übrigens, hier gibt’s alle Infos zur „expert week“ und zum Start von matchplan mag.

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.

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