In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Apic.ai.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Apic.ai aus Karlsruhe.
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Wer steckt hinter Apic.ai?
Eine schöne Abwechslung: Ein Start-up aus einer anderen deutschen Stadt als Berlin. Apic.ai kommt aus Karlsruhe in Baden-Württemberg. Die badische Universitätsstadt ist schon seit längerem ein sehr spannender und mittlerweile auch gar nicht mehr so geheimer Start-up-Hotspot in Deutschland.
Was in München die TU München für die Start-up-Szene leistet, erledigt in Karlsruhe unter anderem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Viele Gründer werden vom KIT und den anderen örtlichen Hochschulen unterstützt. Das gilt auch für die drei Gründer von Apic.ai.
Frederic Tausch (CTO) studiert am KIT Informatik. Matthias Diehl (CDO) promoviert in Elektrotechnik am Karlsruher Forschungszentrum Informatik. Komplettiert wird das Trio von Katharina Schmidt (CEO). Sie forscht an der Hochschule Karlsruhe im Bereich digitale Geschäftsmodelle und bringt das Fachwissen über Bienen in das Bienen-Start-Up mit: Sie ist in vierter Generation Imkerin.
Gemeinsam versuchen die Gründer mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) das Bienensterben zu verhindern. Die Idee dazu kam ihnen Ende 2017, als Schmidt überlegte, wie sie die Imkerei mit einer digitalen Geschäftsidee verbinden könnte. Ein Teil von Schmidts Bienenstöcken steht auf dem Hochschulgelände.
Neben der Unterstützung durch die Hochschulen ist Apic.ai Teil des Cyberlab-Programms. Das ist der Accelerator des Landes Baden-Württemberg für IT- und Hightech-Start-ups. Außerdem hat Apic.ai gerade beim Wettbewerb „Start-up BW Elevator Pitch“ den zweiten Platz belegt und damit eine kleine Fördersumme gewonnen.
Was macht Apic.ai?
Apic.ai führt die KI-gestützte Totalüberwachung im Bienenstock ein. Ein kleiner Apparat, der wie ein Briefkasten aus Holz aussieht, wird dafür vor dem Bienenstock angebracht. Und zwar so, dass die Bienen durch diesen Kasten den Bienenstock betreten und verlassen. Dabei werden sie von einer Kamera im Kasten gefilmt.
Diese Aufnahmen werden automatisiert ausgewertet und analysiert. Dabei erkennt Apic.ai die Menge und Art der Pollen, die die Bienen in den Stock bringen. Außerdem analysiert die Technologie den Gesundheitszustand der Tiere, den Milbenbefall und Verhaltensmuster der Bienen.
Apic.ai soll zum Beispiel erkennen, wenn der Schwarm kurz vor dem Schwarmtrieb steht. Also davor ist, sich zu Teilen, den Stock zu verlassen und ein neues Zuhause zu suchen.
Bei der Analyse der Bienenaufnahmen kommt die KI ins Spiel. Genauer: Neuronale Netze, auf denen die Software von Apic.ai basiert. Künstliche neuronale Netze gehören zum Forschungsbereich KI.
Ziel ist es, die Informationsverarbeitung, wie sie im Gehirn stattfindet, nachzubilden. Vor allem das Lernen ist hier entscheidend – die selbstständige Weiterentwicklung der KI.
Die Ergebnisse der KI-gestützten Analyse helfen den Imkern, ihre Völker zu erhalten. Sie können Gegenmaßnahmen einleiten, wenn die Bienen nicht genügend Pollen finden oder bei erhöhtem Milbenbefall.
Was macht Apic.ai so besonders?
Apic.ai arbeitet an der Lösung einer bedrohlichen ökologischen Entwicklung: dem Bienensterben. Das macht vielen Imkern große Sorgen, weil sie ihre Völker verlieren. Doch dieses Phänomen könnte für uns alle schlimme Folgen haben.
Je nach Art der Landwirtschaft gehen zwischen 15 und 20 Prozent der Produktion auf die Bestäubung von Bienen zurück. Wenn die Bienen aussterben, drohen der Welt Hungersnöte und schwerwiegende Schäden in der Natur, weil die Ausfälle durch mehr Landwirtschaft ausgeglichen werden müssten.
Imker, die Apic.ai nutzen, sehen in Echtzeit, wie es ihren Bienen geht. So sollen die Imker zum Beispiel über eine App alarmiert werden, wenn sich der Zustand ihrer Völker verschlechtert. Dadurch soll das Bienensterben aufgehalten oder verlangsamt werden.
Außerdem wissen wir immer noch nicht genau, woran es liegt, dass die Bienenpopulation zurückgeht. Es ist zwar unstrittig, dass in vielen Regionen der Welt tatsächlich die Anzahl der Bienen zurückgeht. Doch gleichzeitig sind sich viele Forscher sicher, dass das nicht auf eine weltweit wirkende Ursache zurückgeht.
Die Forschungsergebnisse zum Thema zeigen: Es handelt sich nicht um ein einheitliches globales Phänomen. Vielmehr gibt es regional begrenzte Entwicklungen mit verschiedenen Verläufen. Das macht die Untersuchung auch so kompliziert.
In Deutschland untersucht das Deutsche-Bienenmonitoring-Projekt (DeBiMo), die Ursachen des Bienensterbens bereits seit 2004. Das Problem: Hier nimmt nicht jeder Imker teil und selbst wer teilnimmt, kann daraus nicht unbedingt einen sofortigen Nutzen ziehen. Bei Apic.ai schon.
Apic.ai untersucht zwar zum Teil die gleichen vermuteten Ursachen für den Bienenrückgang wie das DeBiMo. Dazu zählt zum Beispiel der Befall durch die Varroamilbe. Doch zumindest potenziell hat Apic.ai dabei einen viel größeren Kreis an Teilnehmern als eine Forschungsstudie, weil es einen sofortigen Nutzen für die Imker hat.
Doch Apic.ai hat auch einen Nutzen, der über das Bienensterben hinausgeht. Bienen sind ein Indikator für den Zustand eines Öko-Systems. Wenn es ihnen gut geht, kann man davon ausgehen, dass die Biodiversität in der Umgebung gut ist.
Das Start-up will die Tiere deswegen als natürliche Datenquelle nutzen. Über aggregierte Daten aus verschiedenen Bienenstöcken, die bei der die Beobachtung der Bienen gesammelt werden, können Auswirkungen von Bauprojekten und von der Landwirtschaft auf das Ökosystem und die biologische Vielfalt sichtbar gemacht werden.
So sollen zum Beispiel Versicherer Risiken berechnen können. Und Städte können so entscheiden, welche Bauprojekte die Natur in ihrer Gemeinde schädigen und welche notwendig sind, um die biologische Vielfallt zu erhalten oder wiederherzustellen.
Gibt es Kritikpunkte?
Apic.ai ist ein sehr junges Start-up. Daher ist es für Kritik natürlich auch zu früh. Vieles von dem, was die Gründer gerade versprechen, müssen sie zwar auch einlösen. Aber die Chance dafür müssen sie auch bekommen.
Eine Sache, die aber in der Gesamtpräsentation auffällt: Apic.ai bezeichnet sein Geschäftsmodell selbst als datengetrieben. Landwirte und Versicherer sollen diese Daten kaufen. Doch wie das genau aussieht und was diese davon haben, erklären die Gründer nicht.
Die Cases fehlen natürlich noch. Aber es erscheint ein bisschen so, als wenn dieser Bereich noch nicht ganz zu Ende gedacht wäre.
Dass Kommunen Umweltprojekte so koordinieren können, ist noch irgendwie nachvollziehbar, aber eigentlich auch nur relativ oberflächlich: Welche Rückschlüsse lassen sich denn ziehen außer: „Biene krank = Umwelt krank.“ Das wird noch nicht genügend erklärt.
Außerdem fehlt noch eine Erläuterung zu den neuronalen Netzen. Das wurde auch bisher eher knapp angerissen. Zu wenig, vor allem, da das den Kern der Technologie darstellt.
Fazit
Die automatisierte Beobachtung und Analyse der Bienen mittels IT ist eine clevere Idee. Die jungen Gründer haben eine schöne Anwendungsform für KI gefunden, die in der analogen Welt wirkt.
KI-Technologie, die die Umwelt rettet, klingt außerdem irgendwie gut. Nach Öko-Science-Fiction und Technologie im Einklang mit der Natur.
Wie schon in den Kritikpunkten angesprochen, sollten die Gründer jetzt erstmal die Zeit bekommen, ihre Versprechen einzulösen. Und die Chance haben sie auch erfreulicherweise: Mit den Stadtwerken Ettlingen gibt es den ersten Kunden, der Apic.ai einsetzt. Das heißt: Daumen drücken.
Sehr gut ist außerdem die Zusammenstellung des Teams. Tausch ist für Machine Learning zuständig, Diehl für die Hardware und Schmidt für die Bienen und als BWLerin für das Geschäft. Eine gute Mischung.