Jeden Monat erreicht Foodboom 20 Millionen Menschen in Deutschland – und das ohne große Paid-Budgets. Wir haben die beiden Gründer Sebastian und Hannes in Hamburg zum Interview getroffen und haben über Team-Strukturen, Social-Media-Strategien und Branded Content gesprochen.
Ihren ersten gemeinsamen Mietvertrag haben Sebastian Heinz und Hannes Arendholz im Jahr 2014 unterschrieben. Vier Jahre später generieren sie mit ihrem Start-up Foodboom bereits Millionen-Umsätze und arbeiten operativ profitabel.
Im Gespräch mit den beiden Gründern werfen wir einen Blick in die Geschichte von Foodboom, decken das Geheimnis der plattformübergreifenden Kanalstrategie auf und zeigen, wie das Medienunternehmen der Zukunft aussieht.
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BASIC thinking: Wie habt ihr euch kennengelernt?
Hannes Arendholz: Kennengelernt haben wir uns auf einer Koch-Messe in Hamburg. Sebastian war damals mit seinem Projekt „Kochschule.de“ vertreten und hat Daten gesammelt. Ich habe mit meinem Projekt „Veggie TV“ auf der Bühne gekocht. Auf der Messe haben wir festgestellt, dass das beides Vorzeigeprojekte sind, die gut zusammenpassen. Im Anschluss hatten wir eine längere Flirt-Phase, in der wir immer wieder Essen waren und uns ausgetauscht haben.
Sebastian Heinz: Unsere Idee war es, das Thema Food stärker als Lifestyle anzusehen. Damals war Deutschland geprägt von User Generated Content. Es gab wenig professionelle Inhalte, die man sich gerne anschaut. In den USA, Großbritannien und Frankreich gab es dagegen schon immer mehr Hintergrundwissen und Kultur, die vermittelt wurde. Das haben wir vermisst und wurden von Marken bestätigt, die gesagt haben: In Deutschland gibt es keinen Content, in dessen Umfeld ich werben möchte.
Euer Alleinstellungsmerkmal im umkämpften Food-Markt ist also die hohe Qualität – beim Essen und bei der Produktion.
Arendholz: Absolut. Wir waren zu Beginn beide noch als Berater tätig. Unser gesamtes gespartes Geld haben wir in die Hallen gesteckt, ein Studio gemietet, Filmemacher organisiert und einen Plan für mögliche Inhalte entworfen.
Dabei haben wir gemerkt: Shit, das funktioniert nicht, wenn wir uns irgendwo einmieten, weil es immer an Details hakt. Mal ist der Topf zu groß oder es gab nur Induktion. Am Ende der Drehzeit hatten wir nur 30 Prozent des Plans im Kasten.
Das war der Moment, in dem wir gesagt haben: Wir brauchen unser eigenes Studio und ein festes Team. Der Kameramann muss wissen, wann und wie er filmen muss, wenn der Foodstylist den Sellerie schneidet.
Heinz: Du musst dabei immer zwei Probleme lösen. Einerseits musst du die Bedürfnisse des Nutzers kennen und seine Sprache sprechen. Andererseits brauchst du Profis in der Küche und bei der Technik.
Die Basis sind absolute saubere Rezepte von Profis für den normalen Nutzer. Wenn ein Video zu hochgestochen ist und somit werblich wirkt, schaut es auch keiner an. Unser Ziel ist immer: Der Nutzer muss das Rezept zuhause exakt so nachkochen können.
Das heißt: Alles, was ich für eure Rezepte brauche, finde ich in einem normalen Supermarkt?
Arendholz: Nicht immer – das wäre gelogen. Manchmal benutzen wir fermentierten Pfeffer oder eine Lotusblüte. Aber diesen Prozess des Entdeckens wollen wir auch vermitteln. Es lohnt sich, in den Asia-Laden zu gehen. Dort gibt es mehr als nur Sojasoße und Sesam. Aber im Wesentlichen sind es Rezepte für den Alltag.
Heinz: Was uns massiv geholfen hat: Wir haben irgendwann damit begonnen, Personas unserer Zielgruppe aufzubauen. Wir haben zehn Personas und von diesen wissen wir genau, wie deren Alltag aussieht. Daran richten wir unseren Content aus.
Der typische Foodboom-Nutzer ist jung, hat wenig Zeit und möchte etwas Cooles kochen. Dafür haben wir unsere Rezepte des Tages, für die du alles daheim hast. Selbstverständlich gibt es auch die großen Koch-Samstage, an denen du den halben Tag in der Küche stehst. Wir wollen für alle relevanten Szenarien unserer Zielgruppe den passenden Content anbieten. Im Idealfall verkörpern wir das dann noch durch Gesichter und Menschen.
Es gibt auf dem Markt einerseits die großen Blogger, die stark als Einzelmarke sind. Andererseits gibt es die anonymen Marken. Wir positionieren uns dazwischen. Wir haben ein breites Dach. Trotzdem kannst du bei uns hinter die Kulissen schauen. Wir laden jeden Monat einen Nutzer ein, kochen einen Problemfall mit ihm und bringen diese Story dann in unserem Magazin. Wir öffnen uns und lassen uns in die Töpfe schauen.
Der Startschuss für Foodboom
Wann habt ihr euch final dazu entschieden, Foodboom zu eurem Hauptprojekt zu machen?
Arendholz: Los ging es im November 2014, als wir den Mietvertrag unterschrieben haben. Dabei hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch unsere anderen Jobs. Das heißt: Wir hatten quasi zwei Vollzeit-Jobs. Diese Zeit war sehr wertvoll für uns. Wir haben den ersten Content erstellt, Feedback bekommen, Kreide gefressen und vor allem uns aufeinander abgestimmt.
Heinz: So richtig in die Vollen ging es mit dem Marken-Launch im November 2015. Einen Monat später hatten wir dann die ersten Videos mit Millionen-Reichweite.
Arendholz: Ich konnte das gar nicht glauben und hatte Sebastian sofort angerufen und gefragt, ob er da Geld investiert hat. Er musste es mir mehrfach sagen, bis ich merkte, dass er mich nicht verarscht. Vier Tage nach Weihnachten hatten wir dann schon 35.000 Fans.
Heinz: Wir hatten da auch Glück mit dem Timing. Das war die Zeit, in der Facebook Videos enorm gepusht hat, aber noch niemand professionellen Video-Content hatte. Damals sind wir pro Woche um 10.000 Fans gewachsen, haben weitere Mitarbeiter eingestellt und das Team vergrößert. Ab Herbst 2016 waren wir dann beide Vollzeit für Foodboom tätig.
Du hast bereits die Team-Struktur angesprochen. Wer arbeitet alles bei Foodboom?
Heinz: Also das Ying-und-Yang, das Hannes und mich verbindet, zieht sich durch das ganze Team. Uns alle vereint die Food-Leidenschaft. Alle gemeinsam tragen das Banner mit dem Spruch: Gutes Essen ist die wichtigste Basis für ein gutes Leben.
Von den Skill-Sets her sind wir total unterschiedlich. In der Produktion brauchst du die Kreativen. Dort arbeiten unsere sechs Köche, zahlreiche Foodstylisten, Kameramänner und viele weitere. Sie müssen ihren Ideen freien Lauf lassen, um neue Themen zu entdecken.
Arendholz: Außerdem brauchst du natürlich einen Produktionsleiter, der die verschiedensten Kanäle von Facebook über Instagram bis YouTube im Blick hat und koordiniert. Aber auch Jens und Lisa, die bei uns den Laden sauber machen, leben Foodboom. Es kommt des Öfteren vor, dass sie nach einem Wochenende mit Bildern zu uns kommen und sagen: Euer letztes Live-Video haben wir gleich nachgekocht. Die kommen nicht zur Arbeit und sagen: Das ist mein Job, sondern haben Leidenschaft für unser Unternehmen. Am Anfang waren wir eine kleine Familie und inzwischen sind wir eine richtig große Bande.
Heinz: Auf der einen Seite stehen unsere Kreativen wie unser Schreinermeister, der die Sets individuell gestaltet. Auf der anderen Seite haben wir unser Daten-getriebenes Performance-Team, das schaut, was funktioniert und was nicht. Allerdings zwingen sie unseren Kreativen kein Korsett auf. Sonst gäbe es bei uns bald nur noch Bacon-Bomb-Videos. Unser Performance-Team liefert Anhaltspunkte, anhand derer die Kreativen ihre Ideen entwickeln.
Wir könnten mit diesen Me-Too-Videos schnell unsere Reichweite verdoppeln oder verdreifachen. Aber diese Reichweite ist in unseren Augen nichts wert, weil sie nicht nachhaltig ist. Wir erstellen keinen reinen Feel-Good-Content. Bei uns geht es immer auch darum, die Rezepte am Ende zu kochen.
Und dann ist da noch die ganze Tech-Sparte.
Heinz: Genau! Wir haben vor einem Jahr festgestellt, dass wir so viele Inhalte für unsere App, unsere Website und unsere Social-Media-Kanäle produzieren, dass wir gar nicht hinterher kommen. Deswegen haben wir jetzt ein eigenes Backend samt API-Layer entwickelt.
Unseren Alexa-Skill haben wir dadurch innerhalb von vier Tagen umgesetzt. Von Merklisten über Rezepte bis hin zu Sprachsuchanfragen findet sich alles in unserem Backend wieder. Durch diese Daten können wir sehr schnell neue Produkte auf- und umsetzen.
Arendholz: Und dazu kommen dann noch unser Printmagazin, Messen wie die Online Marketing Rockstars, unser eigenes Event und unsere Reise-Sparte. Manchmal hat man den Eindruck, den Überblick zu verlieren. Dann wirft man einen Blick in die Teams und sieht: Die sind super strukturiert. Das heißt für uns: Sie haben Foodboom verstanden.
In vier Jahren zu siebenstelligen Umsätzen
Das heißt: Ein erfolgreiches Unternehmen funktioniert auch ohne die klassischen Top-Down-Hierarchien?
Heinz: Es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, dass es ohne konkrete Ansagen läuft. Das haben wir am eigenen Leib im letzten Jahr erfahren. Da haben wir das Rad fast überdreht. Wir sind zu schnell gewachsen und haben unser Team in drei Monaten verdoppelt.
In Folge sind uns Prozesse um die Ohren geflogen. Das kleine Management-Team war nur noch mit Onboarding beschäftigt und nach Ablauf der Probezeit haben wir festgestellt, dass viele Mitarbeiter gar nicht wissen, wohin wir wollen. Zum Glück haben wir das rechtzeitig erkannt und erstmal einen Einstellungsstopp verordnet. Hilfreich ist dabei unser Beirat, in dem viele gestandene Unternehmer sitzen.
Arendholz: Die sagen dann auch einfach mal: Jungs, ihr wollt alles im Auge behalten. Das ist gut. Aber wollt ihr euch nicht mal jemanden holen, der Flüge bucht oder Urlaubstage absegnet? Trotz des schnellen Wachstums haben wir alle Aufgaben selbst weitergemacht. Nicht weil wir nicht loslassen wollten, sondern weil es für uns selbstverständlich war. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis wir gemerkt haben, dass wir uns auf unsere Führungsaufgaben konzentrieren müssen.
Heinz: Daraufhin haben wir radikal gesagt, dass 2018 ein Jahr der Basis sein soll. Unser Motto lautet: Fokus, Fokus, Fokus. Wir haben uns die Zeit genommen, unsere Prozesse zu überarbeiten, die Plattform aufzubauen, eine Management-Ebene einzuziehen und das Produkt wieder einzunorden, weil wir ein bisschen die klare Fokussierung verloren hatten.
Wir haben einfach ein wenig die Start-up-Geschwindigkeit rausgenommen. Trotzdem wachsen wir stark weiter und werden unseren Umsatz verdoppeln. Aber es soll nicht so extrem schnell gehen, wie 2017.
Wie viele Mitarbeiter hat Foodboom inzwischen?
Heinz: Eben habe ich noch einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Damit sind wir 64 Mitarbeiter.
Und euer Umsatz?
Arendholz: Genaue Zahlen geben wir nicht heraus. Aber wir bewegen uns dieses Jahr im mittleren siebenstelligen Bereich.
Wir haben lange über eure Struktur geredet. Aber was seid ihr denn nun eigentlich?
Heinz: Wir sehen uns als Medienunternehmen einer neuen Generation, das sich zu einer Lifestyle-Marke entwickelt. Content ist unser Geschäft.
Die Kanalstrategie von Foodboom
Über welche Kanäle habt ihr begonnen, eure Inhalte zu verbreiten?
Heinz: Am Anfang sind wir zeitgleich bei Facebook und YouTube gestartet. Das exponentielle Wachstum ist dann über Facebook gekommen. Für YouTube ist unser Publikum zu alt. Wir haben kaum Nutzer unter 18 Jahren.
Der typische Foodboom-Nutzer steht während der Ausbildung oder im Studium erstmals auf eigenen Beinen und möchte lecker kochen. Aufgrund der begrenzten Ressourcen haben wir uns zunächst auf Facebook konzentriert. Parallel war uns klar, dass wir unsere eigenen Kanäle aufbauen müssen. Wir sind mit einer Website gestartet. Kurz darauf folgte eine App.
Arendholz: Die haben wir damals noch für ein paar Tausend Euro in Kasachstan entwickeln lassen. Wenn du heute mithalten möchtest, musst du für deine App einen sechsstelligen Betrag auf den Tisch legen. Anstelle von sechs bis acht Wochen hast du ein dreiviertel Jahr Entwicklungszeit.
Und wie ging es weiter?
Heinz: Wir sind relativ schnell auf Instagram nachgezogen. Eine Zeit lang haben wir mit Snapchat experimentiert. Da haben wir gesehen, dass es für uns nicht der richtige Kanal ist.
Twitter ist auch nicht relevant?
Heinz: Nicht in einem Umfang, der sich lohnen würde. Das gehört aber auch zu den Punkten, die wir dieses Jahr zurecht rücken. Wir bauen unsere Redaktion um. Foodboom hat den Anspruch, seine Nutzer über jeden Kanal zu erreichen. Wir wollen niemanden in einzelne Channels drängen. Wir wollen da sein, wo sich die Nutzer aufhalten. Natürlich werden wir redaktionell Schwerpunkte setzen und die Manpower sinnvoll aufteilen.
Arendholz: Und diese Stärke und Flexibilität haben wir uns eben ins Haus geholt. So gerne wir auch selbst unsere Videos verbreiten – dafür ist einfach keine Zeit mehr. Deshalb sitzen da jetzt Profis, die das Maximum aus den Kanälen rausholen.
Das hat auch für uns in der Küche zur Folge, dass wir nicht einfach einkaufen und darauf loskochen. Auch wir müssen uns an den Plan halten und uns in dieser Rolle einfinden. Wenn man sich überlegt, dass wir am Anfang in der gesamten Firma einen Mülleimerbeutel in der Woche gefüllt haben und es heute zwei pro Abteilung am Tag sind, ist das unvorstellbar.
Wie viele Menschen erreicht ihr über eure Kanäle?
Heinz: In Summe erreichen wir in Deutschland 20 Millionen Menschen pro Monat. Das ist schon ein ordentliches Brett. Der stärkste Kanal im deutschsprachigen Raum ist dabei Facebook.
Wachsen eure Kanäle noch?
Heinz: Wir haben knapp 900.000 Fans auf dem Haupt-Channel und mit unseren Verticals kommen wir in Summe auf 1,5 Millionen Fans. Klar, das Wachstum hat sich abgeschwächt. Es ist aber – auch organisch – durchaus noch beachtenswert. Dabei muss man sich auch immer klar machen: Mit mehr als einer Million Fans erreichen wir schon sehr viele Menschen. Da ist es selbstverständlich, dass sich das Wachstum verlangsamt.
Die Grundregeln für Branded Content bei Foodboom
Welchen Anteil hat Paid Content für eure Social-Media-Strategie und eure Reichweite?
Heinz: Den genauen Anteil kann ich dir nicht nennen. Allerdings setzen wir vor allem auf Paid, wenn wir feststellen, dass bestimmte Inhalte organisch in einer Zielgruppe besonders gut funktionieren. Dann kommt der Hinweis aus unserem Performance-Team und wir beginnen Lookalike-Audiences aufzubauen.
Das machen wir natürlich auch, um neue potenzielle Fans anzusprechen. Gerade bei Kooperationen mit Kunden setzen wir auf Paid, um die Reichweiten, die die Kunden gerne hätten, auch zu erreichen. Das gehört zum Daily Business.
Aber der Großteil der Reichweite ist nach wie vor organisch?
Heinz: Ja, definitiv.
Wie sehen die von dir eben angesprochenen Kooperationen aus? Nutzt ihr euer Netzwerk oder produziert ihr White-Label-Content?
Heinz: Beides. Die Foodboom Studios sind wie eine Agentur aufgestellt. Dort produzieren wir für viele deutsche Händler White-Label-Inhalte. Mehr als 60 Prozent der Produktionen erscheinen gar nicht auf Foodboom, sondern bei Dritten.
Hinzu kommt Branded Content mit ausgewählten Marken, die zu uns passen. Bei diesen Kooperationen produzieren wir Inhalte, die sowohl auf unseren Kanälen als auch bei denen der Partner laufen. Dabei verkaufen wir eben nicht nur den Content, sondern auch unsere Reichweite.
Wie nehmen eure Nutzer die Kooperationen auf?
Heinz: Das ist eine witzige Frage. Als wir mit Branded Content angefangen haben, hatten wir echt Angst vor Shitstorms, weil wir Werbung machen. Nur jedes fünfte Video sollte maximal eine Kooperation sein. Heute nach mehr als 600 Branded-Content-Units sage ich: Kompletter Schwachsinn! Guter Branded Content funktioniert genauso gut, wie normale Inhalte.
Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Ich glaube ein Grund dafür ist, dass wir sehr sensibel bei der Auswahl sind. Wir haben drei Grundregeln. Die erste lautet: Das Nutzerinteresse steht im Vordergrund. Das sagen wir den Marken auch sofort. Leute, es dreht sich nicht um euer Produkt. Die Frage ist: Was kann das Produkt im Alltag unserer Konsumenten verbessern? Geht etwas schneller, besser oder einfacher damit? Dieses Thema steht im Mittelpunkt.
Punkt zwei: Das Team muss sich mit der Marke wohlfühlen. Die Produkte müssen unsere Leidenschaft verkörpern und das ist oft nicht der Fall. Deswegen sagen wir häufiger auch „nein“. Das schmerzt aus ökonomischer Sicht, weil es oft die größten Budgets sind. Aber es würde schlicht und einfach nicht funktionieren, weswegen wir es nicht machen.
Der dritte Punkt ist: Sei ehrlich! Wenn Werbung drin ist, schreiben wir auch Werbung drauf. Wenn du auf diese drei Regeln achtest, hat der Nutzer keine Probleme. Trotzdem wollen wir natürlich nicht jedes Video branden. Die Botschaft ist: Unternehmen brauchen keine Berührungsängste haben, wenn sie auf die richtige Umsetzung achten. Es ist wie in einer griechischen Tragödie: Irgendwann hat der Held seinen Auftritt. Genau dafür müssen wir eine Geschichte entwickeln.
Gerade in sozialen Medien kommen häufiger Anfragen von Firmen, die sich wünschen, dass Werbung nicht gekennzeichnet wird. Teilt ihr diese Erfahrungen?
Heinz: Witzigerweise hatten wir noch keine einzige derartige Anfrage. Was es öfters gibt, sind Diskussionen zur Intensität des Brandings. Viele Marken-Verantwortliche würden gerne ihre Produkte häufiger im Close-up sehen.
Diese Gespräche nehmen wir ernst und brechen durchaus auch Produktionen ab, wenn man sich nicht einig wird. Viele Kunden schenken uns in diesem Zusammenhang inzwischen auch ihr Vertrauen. Dass jemand bewusst Schleichwerbung haben wollte, ist mir noch nicht passiert.
Neue Erlösmodelle
Mit eurem Magazin, eurer Website und den externen Aufträgen baut ihr ein Geschäftsmodell auf, das unabhängig von Facebook und YouTube ist. Wo führt euer Weg langfristig hin?
Heinz: Das Wichtigste ist in unseren Augen nicht die Unabhängigkeit. Überall dort, wo sich der Nutzer aufhält, soll er Foodboom vorfinden. Ein Produkt, wie unser Print-Magazin, erreicht immer noch eine Zielgruppe, die sonst schwer zu erreichen ist. Wir hätten das zwar nie gedacht, aber inzwischen spielt es eine wichtige Rolle.
In einer großen Marktforschungsstudie haben wir von unseren Nutzern gehört, dass Print für Entschleunigung und Exklusivität steht. Das ist schon nochmal ein anderes, besonderes Gefühl. Außerdem schafft es Vertrauen und Aufmerksamkeit, wenn wir an jedem Kiosk ausliegen – auch für unsere digitalen Kanäle. Das ist in einer Multi-Kanal-Strategie ebenfalls ein zentraler Faktor.
Erkläre doch kurz die einzelnen Rollen der jeweiligen Kanäle in eurer Strategie.
Heinz: In den sozialen Medien geht es mehr um die Inspiration. Wir wollen Ideen und Anreize schaffen. Das funktioniert super in Social Media. Das Kochen funktioniert dort nicht. Ständig play, stop, play, stop, play im Video zu drücken, ist nicht der richtige Weg. Da sind Produkte wie unsere App oder die Website besser geeignet. Und wenn du mit uns nach Thailand reisen willst, schaust du dir das Video auf YouTube oder die Reportage im Magazin an.
Alles teilt sich in drei Bereiche auf: Inspiration, Anleitung und Lebensgefühl. Letzteres lässt sich am besten live vermitteln, weswegen wir auf immer mehr Events vertreten sind. Und selbst wenn Facebook morgen seinen Algorithmus ändert, sind wir auf genügend Kanälen vertreten. Unsere Welt würde nicht untergehen.
Du hast vorhin von eurem Alexa Skill gesprochen. Wie entscheidet ihr, welche Plattformen und Engagements sinnvoll sind?
Heinz: Grundsätzlich schauen wir uns jeden Kanal mit kindlicher Neugier ernsthaft an – selbst wenn wir es noch nicht verstehen. Gerade Voice haben wir uns beispielsweise sehr lange angeschaut. Uns geht es nicht um PR-Cases. Man muss realistisch sein: Niemand kocht ein Rezept, das er nicht gesehen hat. Deswegen muss man Voice erstmal sehr kritisch betrachten.
Genau realistisch sind wir allerdings auch, wenn es um die zukünftige Rolle von Voice geht. Morgens im Bad frage ich erst einmal, wie das Wetter heute wird, wo das nächste Car2Go steht und was ich heute essen möchte. Ich bin auf der Suche nach Inspiration. Mögliche Rezept-Vorschläge speichere ich mir für später. Bevor ich dann in den Supermarkt gehe, kann ich mir die Vorschläge nochmal anhören und daraufhin das passende Gericht auswählen. Beim Kochen selbst liest mir Alexa dann die einzelnen Schritte vor.
Klar, das ist technisch komplex. Aber dort liegt für uns der Wert von Voice. Das Killer-Argument von Voice ist die Informationsdichte. Das ist uns erst nach einiger Zeit aufgefallen. Wenn ein Nutzer die Ansage bekommt, das Fleisch eine Minute zu braten, hat er eine Minute Zeit für Informationen. Wie wäre es mit einem kleinen Beitrag zur Qualitätsprüfung von Fleisch oder einem Sonderangebot?
Das öffnet völlig neue Welten.
Heinz: Korrekt. Daraufhin passen wir auch unsere Content-Strategie an. Wir lassen jeden Koch zu jedem Rezept, das er entwickelt hat, kurz ein paar Sätze einsprechen. Es geht dabei nicht um Standardsätze. Wir wollen dir eine persönliche Botschaft liefern, während du kochst. Das schafft Nahbarkeit und Vertrauen und ist für uns als Marke relevant.
Vielen Dank für das Gespräch, Sebastian und Hannes!