Julian Kramer arbeitet als Chief Experience Ambassador bei Adobe. Wir haben mit ihm in London über seine Rolle, die Notwendigkeit von Unternehmensbotschaftern und eine Menge Feenstaub gesprochen. Ein Interview.
Starke Personenmarken und Corporate Influencer sind in der heutigen Zeit für jedes Unternehmen und jede Publikation unabdingbar. Adobe geht mit Julian Kramer in diesem Bereich einen besonderen Weg.
Wir haben Julian Kramer in London zum Interview getroffen und mit ihm über seine Rolle, seine Aufträge, die Bedeutung von Personenmarken und Feenstaub gesprochen.
Neue Stellenangebote
Growth Marketing Manager:in – Social Media GOhiring GmbH in Homeoffice |
||
Social Media und PR Specialist (m/w/d) BeA GmbH in Ahrensburg |
||
Social Media Manager B2B (m/w/d) WM SE in Osnabrück |
BASIC thinking: Julian, was macht ein Chief Experience Ambassador?
Julian Kramer: Ein Chief Experience Ambassador ist am Ende des Tages ein Tech-Evangelist. Mit der Idee eines „Botschafters“ versuche ich aber auf der Bühne und im direkten Kontakt mit Kunden auf Augenhöhe aufzutreten. Ich komme aus der Tech-Branche und übersetze die Komplexität der erlebnisorientierten Kundenansprache für Marketing- und Kommunikationsverantwortliche in eine klare Sprache.
Dabei geht es mir nicht nur um die Sprachrohrfunktion, sondern auch um Hintergrundvermittlung und ein intensives Sparring mit den Executives. Gleichzeitig trage ich wichtiges Feedback und Gedanken von außen in unsere Abteilungen zurück.
Das heißt: Du hast eine interne und eine externe Rolle.
Genau. Ein Ambassador ist ein Repräsentant, der gesendet wird und in Dialog tritt. Es kommt durchaus vor, dass ich die eine oder andere Frage, die mir gestellt wurde, in San Francisco an unsere Produkt Manager weitergebe und frage: Decken wir das ab? Brauchen wir dazu etwas?
Wie kann man sich deinen Berufsalltag vorstellen?
Ich bin enorm viel unterwegs. Auf meinen Reisen versuche ich möglichst viel Zeit auf Veranstaltungen und mit Kunden zu verbringen. Gerade der Austausch mit unseren Kunden und deren Fragestellungen sind für mich spannende Inspirationsquellen für neue Ideen und weitere Keynotes.
Wenn ein Thema häufiger aufkommt, besteht offensichtlich Bedarf und ich denke mir: Vielleicht kann ich die Fragen das nächste Mal für alle beantworten. Anschließend baue ich die Brücken nach innen, sammle mir meine Informationen und brüte über neue innovative Ansätze, die ich in einer guten Keynote verarbeiten kann. Für mich ist das Unterwegssein also auch ein Stück weit eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. (grinst)
Generell kann ich in meinem Job sehr viel von unterwegs oder auch von zu Hause arbeiten – und das mache ich auch. Wenn ich Keynotes vorbereite oder Positionierungen schreibe, liebe ich es in einer White-Noise-Umgebung zu sitzen. Ich sitze dann wahnsinnig gerne im Café oder in der Sonne und arbeite dort.
Und wie ist es, wenn du dann mal tatsächlich im Büro bist?
Dadurch, dass ich früher bei Google viel Executive Education gemacht habe, konnte ich bereits viele Erfahrungen zu Fragen auf C-Level-Ebene sammeln. Ich weiß, was sie beschäftigt und wie man ihnen inhaltlich nahe kommt. Zusätzlich liebe ich es, spannende Fragen zu lösen oder Produkte zu testen.
Davon profitieren natürlich auch verschiedenste Kollegen, die mich dann entsprechend schnell einbinden. Wenn ich mal im Büro bin, kann ich mich vor neuen Spielwiesen gar nicht retten – auch wenn das eigentlich gar nicht mein Hauptaufgabengebiet ist.
Ihr versucht, Unternehmenskommunikation durch Corporate Influencer erlebbar zu machen. Das ist nicht der klassische Weg. Warum habt ihr euch bei Adobe für diesen Weg entschieden?
Ich denke, Adobe hat für sich erkannt, dass es neben der Reichweiten-Kommunikation, die man sowieso macht, einen gewissen Mehrwert liefern sollte. An eben dieser Stelle leistet sich Adobe den Luxus, jemanden für die tieferen Gespräche zur Verfügung zu stellen, weil das, was wir in manchen Bereichen, gerade im Enterprise-Bereich machen, nicht jedem intuitiv erschließbar ist.
Dieses Verständnis soll an bestimmte Gruppen – Presse, Geschäftsführer, Entscheider – weitergegeben werden. Ich bin hier der Sparringspartner. Dabei stehen nicht das Produkt und seine neuen Features im Vordergrund. Es geht nicht um den Verkauf, sondern quasi um eine inhaltliche Beratung.
Und da sagt Adobe: Der Julian kann Dinge „übersetzen“, die wir so in der Tiefe und Komplexität vereinfacht gar nicht darstellen können. Das ist also weder klassisches Marketing, PR oder Sales. Es ist einfach anders. Ich sitze bei uns derzeit im Business Development.
Letztendlich ist das auch eine große Bestätigung in dich als Person.
Auf jeden Fall. Die Firma vertraut mir damit die Aufgabe an, wichtige, komplexe Themen auf meine Weise darzustellen. Wenn man über Artificial Intelligence oder Daten spricht, ist das nie vollkommen frei von Befindlichkeiten, Sorgen und Unwissen. Und nur, wenn das Know-how gut übersetzt wird, kann ein Multiplikationseffekt entstehen.
Du hast gerade vom Luxus deiner Position gesprochen. Sollte es nicht für Technologie-Unternehmen eher Standard sein, einen Manager wie dich zu beschäftigen?
Ich würde das ganz klar mit „Ja“ beantworten. Der Job hat ja viel mit Empathie zu tun, was man manchmal gerade in der Branche etwas vermisst. Ich kann entweder ein Specs-Sheet schicken oder zusätzlich noch einen Gesprächspartner anbieten, der die Hintergründe dazu erklärt. Viele Firmen täten also gut daran, sich eine solche Position zu leisten.
Trotzdem sage ich ganz bewusst „Luxus“, weil ich persönlich zum einen riesigen Spaß daran habe. Ich liebe das Unternehmen, das mir diesen Job ermöglicht, weil er unfassbar viel Spaß macht. Ich bin dankbar dafür, dass ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene.
Und zweitens?
In zweiter Instanz ist es ein Luxus, weil mir Adobe enorm viel Vertrauen entgegenbringt. Ich rede mit interessanten und wichtigen Personen. Wenn ich da Quatsch erzähle und zu viel Julian bin und zu wenig Corporate, könnte das auch mal nach hinten losgehen.
Und ebenfalls Luxus, weil die Marke Adobe das von ihrer Identität her kann. Man muss jemanden finden, der perfekt zur Marke passt. Und das ist ja nicht ganz einfach und braucht etwas Zeit. Ob es eine Notwendigkeit ist? Ja, auf jeden Fall! Aber ohne ein Commitment der Firma geht nichts. Die muss sagen: Wir wollen das. Und das Wollen hat wiederum viel mit dem Möglichmachen zu tun.
Das ist erstaunlich. Wo ordnet man Menschen wie dich in einem Organigramm ein?
Business Development, Produkt Management, PR, Marketing machen Sinn. Das sind ja etablierte Organisationsstränge, die mit etwas Flexibilität in der Aufgabenbeschreibung so eine Rolle gut aufnehmen können. Du brauchst ja auch kein Heer an Evangelisten. Einer reicht. Letztendlich bin ich ein freies Radikal, das in allen Abteilungen wütet.
Wenn ich nun eine Ebene tiefer ins operative Geschäft einsteigen möchte: Wie finde ich diese Menschen mit Passion in meinem Unternehmen?
Ich glaube, es ist nicht so ganz einfach, da man gleichzeitig intern und extern suchen muss. Intern findest du eine Menge leidenschaftlicher Leute. Hat man einen internen Kandidaten, gilt es zu schauen: Ist jemand nur in seinem Fachbereich sehr leidenschaftlich oder kann er das große Ganze erfassen und wiedergeben? Diese Themen liegen den Manager-Ebenen natürlich näher. Man muss nur aufpassen, dass die Stelle dann nicht als Profilierungs-Show oder als reines eigenes Erfolgsbeweihräuchern missbraucht wird. Das ist auf einer Bühne eher kontraproduktiv, zumal das die Marketing- und PR-Abteilungen häufig besser können.
Den meisten Leuten kannst du das Public Speaking und gutes Keynote-Schreiben beibringen. Den Rest macht die Übung und Routine und auch das Vertrauen in den Mitarbeiter. Das Gefühl, den Support der Firma zu haben, stärkt den Rücken ungemein. Am Ende des Tages brauchst du jemanden, der für das Thema brennt und andere dafür begeistern will.
Wie findet man den in Unternehmen?
Ich glaube, du findest ihn dort sehr schnell, wo Leute Dinge hinterfragen, „Ärger machen“ und eine konstruktive Meinung mit einer gewissen Leidenschaft vertreten. Wenn du fragst, wer das auf der Bühne machen will, melden sich diese Menschen meistens von selbst. Das wäre mein Ansatz.
Meiner Meinung nach gibt es keinen Königsweg beim Finden des internen Influencers. Ich finde es aber wichtig, zuerst nach innen zu schauen und dann nach außen. Es ist viel einfacher, leidenschaftlichen Menschen ein paar Fähigkeiten beizubringen, als das goldene Kalb in der Wildnis zu suchen.
Sollte ich mich für die externe Variante entscheiden: Wie finde ich heraus, ob eine Person zu meinem Unternehmen passt?
Ich glaube, dass es im ersten Moment für viele Unternehmen verlockend ist, sich jemanden einzukaufen, der schon eine Audience hat. Dann wirst du aber immer deine Nachrichten durch seine Brille sehen. Davon würde ich an vielen Stellen abraten.
Ich würde schauen, ob jemand eine konsistente Haltung hat und welche Themen er in der Vergangenheit kommunizieren durfte. Welche Indikatoren hat er in seinem bisherigen Werdegang gezeigt, hat er eine thematische und sachliche Tiefe? Unterstreichen sie, dass er auch mit ranghohen Personen auf Augenhöhe reden kann und eine intrinsische Leidenschaft für ein Thema hat? Es immer ein Ansatz, aus „Past Performance“ auf das „Future Potential“ zu schließen.
Braucht es dafür zwingend Publikationen?
Nein, das braucht es nicht. Ich schreibe zum Beispiel überhaupt nicht gerne, sondern mache lieber Videos, weil das meine Art der Medieninteraktion ist. Allgemein gilt es zu prüfen, ob die Influencer zu deiner Marke passen. Was sind die Werte, die die Menschen antreiben?
Ich bin eigentlich Regisseur und fotografiere leidenschaftlich gerne. Von daher ist die Kreativ-Sparte von Adobe der perfekte Fit für mich. Ich habe aber auch lange Zeit im Marketing und der Beratung gearbeitet – zwei weitere Geschäftsbereiche, die bei Adobe sehr präsent sind.
Ich glaube, dass der Brand Fit viel wichtiger ist als die tatsächliche Expertise. Gerade im Tech-Bereich ändert sich sowieso alle drei Monate etwas. Von daher ist es völlig egal, wann du anfängst.
Bei der Suche nach Influencern schauen viele Unternehmen auf Reichweite. Ist das tatsächlich relevant?
Ich glaube nicht, dass man zwingend selbst große Reichweitenkanäle haben muss. Wenn man die hat, ist das natürlich super. Wer sich aber meinen Twitter-Account ansieht, stellt schnell fest: Das ist sehr überschaubar. Ich bespiele ihn trotzdem, weil ich den Leuten die Möglichkeit geben möchte, meine Inhalte zu finden und mit mir in Kontakt zu treten.
Mein bevorzugter Kanal ist LinkedIn. Dort sehe ich anhand der Zugriffszahlen zum Beispiel, dass meine Ziel-Audience sehr gut auf meine Beiträge anspricht und ich in Second-Degree-Kontakten ebenfalls sehr präsent bin.
Lustigerweise habe ich auf Beiträge mit Foto von mir die sieben- bis zehnfache Reichweite als beim klassischen News-Blog-Beitrag. Ich sehe, dass „Person plus Thema“ auch auf Kanälen funktioniert, die nicht so groß sind. Das freut mich natürlich, wenn die Leute hören wollen, was ich zu einem Thema denke. Dann mache ich meinen Job ordentlich.
Und dann gibt es noch die Events.
Richtig! Hierbei muss man unterscheiden: Es geht nicht zwingend um die Größe der Konferenz, sondern um die Reichweite in den richtigen Zielgruppen. Es gibt natürlich die großen Bühnen, bei denen du viele Leute erreichst. Manchmal sind die dann aber sehr anonym und mir fehlen die persönlichen Gespräche und Gedankenaustäusche.
Und dann gibt es die firmeninternen Events mit kleinen Gruppen. Da kommt dann oft aus der Sales-Abteilung die Anfrage, ob ich da ein wenig Zusammenhänge erklären und etwas Feenstaub schmeißen kann. Wenn ich da meinen Job gut mache, beeinflusst das auch die Art, wie meine Kollegen über unsere Produkte und ihren Wert sprechen – und ich habe damit auch eine interne Funktion. Es geht also in meiner Performance-Bewertung oft gar nicht um „möglichst viele erreichte Kontakte“.
Man muss sich ja auch immer deutlich machen, dass es sich um eine Nischen-Zielgruppe handelt. Wie viele C-Level- und Senior-B-Level-Marketers gibt es? Da werden keine fünf Millionen herauskommen. Die Zahlen sind vergleichsweise klein. 500 erreichte Personen sind für einen Beauty-Blogger eine Katastrophe. Wenn das alles C-Level-Kontakte sind, bist du als Corporate Influencer schon sehr erfolgreich!
Das heißt: Es kommt auf die richtigen KPIs an.
Exakt. Wir haben zu Beginn alle Kanäle evaluiert und setzen unseren Fokus nun auf die Kanäle, die funktionieren. Durch ein historisches Benchmarking analysieren wir dann, ob es mehr abwirft, wenn wir zum Beispiel die Frequenz erhöhen, längere oder kürzere Inhalte teilen oder ob der Dialog mit Dritten besser performt. Außerdem ermöglicht die freie Gestaltung der KPIs einen leichten Wechsel. Wenn Adobe auf einmal keine externen Konferenzen mehr wollte, lässt sich die Rolle schnell in den KPIs intern anpassen.
Bekommst du über deine Auftritte auch verwertbares Feedback für deine tägliche Arbeit?
In den Gesprächen auf persönlicher Ebene sehr oft. Im Digitalen bin ich froh, dass ich in der Regel positives, inhaltliches und konstruktives Feedback erhalte oder Leute sich danach mit mir vernetzen wollen, um in Kontakt zu bleiben. Bei vielen dieser Kontakte habe ich später inhaltlich weiterarbeiten können oder Kooperationen angestoßen. Das macht schon viel Spaß.
Letztendlich kann ich nur gute Ideen, Gedanken und Narrativen entwickeln, wenn ich weiß, was die Leute bewegt. Beim Drehbuchschreiben sagt man: Sprich über das, was du weißt. Und je mehr Resonanz und Feedback ich bekomme, desto besser kann ich darüber sprechen. Und am Ende ist mein Ansatz immer: Wenn ich etwas verstehen kann, versteht es jeder andere auch. Ich bin auch kein Ingenieur, sondern nur irgendein Typ, der versucht, die Welt etwas besser zu verstehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Julian!