Seit 2016 gibt es in Deutschland eine Frauenquote für Aufsichtsräte und verschiedene Auflagen, die weibliche Führungskräfte fördern sollen. Trotzdem sieht man Frauen im Vorstand selten. Sogar in der angeblich fortschrittlichen Digitalbranche gibt es wenig Diversität. Woran liegt das – und was lässt sich dagegen tun?
Eigentlich sollte man nicht mehr erklären müssen, warum Unternehmen von Vielfalt profitieren. Denn neben einer vielschichtigeren Sichtweise, frischen Ideen und neuen Blickwinkeln, sind diverse Unternehmen tatsächlich auch finanziell erfolgreicher.
So hat die Beratungsagentur McKinsey in einem Diversity-Report ermittelt, dass Unternehmen in den USA und im Vereinigten Königreich mit mehr Frauen im Vorstand höhere Umsätze einfahren. Gleiches gilt übrigens auch für kulturell diverse Teams.
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Diverse Unternehmen stellen darüber hinaus aber auch die besseren Nachwuchskräfte ein, halten diese Talente länger im Unternehmen und haben engagiertere Mitarbeiter. Und in Deutschland? Hier sind Frauen im Vorstand noch Mangelware.
Deutschland: Erstmals seit Jahren weniger Frauen im Vorstand
Im Corona-Jahr ist der Anteil der Frauen in DAX-Vorständen sogar rückläufig.
Nach dem aktuellen Jahresbericht der Allbright Stiftung, die sich für mehr Diversität und einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen einsetzt, ist der Anteil von Frauen im Vorstand erstmals seit mehreren Jahren wieder gesunken.
Möglicherweise will man sich in Krisenzeiten auf „Altbewährtes“ und „Vertrautes“ besinnen, was offenbar bedeutet: eine reine Männerführungsriege.
Aktuell liegt der Anteil von Frauen in DAX-Vorständen nämlich lediglich bei 12,8 Prozent. Die Zahl der DAX-Unternehmen ohne Frauen im Vorstand ist damit seit September 2019 von sechs auf elf gestiegen.
Diese Zahlen beziehen sich auf die führenden 30 DAX-Unternehmen (DAX-30).
Hier sind einige Vorständinnen im letzten Jahr zurückgetreten – Positionen, die in diesem Jahr entweder nicht nachbesetzt oder mit männlichen Nachfolgern besetzt wurden.
Gleichzeitig sind Wirecard und Lufthansa nicht mehr in den DAX-30 vertreten. Sie hatten jeweils eine Frau im Vorstand. Delivery Hero und MTU, die dafür nachrückten, weisen keine Vorständin auf.
Insbesondere im internationalen Vergleich fällt Deutschland damit hinter andere Länder zurück. In den USA sind 28,6 Prozent Frauen im Top-Management vertreten und in Großbritannien sind es 24,5 Prozent. Hier ist die Tendenz zudem, im Gegensatz zu Deutschland, steigend.
Digitalbranche enttäuscht
Selbst in der Digitalbranche, die sich gerne fortschrittlich gibt, sieht es nicht besser aus. Führende Tech-Unternehmen wie etwa Hellofresh, Zalando oder die United Internet AG weisen ganz genau null Frauen im Vorstand auf.
Wirft man den Blick etwas weiter auf die IT-Branche, bestätigt sich das Bild. Lediglich 16 Prozent der Mitarbeiter in der IT-Branche sind weiblich, wie die diesjährige Studie „Frauen in der Internetwirtschaft“ des Verbandes der Internetwirtschaft e.V. zeigt.
Das gilt sogar für Start-ups mit Digitalfokus. Frauen sind in Deutschland nur bei 15,7 Prozent der Gründerteams beteiligt. Zum Vergleich: Im Silicon Valley haben 37 Prozent der Start-ups Frauen im Gründungsteam. Dort gilt das allerdings als „wenig“.
Bei Führungskräften in der Digitalbranche in den USA machen Frauen 25 Prozent der Top-Positionen aus und im Silicon Valley stellen Frauen elf Prozent der Managerinnen in Tech-Unternehmen.
Die großen Konzerne gehen dabei mit gutem Beispiel voran. Bei Facebook sind 22 Prozent der Führungskräfte weltweit weiblich, bei Google sind es 25,5 Prozent und bei Apple 29 Prozent.
Die Tendenz in allen Bereichen geht dabei nach oben: Jedes Jahr sind mehr Frauen in der Branche sichtbar und auch immer mehr in Führungspositionen. Die Tech-Unternehmen haben sich nämlich Diversity in ihren Unternehmenszielen sehr sichtbar auf die Fahne geschrieben.
In Deutschland gilt eher das Gegenteil. Das zeigt ein Blick auf die Zukunftspläne einiger großer Digital-Unternehmen.
Frauen nicht Teil der Zukunftspläne
Börsennotierte Unternehmen müssen in Deutschland nämlich angeben, wie viele Frauen sie in einem bestimmten Zeitraum einstellen wollen. Dieser Anteil kann aber auch null Prozent sein, was überraschend viele Tech-Unternehmen genau so festgelegt haben und offenbar auch nicht ändern wollen.
Die Begründung dafür lautet: „Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Erhöhung des Frauenanteils tritt (…) hinter das vorrangig geltende Unternehmensinteresse an der Fortführung der erfolgreichen Arbeit durch eingearbeitete Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder.“
Das bedeutet entweder, dass diese Unternehmen nicht davon ausgehen, dass ein höherer Frauenanteil sie erfolgreicher macht, oder, dass sie von Anfang an kaum weibliche Talente eingestellt haben, die nun nachrücken könnten. Beides ist problematisch.
So sieht es offenbar auch der Gesetzgeber. Eine Arbeitsgruppe der Koalitionsparteien hat sich nämlich jetzt auf eine verbindliche Frauenquote verständigt.
Kommt die Quote für Frauen im Vorstand?
Konkret will die Arbeitsgruppe eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent und eine Mindestbeteiligung für Vorstände festlegen. Dabei muss es sich aber um börsennotierte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern und einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat handeln.
In der Praxis würde diese Quote für Frauen im Vorstand also weniger als 100 Unternehmen betreffen. Und noch ist auch nicht klar, ob das Gesetz in dieser Form kommt.
Denn die Koalitionsspitzen müssen das Vorhaben absegnen. Anschließend folgt eine Ressortabstimmung sowie die Länder- und Verbändebeteiligung. Theoretisch könnte der Kabinettsbeschluss dann aber schon im Dezember erfolgen.
Im Nachbarland Frankreich ist man schon etwas weiter. Hier hat die Regierung in diesem Jahr eine Frauenquote von 40 Prozent für große Vorstände beschlossen. Sie soll ab 2024 greifen.
Für Verwaltungs- und Aufsichtsräte gilt in Frankreich bereits seit 2011 eine Quote. Das Ergebnis: Derzeit werden 44 Prozent aller Sitze in französischen Aufsichtsräten von Frauen besetzt.
Wie lässt sich der Trend umkehren?
Ob und inwiefern Quoten helfen können, ist umstritten. Doch darüber hinaus gibt es einige weitere Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um mehr Diversität zu erreichen.
Oft fehlt nämlich – insbesondere weißen, männlichen Führungskräften – einfach das Verständnis für das Thema. Das ist in den meisten Fällen nicht einmal Absicht. Es ist schließlich schwer, die Welt aus der Perspektive einer anderen Person zu sehen.
Genau dafür gibt es aber Diversitätstrainings für Führungskräfte, die ein besseres Bewusstsein für die Thematik schaffen und so Führungskräften dabei helfen können, mehr Raum für Vielfältigkeit im Unternehmen zu schaffen. Das sollte eigentlich zum Standard in Unternehmen werden.
Auch weibliche Netzwerke oder Mentorinnen-Programme könnten ein Weg sein, um langfristig mehr Frauen den Weg in Führungspositionen zu öffnen. Denn oftmals mag es Frauen an Unterstützung oder auch Wissen beim Erreichen ihrer Karriereziele fehlen.
Besonders wichtig ist daneben auch der Recruiting-Prozess in Unternehmen. Denn wenn die Stellenbesetzung sehr einseitig läuft, wird es im Nachhinein tatsächlich schwierig, den Vorstand mit mehr Frauen zu besetzen.
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