Ein prima Bericht auf Fortune.com über meine Lieblingsseite im Netz, einen wahren Koloss und vielen gänzlich unbekannt: Craigslist.org
Das Phänomen Newmark (Hauptinhaber und Inventor von Craigslist.org) sitzt auf seiner Goldader, doch er baut sie nicht ab. Die Seite ist designtechnisch anno dazumal. Egal. Kein Ajax. Egal. Denn Monat für Monat besuchen Craigslist.org 10 Mio Surfer, oft treue Anhänger. Ihnen stehen dabei zig verschiedene Austauschforen mit spartanischer Ausstattung zur Verfügung, um sich über alle erdenklichen Themen auszutauschen, zu informieren und zu amüsieren. Die Usability ist – betrachtet man die Startseite – wahrscheinlich schrecklich für Webgurus. Auch egal. Die User generieren ungeniert 3 Milliarden PIs pro Monat. Sie klicken auch währenddessen auf 6.5 Mio kommerzielle Einträge, die auf die Bereiche Stellenanzeigen und Immobilien stark eingegrenzt wurden. Und Craigslist-Netzwerk breitet sich mit einer jährlichen Wachstumsrate von 200% mittlerweile über 65 Städte, 190 lokale Seiten (bezogen auf Stadtgebiete) und 35 Länder aus.
Newmark wird dabei ganz sicher nicht arm. Er hat Ausgaben für 18 Angestellte und ca. 100 Server zu kalkulieren. Mit seinen kostenpflichtigen Einträgen, die allerdings nur bei drei von 65 Städten erhoben werden – SF 75 USD, LA und NY je 25 USD – nimmt er pro Jahr ca. 20 Mio USD ein, an Ausgaben wird er auf 5 Mio taxiert. Und gehört damit mit Abstand zu den hochprofitabelsten E-Unternehmen weltweit.
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Die Zeitungen schreien förmlich auf, wenn Newmark eine weitere Stadt reinholt. Denn laut Untersuchungen soll angeblich 2004 die Presse alleine in San Francisco, dem Stammland von Craigslist.org, ca. 50 Mio USD an Anzeigeeinnahmen verloren haben, da nahezu alle Einträge kostenlos sind, aber auch für Bezahlanzeigen die Preise brutal niedrig sind, angesichts der Unmengen an Besuchern.
Newmark ist vielen Goldgräbern des Netzes ein Rätsel, denn einerseits gilt Craigslist.org als die Macht im lokalen Anzeigemarkt in den USA, doch andererseits maximiert Newmark seine Umsätze überhaupt nicht:
In a world where even self-described virtuous capitalists like eBay chairman Pierre Omidyar and Google founders Larry Page and Sergey Brin have become multibillionaires, this unwillingness to cash in seems baffling. „Craigslist is sitting on a potential gold mine of revenue, if only it would abandon its communist manifesto,“ says Eric Baker, co-founder of StubHub.com, an online ticket-sales site. Baker analyzed Craigslist’s Internet traffic and transaction volume and conservatively estimates it could have had revenues of $550 million this year.
Dahinter verbirgt sich aber die simple Firmenphilosophie von Newmark:
„We’re just motivated by the same values we all learn in Sunday school or the equivalent,“ he says. „The Golden Rule and that it’s more important to help people.“Buckmaster [CEO], a decade younger and, at six-seven, a foot taller, doesn’t have a problem with that. His casual dress and scruffiness give him a bohemian aura. He is, in fact, a devotee of Noam Chomsky, the MIT linguist better known for his anticapitalist rhetoric. „We think of ourselves as a public service,“ says Buckmaster. Sure, the partners want Craigslist to be successful. But Buckmaster is convincing when he says, „We’re not interested in selling our users short in order to try to become insanely wealthy.“
Fortune orakelt:
Even if Craigslist gets squashed, newspapers will still be in trouble. Because it is the premise behind Craigslist—free, instant ads—that is the fireball sucking the oxygen out of newspaper revenues.
Also entweder ist Newmark der genialste Web-Businessman aller Zeiten, auf Userfriendly zu machen oder er ist tatsächlich genauso drauf wie sein Favicon:
Ich denke zu 99% an die zweite Alternative, nicht weil ich unbedingt an das Herzensgute in allen Menschen glaube, aber er hätte schon längt tausende von Möglichkeiten gehabt, seine Seite mit mehr Geld zu vergolden, als es einer Person gut tut, so sehr sind die Großen wie eBay seit langer Zeit hinter ihm her. Neuerdings auch Google mit ihrem Base-Kram. Und genau diese Mentalität gefällt mir an Newmark so sehr, daß ich im Vergleich dazu zwar Bill Gates für seine kaufmännische Genialität respektiere, Larry und Sergey wegen ihrer unglaublichen Simplizität bewundere, doch das verblasst alles vor dem größten Mittelfinger der Welt .-))
Nicht zu vergessen, dass er schon diverse Angebote hatte aufgekauft zu werden und stets abgelehnt hat.
wäre gerne dabeigewesen, um die Gesichter der Kaufagenten zu sehen 🙂
Wahrscheinlich muss man manchmal einfach genau das Gegenteil tu num wirklich erfolgreich zu sein. Kein Design, keine Usability, kein Profitgieren, einfach mal locker lassen.
Ich denke das sehr verkrampfte Marketing vieler Firmen spüren die Kunden intuitiv. Und nicht nur im Marketing, dass ist in vielen Bereichen so. Die die eigentlich nicht mit Erfolg gerechnet haben, bekommen ihn. Vielleicht weil sie einfach sie selbst geblieben sind.
Zwei Beispiele:
Stefan Müntz bietet SelfHTML kostenlos an. Trotzdem verkaufen sich seine Bücher (u.a. SelfHTML) nicht schlecht. BWL-Technisch gesehen ja der reinste Horror. Man verschenkt sein Produkt einfach. Nebeneffekt: Hoher Absatz. Sowas kann man mit den Regeln der Marktwirtschaft wohl auch nur sehr schwer erklären.
Zweites Beispiel wäre Spreeblick.com. Da wird ja derzeit auch drüber diskutiert warum Spreeblick so erfolgreich ist. ICh erklär es mir einfach mal so das Jonny Haeusler er selbst geblieben ist. Das man spürt das Lockere im Blog. Und ich wette, würde er Geld dafür nehmen, die Leute würden es ihm geben.
Die ganzen professionellen Blogs die Geld verdienen wollen, sind ja zum größten Teil gefloppt. Krampfhaftes Marketing und Wir-Müssen-Haltungen übertragen sich halt unbewusst.
„Mit seinen kostenpflichtigen Einträgen, die allerdings nur bei drei von 65 Städten erhoben werden – SF 75 USD, LA und NY je 25 USD – nimmt er pro Jahr ca. 20 Mio USD ein, an Ausgaben wird er auf 5 Mio taxiert. Und gehört damit mit Abstand zu den hochprofitabelsten E-Unternehmen weltweit.“
Ist doch eine prima Geschäftsgrundlage und Philosophie: Die Kohle reicht locker und ich kann mein Angebot immer weiter ausbauen. Der Ausbau gelingt umso besser, je besser ich rüberkomme. Und damit ich gut rüberkomme, muß ich nichts tun als einfach so zu sein, wie ich bin. Ein Traum!
„Die Usability ist – betrachtet man die Startseite – wahrscheinlich schrecklich für Webgurus.“
Ich hab mir mal Craiglist angeschaut und muß sagen: Die Usability ist doch wirklich klasse (nun ja, ich bin kein Webguru). Einfacher und übersichtlicher geht es nicht. Da nehm ich mir vielleicht auch mal ein Beispiel dran.
finde ich auch, nur ist das ja genau das Gegenteil von den Schönlingen der Neuzeit, die super durchgedacht, durchgestyled, durchgeeyeballed daherkommen. Das finde ich eben so witzig 🙂
Ich denke Reduktion auf Content ist das Stichwort. Usability steigt, je direkter man den Weg dahin findet, wo man hin will. Und je weniger man auf dem Weg dahin abgelenkt wird. Und was nützt mir Ajax, wenn ich links und rechts 10 Banner und pop-ups habe und den Wald vor lauter Bäumen nicht finde. Wobei Craigslist für den deutschen ONline Mainstream eindeutig zu sehr nach selbstgebastelt 1998 aussieht.
jau, „Mainstream“… viele sagen ja dem deutschen Nutzer nach, daß er nach Optik geht (nicht unbedingt nach Usability) und Webseiten ablehnt, die eben nach „1998“ aussehen. Ist das in der Tat so?
Mir fallen beim Surfen oft die „häßlichen“ Sites aus den USA auf (Trend?), oft im Gegensatz dazu befinden sich z.B. gerade schnucklige deutsche Blogs (rein optisch und subjektiv gesehen).
Ob man allerdings von Ablehnung sprechen kann, weiß ich nicht. Vielleicht fehlt ja oft auch ein breitgefächerter Inhalt, der schlichtes funktionales Design einfach nötig macht.
Viele Funktionen auf einer Seite und Usability, das kollidiert halt oft mit Webdesign.
Ach was Robert & Sebastien. 1998 ist Retro-Style und derzeit voll im kommen.
Guck dir mal die ganzen Blogs an die jetzt ein Redesign machen. Reduce to the minimum. Keiner weill mehr zig Funktionen und hundert Wege über die Seite zu navigieren. Verwirrt eh nur.
Die ganzen multimediafunktionalen zappelbuttons verschwinden auch irgendwie in der Versenkung.
Design wird ja oft mit Form Follows Funktion definiert. Das ist wirkliche Usability.
OT: Wo wir grade bei Design sind, der neue FireFox 1.5 hat jetzt richtig schicke Fehlermeldungen. Wow.
LOL…
Hehe, Ralf. Hab ich ja bei meinem Relaunch vor vier Wochen genauso gemacht. Ertappt.
craigslist.org kann aber auch anders. Schaut euch mal auf http://www.housingmaps.com/ um, eine Klasse Anwendung von Google Maps. craigslist.org visualisiert damit seine Immobilienangebote für US-Städte. 😉
ist das nicht ein Mashup eines Users und weniger direkt von den Newmark-Jungs?
Das mag so sein, wenn ich ins imprint schau!
Schaut mal rein unter http://www.opusforum.org. Das ist genau die gleiche Seite für deutsche Regionen. Und hat immerhin auch schon 5.920.551 Beiträge, allein 447.460 Einträge im Rhein-Main-Gebiet. Und um diese Zeit 03:32 sind noch 340 User online… ob die damit auch schon viel Geld verdienen weiß ich nicht, aber ist anzunehmen.
OpusForum wurde mittlerweile an KiJiJi verkauft, dem eBay 1:1 Konkurrenten von Craigslist.org
Über OpusForum hatte ich damals auf MEX gerätselt (erste Beitrag 2003), wie man zu so einer frechen 1:1 Kopie kommen kann
[…] über Craigslist.org und seinen äußerst ungewöhnlichen Inhaber Craig Newmark habe ich ja vor wenigen Tagen etwas geschrieben. […]
Job Search 2.0 Week – Using something like Craigslist
Arecent post on the Basic Thinking Blog led me to opusforum, a page that is looking a lot like the well known craigslist. It’s not really Job Search 2.0 technology, though very user-friendly. And we like user-friendly.
[…] Wer mehr über Craigslist und seinen höchst ungewöhnlichen Inhaber erfahren möchte: Newmark und seine User Ein bekanntes Google Maps / Craigslist Mashup [weitere Artikel zu: craigslist, europa] […]
[…] Bis Ende Juli will eBay die beiden Plattformen zusammenlegen. Sicherlich vor allem um mit einem dicken Nutzerstamm und gebündelter Energie gegen angestammte Portale wie dhd24 oder das neue heisetreff vorgehen zu können. Noch allerdings hat es kein Kleinanzeigenmarkt hier in Deutschland auf einen Status wie craiglist in den USA gebracht. Ob das dem eher unpersönlichen Kijiji gelingen wird ist fraglich, schöpft craiglist nicht nur aus seinem 1995-Design und dem Konzept, sondern auch aus der Persönlichkeit Craig Newmark. […]
[…] – Newmark und seine User (Craigslist) – 21 (89) […]
[…] KiJiJi, das nur am Rande, entstand aus dem Bestreben eBays, CraigsList etwas entgegenzustellen. Denn immerhin, Kleinanzeigen ziehen eBay Auktionen ab, wenn man so will. Nicht nur der lokalen Presse Umsätze, sobald CraigsList auch dort seine Pforten öffnet. Mehr zu der heißen Entstehungsgeschichte (Kauf von 25% der Anteile von einem ehemaligen Mitarbeiter von Craig und damit Einblick ins Geschäft) auf ClickZNews und BrandInfection […]