Sollten behördliche Ermittler wirklich per Facebook oder Twitter deutschlandweit nach Verbrechern fahnden dürfen? Die Justizminister der 16 Bundesländer wollen sich heute mit der Nutzung sozialer Netzwerke zwecks Aufklärung von Straftaten beschäftigen. Da immer weniger Heranwachsende klassische Medien wie öffentlich-rechtliche Fernsehsender oder Printmedien konsumieren, hofft man auf einen Anstieg der Hinweise durch die Bevölkerung. Befürworter, wie der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP), weisen auf das unglaubliche Potenzial des Internets und seiner Nutzer hin, auf deren Hilfe man nicht mehr verzichten will. Ein mögliches Vorbild sei das Pilotprojekt der Polizeidirektion Hannover. Dort gelang es, zahlreiche Hinweise mit Hilfe von Facebook einzusammeln, die sogar in einigen Fällen zur Aufklärung von Straftaten führten.
Kritiker warnen hingegen vor einem datenschutzrechtlichen Super-GAU. Wer einmal auf Facebook öffentlich verdächtigt und namentlich genannt wird, würde den so aufgedrückten Stempel möglicherweise nie wieder loswerden. Zwar verdanken wir den Suchmaschinenbetreibern, wie Bing, Google & Co., dass wir Informationen schneller und besser im Web auffinden können. Andererseits sorgen diese Unternehmen im Umkehrschluss dafür, dass wirklich nichts mehr in Vergessenheit gerät.
Wir baten den netz- und medienpolitischen Sprecher der NRW-Landtagsfraktion der Piratenpartei, Daniel Schwerd um eine ausführliche Einschätzung: „Als zusätzlicher Kanal für die Fahndung nach Straftätern oder die Suche nach Zeugen eines Verbrechens ist Facebook mit Sicherheit geeignet. Man kann damit die jüngeren Generationen erreichen, die eher weniger das Fernsehen oder Tageszeitungen nutzen. Es ist aber ein großes Risiko, nach Verdächtigen oder nicht überführten Personen zu suchen. Hier sehe ich die Gefahr, dass durch Fotos oder die Nennung personenbezogener Daten Menschen an einen Online-Pranger gestellt werden, die sich nachher als unschuldig erweisen, oder dass es zu Lynchjustiz kommt.
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Außerdem muss man berücksichtigen, dass die Veröffentlichung von Daten im Internet stets für die Ewigkeit ist. Eine solche Stigmatisierung hält selbst dann an, wenn der Täter seine Strafe womöglich längst verbüßt hat, oder sich seine Unschuld erweist. Die Veröffentlichung stellt dann eine Strafe dar, die niemals endet – ohne Richter, ohne Urteil und ohne Möglichkeit der Verteidigung.
Die Übergabe von Daten an Facebook bedeutet auch, dass sie an ein amerikanisches Unternehmen preisgegeben werden, welches nicht den deutschen Datenschutzbestimmungen unterliegt. Ich würde empfehlen, die Kommentierungsfunktion der Fahndungsaufrufe abzuschalten, damit von den Besuchern der Seiten keine vermuteten Personendaten gepostet werden.
Insgesamt ist also bei der Fahndung im Internet oder per Facebook mit größter Vorsicht vorzugehen. Auf keinen Fall dürfen standardmäßig alle möglichen Fahndungsaufrufe und Daten veröffentlicht werden, sondern die Suche muss auf wirklich schwere und eindeutige Fälle beschränkt sein, wo der Nutzen diese Risiken überwiegt.“
Diskutiert mit uns: Was haltet ihr von einer bundesweiten Online-Fahndung der Polizei? Pein oder fein?
(Lars Sobiraj)