Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine Entscheidung des Bundeskartellamts bestätigt: Die gemeinsame Video-on-Demand-Plattform der Sendeanstalten RTL und ProSiebenSat.1 darf nicht online gehen. Beide Behörden fürchten eine berherrschende Stellung des Werbemarktes, da beide Senderketten zusammen zwischen 80 und 90 Prozent des deutschen TV-Werbemarktes kontrollieren. Das kann man schade finden, weil man das geplante Projekt namens „Amazonas“ zumindest technisch in die Nähe zur US-Seriensammlung Hulu rücken kann. Winfuture schreibt:
Auf der gemeinsamen Video-Streaming-Plattform wollten die Medienkonzerne ein anfangs (sieben Tage lang) kostenloses und werbefinanziertes Streaming-Angebot mit Nachrichten, Filmeigenproduktionen, Shows und TV-Serien aufbauen.
Kleinere Sender und auch die großen Öffentlich-Rechtlichen hätten eingeladen werden sollen, da mitzumachen. Man darf davon ausgehen, dass es unter den teils verfeindeten Sendern dazu nie gekommen wäre. Welcher Öffentlich-Rechtliche hätte sich schon den Bedingungen einer privaten, werbefinanzierten Plattform gebeugt, noch dazu, wo man selbst kaum Werbung schaltet? Und auch inhaltlich dürfte uns da nicht all zu viel entgehen. Trotzdem hätte man heute die Weichen für besseren Seriencontent in Deutschland stellen können, hat es aber nicht getan.
Mehr Qualität erst langfristig
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Zumindest kurzfristig hätten wir nicht viel davon gehabt: Eigene Nachrichten, Filmproduktionen und Shows aus eigenem Hause hätte man neben wenigen US-Serien zeigen wollen. Das hätte bedeutet, Sendungen wie „Das Supertalent“, „Galileo“ oder Fernsehdramen wie „Akte Golgatha“ oder „Das Vermächtnis der Arche“ hättet ihr dann werbefinanziert oder nach sieben Tagen kostenpflichtig sehen können. Und es steht zu befürchten, dass noch etwas mehr von dem dazu gekommen wäre, was ihr heute sehen könnt, wenn ihr bei ProSieben.de auf „Ganze Folgen“ klickt. Dort wartet ein Video mit einem Robert Pattinson im Liebeskummer auf euch, und ihr könnt euch neuesten Folgen von „Taff“ und „Galileo“ gucken, nebst „Gwen Stefani im Bikini“ oder „Kim Kardashians heißem Unterwasser-Foto“ als Video.
Qualität hat ProSieben auf seine Videoplattform MyVideo ausgelagert, wo es ganze Folgen von „Fringe“ oder „Spartacus“ zu sehen gibt. Wer etwas zahlen will, der kann auf die Plattform Maxdome aus gleichem Hause ausweichen, wo es dann nicht nur eine Auswahl, sondern ganze Staffeln erfolgreicher US-TV-Serien in guter Qualität zu sehen gibt. RTL kontert ProSiebens Angebote mit der Mediathek RTLnow, wo es praktisch jede Show zu sehen gibt, die RTL jemals ausgestrahlt hat. Wenige Serien dort sind kostenlos und an Qualität habe ich dort nur „Psych“, „House“ und „CSI“ entdecken können.
Heute wurde der Verbraucher mehr beschützt, als ihm lieb ist
Soll heißen: Fasst die beiden Plattformen RTLnow und MyVideo zusammen, garniert das ganze noch mit ein wenig „Galileo“ und „Cobra 11“ und so in etwa hätte „Amazonas“ ausgesehen. Mehr Qualität hätte es deswegen erst einmal nicht gegeben. Mit dem Inhalten von Hulu wäre das nicht zu vergleichen gewesen. Allerdings hätte man es dann in der Tat leichter gehabt, Amazonas zu einer solchen Seite auszubauen. Die Sender hätten sich bei der Vergabe von Lizenzen weniger gegenseitig im Wege gestanden und die Chance hätte sich erhöht, Qualitätsserien schneller nach Deutschland zu bringen. Beide haben in der jüngeren Vergangenheit mit der frühen Ausstrahlung von Serien wie „Spartacus“ oder „Game of Thrones“ zumindest die Bereitschaft dazu gezeigt; zu mehr waren sie offenbar rechtlich nicht in der Lage. Gemeinsam hätten sich RTL und ProSiebenSat.1 stärker um Senderechte für die Plattform bemühen können.
Das OLG wollte eine marktbeherrschende Stellung verhindern? Schön und gut, aber würde man damit nicht etwas verhindern wollen, was längst der Fall ist? Welche relevanten Privatsender gibt es denn aktuell bitte noch neben den beiden großen Senderketten? Und welche umwerfenden Inhalte? Die einzigen Konkurrenten, die ein Gegengewicht bieten, sind die Öffentlich-Rechtlichen. An deren Plattform „Germany’s Gold“ haben die Richter bislang wenig auszusetzen. Grund: die maßgeblich durch Gebührengelder finanzierten Sender würden den Werbemarkt nicht monopolisieren. Welch Logik! Es scheint mir so, als würde der Verbraucher mit diesem Urteil mehr geschützt, als ihm lieb ist. Wenn es keine Innovationen gibt, hilft ihm das auch nichts, und so wird er weiter illegale Angebote nutzen.
(Jürgen Vielmeier)