Das Bundesinnenministerium will die Gesichtserkennung auf das Internet ausweiten. Die Polizei soll laut einem Gesetzesentwurf öffentliche Fotos biometrisch abgleichen können. Doch der Entwurf lässt nicht nur vieles offen. Das Vorhaben würde auch einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte darstellen. Ein Kommentar.
Unter der Leitung von Ministerin Nancy Faeser arbeitet das Bundesinnenministerium (BMI) derzeit an einem Gesetzesentwurf, der die Gesichtserkennung unter anderem auf das Internet ausweiten soll. Bei dem Entwurf handelt es sich um einen sogenannten Referentenentwurf, der zwar noch nicht öffentlich ist, aber mehreren Medien wie Spiegel, taz und Deutschlandfunk zugespielt wurde.
Heißt konkret: Das BMI hat den Entwurf noch nicht mit den übrigen Ministerien abgestimmt. Inhaltlich dürfte es derweil genügend Grund für Zündstoff geben. Denn die Polizeibehörden sollen deutlich mehr Befugnisse bei der Gesichtserkennung erhalten – zulasten der Grundrechte.
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Gesichtserkennung im Internet: Privatsphäre ade
Polizei und Strafverfolgungsbehörden nutzen bereits seit Jahren Gesichtserkennungssoftware. Das Bundeskriminalamt (BKA) setzt etwa das Gesichtserkennungssystem GES ein, damit die Polizei Bilder von unidentifizierten Verdächtigen mit der Inpol-Datenbank abgleichen kann. So weit, so verhältnismäßig gut.
Die Pläne von Nancy Faeser sprengen jedoch jeglichen Rahmen und jegliche Verhältnismäßigkeit. Denn der Entwurf des BMI sieht vor, dass die Polizeibehörden Bildmaterial mit Daten aus dem Internet vergleichen können sollen, die „öffentlich zugänglich“ sind. Das können unter anderem Videos auf TikTok, Fotos auf Facebook oder Selfies auf Instagram sein.
Der Datenabgleich soll zudem nicht nur auf Gesichter bechränkt sein. Auch Stimmprofile und Videos ließen sich für einen biometrischen Abgleich nutzen – beispielsweise, um Personen anhand ihrer Gangart zu identifizieren. Faeser will eine Echtzeitüberwachung offenbar zwar offiziell ausschließen.
Allerdings ist unklar, wann eine Auswertung in „Echtzeit“ und wann im Nachhinein stattfindet. Beispielsweise könnte man Bild- und Videomaterial leicht zeitverzögert analysieren. Dieses Definitionsproblem besteht zwar auch beim kürzlich in Kraft getretenen AI Act. Noch problematischer wird es jedoch mit Blick auf neue Befugnisse zur automatisierten Datenanalyse, die das BMI einführen will.
Wer soziale Medien nutzt, gibt keine Grundrechte auf
Denn auch wenn die KI-Verodnung der EU viel Interpretationsspielraum lässt, schließt sie eine biometrische Gesichtserkennung mittels KI-Systemen über das Internet aus. Der Entwurf des Bundesinnenministeriums wirkt insofern nicht nur irritierend, er scheint einem Versuch zu gleichen, biometrische Erkennungsverfahren durch die Hintertür einzuführen.
Wie die taz berichtet, sieht der Entwurf des BMI auch vor – über Verdächtige hinaus – Zeugen und Opfer von Straftaten ausfindig zu machen. Nach einer Identifizierung sollen die Polizeibehörden außerdem den Aufenthaltsort von Personen ermitteln können.
Vor allem in puncto Social Media entspricht das Vorhaben jedoch einem Dolchstoß gegen die Grundrechte. Denn Menschen, die freiwillig Daten von sich im Internet preisgeben, dürfen dadurch nicht automatisch verfassungsrechtlich garantierte Rechte genommen werden. In den falschen Händen wäre das geplante Gesetz zudem ein diktatorisches Unterdrückungsmittel.
Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar. Das ist eine journalistische Darstellungsform, die explizit die Meinung des Autors und nicht des gesamten Magazins widerspiegelt. Der Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Sachlichkeit, sondern soll die Meinungsbildung anregen und ist als Meinungsbeitrag durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.
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Um welche Grundrechte geht es denn hier, die angeblich gefährdet sind?