Wirtschaft

Die neue Speicherfrist der Schufa – alles nur eine Luftnummer?

Schufa Speicherfrist, Score-Simulator, Bonität
SCHUFA Holding AG
geschrieben von Tibor Bauer

Die Schufa hat neue Regelungen veröffentlicht, in denen es unter anderem um die Speicherfrist geht. Doch dabei scheint es sich um eine Luftnummer zu handeln. Eine Kolumne von Tibor Bauer – alias „Mr. Schufa“. 

Spätestens alle sechs Jahre veröffentlicht die Wirtschaftsauskunfteien e.V., ein Zusammenschluss der größten Auskunfteien Deutschlands, neue Regelungen für seine Mitglieder. Da die Schufa die größte und mächtigste Auskunftei hierzulande ist, spreche ich in diesem Artikel stellvertretend für alle Auskunfteien von ihr.

Das aktuelle Dokument, um das es geht, trägt den Titel „Verhaltensregeln für die Prüf- und Speicherfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“. Da es bezüglich der Speicherfristen in den meisten Fällen noch keine feste richterliche oder gesetzliche Regelung gibt, handelt es sich bei dem Schriftstück eher um eine freiwillige Selbstkontrolle, ähnlich dem Code of Conduct. Papier ist also geduldig.


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Speicherfrist der Schufa: Was steht in den neuen Verhaltensregeln?

Hauptsächlich geht es in dem neuen Dokument um die vier wichtigsten Speicherfristen zu:

  1. Personenbezogene Daten bei negativen Einträgen wegen offener Forderungen
  2. Personenbezogene Daten bei Eintragungen in das Schuldner- und/oder Insolvenzverzeichnis
  3. Vertragsdaten wie Girokonten, Bonitätsprüfungen und störungsfreie Verträge
  4. Anschriftendaten

Übrigens, Punkt vier steht aktuell auch unter Beschuss, zumal viele gespannt auf eine Neuregelung des Bundestages nach der Sommerpause warten. Soweit diese vom Bundesrat abgesegnet wurde, wird wohl wieder eine Änderung erfolgen müssen. Denn Adressdaten sind bei den meisten Auskunfteien die stärkste Berechnungsgrundlage von Bonitätsscores.

Da die aktuelle Fassung der DSGVO einen weiten Spielraum bezüglich der Speicherfristen erlaubt – um genau zu sein, überlässt sie die Regelung fast gänzlich den Auskunfteien – gelten diese Verhaltensregeln als das Maß aller Dinge.

In den aktuellen Regelungen heisst es genauer:

Offene Forderungen werden ab Erstmeldung – also wann sie das erste Mal der Schufa gemeldet wurden – drei Jahre gespeichert. Die Speicherfrist verlängert sich aber automatisch jedes Mal um weitere drei Jahre, wenn die einmeldende Stelle eine Aktualisierung der Forderung vornimmt. Das bedeutet, dass offene Forderungen theoretisch unbegrenzt bei der Auskunftei gespeichert werden können.

Schufa: Kaum Neues bei Speicherfrist personenbezogener Daten

Bei den ausgeglichenen Forderungen gibt es eine, auf den ersten Blick revolutionäre Änderung, auf die ich später näher eingehen möchte.

Nichts wirklich Neues gibt es bei der Speicherung von personenbezogenen Daten aus öffentlichen Verzeichnissen. Denn dabei geht die Wirtschaftsauskunfteien e.V. einfach den Weg, den das EuGH im Dezember 2023 vorgegeben hat.

Vertragsdaten bleiben entweder so lange bestehen, wie sie andauern, oder eben maximal drei Jahre – mit der Option auf eine vorzeitige Löschung auf Antrag.

Wer bei der Speicherdauer von Anschriftendaten genauer hinsieht, stellt fest, dass diese Daten unter Umständen bis zu sechs Jahre gespeichert werden. Das heisst, dass die Schufa, die vergangenen Adressen einer jeder Person bis zu sechs Jahre rückwirkend speichern darf, soweit sie dazu eine Notwendigkeit sieht.

Die Diskrepanz bei bezahlten Forderungen

Die größte Brisanz zeigt die neue Regelung allerdings bezüglich bezahlter, also ausgeglichener Forderungen. Dieser Posten ist seit Jahren schon vielen Verbrauchern und Gerichten ein Dorn im Auge – sowohl national als auch international). Die bisherige Regelung besagt, dass bezahlte Schulden drei Jahre ab Erledigungsvermerk gespeichert werden. Egal, ob es sich dabei um eine Schuld von wenigen Hundert oder etlichen Tausend Euro handelt.

Diese Regelung stößt vor allem seit dem vergangenen Jahr auf heftigen Widerstand. Denn seit dem Gerichtsurteil vom 7. Dezember aus Luxemburg, darf die Schufa wie alle anderen Auskunfteien auch, die Restschuldbefreiung nur noch sechs Monate speichern.

Übersetzt für den Ottonormalverbraucher bedeutet das, dass Menschen, die eine Insolvenz durchlaufen haben (die übrigens auch auf drei Jahre halbiert wurde) und die Restschuldbefreiung erhielten, sämtliche negativen Einträge nach sechs Monaten aus der gelöscht bekommen. Egal ob sie die Schuld tatsächlich bezahlt haben oder nicht.

Menschen, die ohne eine Insolvenz ihre Schuld abgetragen haben, müssen aber drei Jahre auf Löschung warten, was sich drei Jahre als Score-Killer bei sämtlichen Kredit- und Vertragsanfragen manifestiert. Diese Diskrepanz wird sich auf lange Zeit nicht halten können. Aus diesem Grund hat die Schufa nun eine „Erleichterung“ eingeführt, mit der sie, auf den ersten Blick, eine deutliche Verkürzung der Speicherfrist herbeizaubert.

Das ist wohl eine vorsorgliche Maßnahme, denn wir können davon ausgehen, dass sich in absehbarer Zeit Gerichte mit diesem Unterschied befassen werden. In dem Zuge wartet aller spätestens nächstes Jahr eine gerichtliche, wenn nicht gar gesetzliche Änderung.

Schufa: Die geänderte Speicherfrist und deren Voraussetzungen

Das neue Vorhaben der Schufa ist es, bezahlte Forderungen unter bestimmten Umständen bereits nach 18 Monaten, also nach der Hälfte der aktuellen Speicherzeit zu löschen. Die Voraussetzungen dafür sind:

  1. Die betreffende Person darf seitdem zu löschenden Eintrag keine weiteren negativen Einträge erhalten haben.
  2. Zum Zeitpunkt der Löschung darf kein Eintrag aus dem Schuldner- oder Insolvenzverzeichnis vorliegen.
  3. Der Ausgleich der Forderung muss innerhalb von 100 Tagen nach Einmeldung erfolgt sein.

Für mich sind das Vorgaben, die die meisten Betroffenen nicht einhalten können. Ich arbeite seit acht Monaten sehr intensiv mit zigtausenden von Menschen, die meist Probleme mit ihren Einträgen und ihrer Bonität haben. Auf meinem TikTok-Kanal zu Themen rund um die Schufa, Schulden und Insolvenzen erfahre ich täglich von Problemen dieser Menschen.

Deshalb kann ich sagen, dass die neuen Voraussetzungen so gut wie niemandem helfen werden, schon gar nicht in dem Maße, wie die Schufa das sehr gerne propagieren möchte.

Vorgaben, die niemand erfüllen kann!

Was haben die meisten Menschen gemeinsam, die negative und später erledigte Einträge in der Schufa haben?

  1. Sehr viele wissen teilweise über Jahrzehnte nicht, was eigentlich über sie in der Schufa steht.
  2. Die wenigsten können innerhalb von 100 Tagen die eingetragene Schuld begleichen, denn würden sie es können, hätten sie es bereits vor dem Eintrag versucht zu tilgen.
  3. Wenn es mal mit Einträgen losgeht, dann aber auch mehrfach. Nur ein Bruchteil der Menschen hat nur einen negativen Eintrag. Wenn man Geldprobleme hat, dann wirkt sich das auf das gesamte Leben aus und zeigt überall, wo eine Rechnung bezahlt werden sollte, seine Auswirkungen.

Auf dem Papier liest es sich echt super: Die Schufa will ab Januar 2025 erledigte Forderungen bereits nach der Hälfte der Zeit lösche. Aber die Praxis wird zeigen, dass dies nur Augenwischerei ist. Die Vorgaben, die in dem neuen Regelwerk stehen sind willkürlich erdacht worden. Es gibt keinerlei rechtliche Grundlage, die vorschreibt, eine Löschung nur dann vornehmen zu können, wenn keine anderen negativen Einträge vorhanden sind.

Bezahlt ist bezahlt

Einerseits ist es klar, warum die Schufa diese Daten speichert. Sie will ihre Partner vor Zahlungsanfälle und die Menschen vor Überschuldung schützen. Aber wem genau wird geholfen, wenn nach dem Bezahlen einer offenen Forderung eine dreijährige Stigmata aufgedrückt wird? Aus dem scharlachroten Buchstaben wurde eine Armbinde und aus der Armbinde wurde ein digitales gelbes „S“?

Bezahlt ist bezahlt: Das sollte die Devise sein! Warum müssen Menschen, die ihre Schuld beglichen haben und keinerlei Schulden mehr haben, trotzdem über Jahre hinweg leiden, weil eine übermächtige Datenkrake ein Bewertungssystem erschaffen hat, das weder zeitgemäß noch fair ist? Wer seine Schulden beglichen hat, sollte frei sein und nicht durch fadenscheinige, selbst erdachte Vorgaben, die im praktischen, echten Leben kaum zu erfüllen sind, über Jahre als Mensch zweiter Klasse abgestempelt werden.

Sollte die Schufa abgeschafft werden?

Definitiv nicht. Die Schufa gibt es seit 1927 und feiert in drei Jahren ihr 100-jähriges Jubiläum. Der Grundgedanke, warum sie erschaffen wurde, gilt bis heute. Ohne die Schufa würde unsere Wirtschaft zusammenbrrechen und die Preise und Zinsen würden explodieren. Die Schufa ist dadurch gleichzeitig ein machtvoller Schutzengel, aber auch ein denunziatorischer Henker.

Natürlich sind es die Entscheidungen eines jeden Einzelnen, die zu Einträgen in der Schufa führen. Sie selbst ist nur ein Werkzeug. Doch die eigenmächtige Entscheidungsgewalt, wie mit den gewonnenen und aufbereiteten Daten umzugehen ist, ist eine selbsterschaffene Monopolstellung, die in den jetzigen Ausmaßen nicht mehr hinzunehmen ist.

Die Schufa soll nicht abgeschafft, sie soll aber reglementiert werden. Nicht von sich selbst, denn dann hätten wir eine digitale Datendiktatur, sondern von einer öffentlichen, wenn nicht sogar richterlichen Stelle.

Wie geht es mit der Schufa weiter?

Die Schufa hat aktuell viele Schlachten zu schlagen. Sie wird vom Staat, von Gerichten aber auch von Privatpersonen bombardiert. Sie dürfte diesen Ansturm zwar überleben, aber nicht ohne Federn zu lassen. Die Mechanik des Scorings könnte etwa erneuert werden.

Die Reglementierung wird früher oder später durch Gerichte herbeigeführt und auch private Klagen werden ihren Weg zu Änderungen finden. Die Schufa, wie wir sie heute kennen, wird es zu ihrem 100-jährigen Jubiläum so nicht mehr geben. Sie wird noch existieren, klar. Aber stärker in ihrem Wirken eingeschränkt und in ihrem Tun eher dem Endverbraucher als nur den angeschlossenen Partnern dienen.

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Über den Autor

Tibor Bauer

Tibor Bauer ist Affiliate Consultant mit über 20 Jahren Berufserfahrung. Ende 2023 startete er unter dem Namen „Mr. Schufa“ einen TikTok-Kanal Seine Kernkompetenzen sind die Schufa, Schulden und Insolvenzen. Seine Community umfasst mittlerweile über 130.000 Follower. Pro Live-Auftritt hören ihm über 13.000 Menschen zu. Mr. Schufa ist einer der am schnellsten wachsenden deutschsprachigen Content Creators auf Tiktok.

2 Kommentare

  • Illegale Datenverarbeitung von A bis Z wir auch in Österreich beim KSV 1870 von Behörden und Gerichten durch Unterlassung ermöglicht auch die Urteile des EuGH werden nicht umgesetzt ..