Es hat sich schon seit geraumer Zeit angebahnt, jetzt ist es so weit: Ein neuer Trend rollt durch Marketingagenturen, Wohnzimmer und die Amateurfotografie. Und er wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Etwas, was früher Profis vorbehalten war, kann in Kürze auch der Asiproll im tiefer gelegten GTI: Seine Fotos mit künstlerischen Filtern à la Instagram aufmotzen.
Bislang war die Foto-App Instagram nur iPhone-Besitzern vorbehalten – und hatte bereits dort 30 Millionen Fans angezogen. Seit dieser Woche ist Instagram auch für Android-Nutzer verfügbar. Die Tatsache ist weniger das Problem als die Aufmerksamkeit, die daraus resultiert: Ab jetzt kann jeder „korreggte“ Fotos mit dem Handy schießen, aus denen sich mit einem Kunstfilter immer noch etwas rausholen lässt. Egal, wie hässlich sie sind. Das bereichert die Fotografie nur auf den ersten Blick: Schlechte Fotos wird es bald kaum noch geben – und genau das ist das Problem.
Kunst auf Knopfdruck
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Denn das wird langweilig werden. Wo es keine schlechten Bilder mehr gibt, gibt es auch keine guten mehr. Es wird ein Einheitsbrei voller Pseudo-Kunst und schon in ein paar Jahren werden wir rückblickend denken: „Wie konnten wir nur?“ Die Tageszeitung schickt ihren freien Reporter nicht mehr mit der Kompaktkamera zum Ortstermin, sondern mit einem Android-Handy. Weil das Gruppenbild von Bürgermeister und dem Vorsitzenden des örtlichen Schützenvereins aber langweilig wirkt, wird der Reporter es mit einem Inkwell-Filter aufhübschen – und den Händedruck für ästhetisch halten.
Der Naturaufnahme der Moränenlandschaft fehlt noch der letzte Pepp? Schnell einen Nashville-Filter drüber gelegt. Ich sitze am Tresen gedankenverloren vor einem Bier und muss der Welt das mitteilen? Mit dem Sutro-Filter verleihe ich dem Schnappschuss die Dynamik, die der Wirklichkeit abgeht. Die Detailaufnahme meiner Computertastatur ist verwackelt? Mit dem Brannan-Filter sieht sie dann erst Recht wie Kunst aus.
Mal sehen, was Instagram draus macht
Die Rhein-Zeitung bietet heute einen Vorgeschmack darauf, wie das aussehen kann, und hat Rheinstagram vorgestellt. Nutzer können ihre Instagram-Bilder mit dem Hashtag #igerskoblenz versehen. Die Bilder werden auf einer Website aggregiert. Durchaus hübsche Bilder finden sich dort neben einigen wenig sagenden. Nichts gegen die Redaktion oder die Idee, die im Sinne einer Social-Media-Strategie sogar sehr löblich ist. Mich verstört eher die Ansicht von Rhein-Zeitung-Redakteur Marcus Schwarze, der schreibt:
„Neue Fotofilter machen aus den manchmal allzu simplen Schnappschüssen mit dem Handy vielfach veredelte, manchmal geniale Aufnahmen. Bilder gewinnen bei sinnvollem Einsatz dieser Filter eine eigene Ästhetik, sei es der einfache fette schwarze Rand um ein Bild oder das Hinzufügen von Unschärfe, um aus einer Panoramaaufnahme ein Bild in Spielzeugeisenbahnoptik zu machen.“
Im Umkehrschluss bedeutet das eine völlig neue Herangehensweise an die Fotografie: Was soll ich mich noch drum scheren, was meine Kamera da aufnimmt? Interessantes Motiv, goldener Schnitt, Objekt gut ausgeleuchtet? Egal! Einfach draufhalten und mal gucken, was Instagram draus macht. Ob wir wollen oder nicht, es lässt sich nicht mehr aufhalten: Wir werden in den nächsten Jahren von Fotos überschwemmt werden, die die Urheber für künstlerisch wertvoll halten. Mit etwas Glück führt der Weg langfristig zurück zur Schlichtheit. Mit viel Pech könnte es dazu führen, dass wir bald schon nicht mehr hingucken können, wenn uns jemand nur ein Foto zeigt.
(Jürgen Vielmeier)