Ja, es stimmt. Die VZ-Netwerke stehen am Abgrund. Hayo schrieb am Montag von den vernichtenden IVW-Zahlen, nach denen das einstige deutsche Vorzeigenetzwerk inzwischen nur noch auf einer Höhe mit Wer-kennt-wen liegt: 77,35 Millionen Visits und damit wieder 8 Prozent weniger als im Vormonat. Der Abwärtstrend in den vergangenen Monate ist keine leichte Kurve, sondern ein steiler Strich, der in wenigen Wochen den Nullpunkt erreicht. In genau 9 Wochen, 1 Tag und ein paar Stunden, worauf die Website „Wann stirbt Studi VZ“ prominent hinweist.
Martin Weigert von Netzwertig hat bei den Berlinern nachgefragt und von der inzwischen nur noch externen, neuen Pressesprecherin Sweelin Heuss erfahren, dass man unter Chefin Stefanie Waehlert fieberhaft an einer Neuausrichtung arbeite. Weder würden die VZ-Netzwerke im März eingestellt, noch die Plattform StudiVZ, sagte Heuss. Allerdings klingt alles nicht nach Rettung, zumal Lotse Clemens Riedl das sinkende Schiff längst verlassen hat. Ich mag der einzige sein, der das zumindest ein bisschen schade findet – und gleichzeitig ebenso darauf wartet, dass es bald endlich zu Ende ist. Woher kommt dieser Wunsch, einen einstmals Großen bauchlanden zu sehen?
Mutiger Schritt kam zu spät
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Als mich die VZ-Netzwerke im September nach Berlin einluden, um mir ihre neue Strategie vorzustellen, da kam ich ins Grübeln. Man stand da gerade kurz vor dem Start einer von neu auf programmierten Plattform. Diese wurde auf Basis von Googles Web Toolkit gebaut, neue Funktionen sollten zusammen mit den Nutzern entstehen, statt über ihre Köpfe hinweg. Allein den Schritt, mich und ein paar weitere Blogger und Journalisten einzuladen, die in der Vergangenheit nicht gerade zimperlich mit den VZs umgegangen waren, fand ich mutig. Man hatte offensichtlich den richtigen Weg eingeschlagen – es war nur viel zu spät dafür.
Davor hatten die VZs wirklich viel falsch gemacht. Es begann nicht erst mit der Übernahme durch die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die das Portal schnell auf Gewinn trimmen wollte. Es gab bereits recht früh Vorwürfe, man habe sich beim Quellcode von Facebook bedient. Es gab fragwürdige Werbeaktionen, es gab Datenschutzprobleme. (Später allerdings wurden die VZs dann zum unbeachteten Vorbild beim Thema Datenschutz.) Es gab Personen an der Spitze, wie den Gründer Ehssan Dariani, die in der Öffentlichkeit oft eher ungeschickt agierten und unsympathisch rüberkamen. Seit der Übernahme durch Holtzbrinck gab es dann kaum noch Weiterentwicklungen.
Allerdings ist auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor allem in der Anfangszeit des Unternehmens nicht gerade durch Sympathie aufgefallen, Datenschutz tritt er mit Füßen. Und die Vorwürfe, dass er die Idee zu Facebook zumindest nicht alleine hatte, sind in „The Social Network“ prominent verfilmt worden. Trotzdem verläuft die Entwicklung des Social Networks diametral zu den VZ-Netzwerken. Rund 25 Millionen Nutzer hat Facebook in Deutschland; Tendenz trotz aller Warnungen: steigend.
Wir wollen nicht, dass die VZs nochmal die Kurve kriegen
Die Nachricht, dass die VZs in Trümmern liegen, wird in Blogs und der Technikpresse dankbar aufgenommen. Und wäre ich am Montag nicht krank gewesen, hätte ich wohl nichts anderes geschrieben. Als MySpace, ein Netzwerk mit vergleichbaren Problemen, plötzlich gestern auf der CES auftauchte, sparte ich auch nicht mit Spott. Quintessenz hier wie dort: Die kriegen es einfach nicht hin, und jetzt haben sie es auch nicht mehr anders verdient.
Warum sind wir so? Warum freuen wir uns, wenn jemand kurz vor dem Ende steht? Warum wollen wir jemanden bauchlanden sehen, den wir zwar nie richtig gemocht, dessen Dienste wir aber schon eine ganze Zeitlang trotz aller Kritik eifrig genutzt haben? Wieso freuen wir uns diebisch über ein Schicksal, das uns im Grunde genommen egal sein könnte? Warum wollen wir den kranken Patienten nicht mehr genesen sehen, sondern warten gebannt darauf, dass er den Löffel ablegt?
Und werden wir das gleiche tun, wenn es irgendwann bei Facebook nicht mehr rund läuft?
(Jürgen Vielmeier, Grafik: Statista)