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Liebling, ich habe das iPhone kastriert!

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Guido Augustin nutzt sein iPhone nun in Graustufen. (Foto: Pixabay.com / 12019)
geschrieben von Guido Augustin

Burano ist eine kleine Insel in der Lagune von Venedig. Ihre Häuser sind grellbunt, damit sich müde Fischer bei ihrer Heimkehr auf Zuhause freuen können. Die Farben schaffen Aufmerksamkeit. Nach dem gleichen Prinzip fesseln Smartphones uns weit über das gesunde Maß hinaus. Drehen wir es also mal um: Wird unser Leben bunter, wenn wir dem Handy die Farben rauben? Ein Test mit meinem iPhone.

Ich mag mein iPhone X (ja, es musste sein!) sehr. Doch viele beschleicht das Gefühl, die schlauen Kistchen viel zu oft und zu lange in der Hand zu haben. Im wahrsten Sinne des Wortes nicht abschalten zu können. Mich auch. Dabei ist das – aus Sicht der Hersteller von Geräten und Apps – genau der Sinn der Sache.

Die teuerste Währung unserer Tage ist schließlich nicht Gold und nicht Bitcoin, sondern Aufmerksamkeit. Um sie wird gerungen, sie wird teuer gehandelt, wer die Aufmerksamkeit gewinnt, gewinnt das Spiel.


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Also können wir getrost davon ausgehen, dass alles an unseren Smartphones mit enormem Aufwand darauf optimiert ist, uns möglichst lange zu fesseln und eine nicht abreißende Schnur zu drillen, anhand derer wir von Angebot zu Angebot, von App zu App, von Webseite zu Webseite reisen.

Die Formen, die Farben, die Animationen, die Geräusche, die Bedienung, die Anordnung und der ganze Rest: Alles will, dass wir mit unserer Aufmerksamkeit daran kleben bleiben, wie eine Fliege an der Froschzunge.

Vor dem Sommerurlaub hatte ich bereits alle Benachrichtigungen außer Anrufen und Terminerinnerungen auf meinem Telefon abgeschaltet („Mein Handy gehört mir„), um die Einteilung meiner Zeit nicht mehr anderen zu überlassen. Ich wollte selbst entscheiden, wann ich Mails lese, Messenger-Nachrichten beantworte und Sport mache. Das war schon hilfreich, aber nicht genug für den Frosch.

Als ich nun mein iPhone auf Graustufen umgestellt hatte, habe ich diesem Frosch einen Knoten in die Zunge gemacht. Ich kann nur jeden ermutigen, es mal auszuprobieren. Der Effekt ist gigantisch und stellt sich sofort ein. Dazu inspiriert hat mich übrigens Kollege Björn Eichstädt. Mittlerweile läuft mein Experiment genau zwei Wochen – und ich bin begeistert.

Was ist geschehen?

Der Umgang mit dem Smartphone wird sofort entspannter. Die kleinen roten Kreise schreien mich nicht mehr an und fordern eine Aktion. Wenn ich einen Artikel lese, fällt mir drumherum platzierte Werbung weniger auf – seien es nun bezahlte Formate oder Versuche, mich intern weiterzuleiten.

Der endlose Fluss der sozialen Netzwerke verliert sein wildes Rauschen und wird zu dem, was er in den allermeisten Fällen auch ist: langweilig, überflüssig, zeitraubend. Es fällt mir jetzt leichter, im Trüben die Trüffel zu fischen. (Ich weiß, dass kein Schwein der Welt Trüffel fischt, nehme aber zu Gunsten des Klanges das schräge Bild gerne in Kauf.)

Die Akkulaufzeit hat sich drastisch verlängert. Das mag am OLED-Display meines iPhone X liegen, dazu bin ich zu untechnisch – oder aber an der veränderten Nutzung.

Wenn ich mich länger mit dem Smartphone beschäftige, strengt es mich viel weniger an, alles ist sanfter und angenehmer. Und jetzt das Beste, fast schon Peinliche: Ich erlebe seither die Farben im „echten Leben“ intensiver.

Die Postbotin auf der anderen Straßenseite hat ihren Karren nachgegelbt, der Klimawandel übergrünt die Gonsenheimer Kiefern wie nie, der rosa Post-it-Zettel an meinem Computer, auf den meine Traumfrau ein Herzchen gemalt hat, kann besser, was er soll: Mir ins Auge springen.

Nur manchmal erschrecke ich noch über mich selbst, wenn ich an trüben, regnerischen Tagen aufschaue und zu mir selbst weiseklingend sage: „Mensch, das sieht da draußen ja aus wie in meinem iPhone!“

P.S.: Wie das geht? Im iPhone: Einstellungen, Allgemein, Bedienungshilfen, Display-Anpassungen, Farbfilter, Graustufen. Für Android habe ich diese Seite gefunden, aber nicht getestet.

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Über den Autor

Guido Augustin

Guido Augustin (guidoaugustin.com) denkt so klar, dass er als Autor lebt. Er teilt seine Gedanken in wöchentlichen Kolumnen auf "Guidos Wochenpost", in seinem Podcast, in Büchern, Vorträgen und launigen Moderationen.

1 Kommentar

  • Gute Idee, hab es mal umgesetzt. Die Anleitung (oben) für Android funktioniert einwandfrei!

    Danke für den guten Tipp, Guido!