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Facebook: Entschieden protestieren und dann die Kirche im Dorf lassen

Was da wieder los war in den letzten Tagen. Da stellt Facebook neue Funktionen vor, die noch kaum jemand nutzen kann, und schon schreit die halbe Welt. Nicht wenige kündigen an, dem Netzwerk den Rücken zu kehren. Jetzt wirklich. Definitiv. Unwiderruflich. An den Nutzerzahlen kann man das nicht ablesen, auch wenn Facebook schon seit Jahren wegen seiner laxen Datenschutzrichtlinien in der Kritik steht. Mehr als 800 Millionen Menschen sind inzwischen bei Facebook, kürzlich sollen 500 Millionen Nutzer gleichzeitig online gewesen sein. Aber diesmal ist es anders? Diesmal geht ihr wirklich?

Ich glaube eher, Facebook wird die erste Milliarde erreicht haben, ehe sich auch nur tausend von euch dort abgemeldet haben. Das ist die Realität. Man schreit und schreit, und am Ende bleibt man doch. Dabei ist der Einwand diesmal in Teilen berechtigter denn je. Facebook trackt also seine Nutzer, auch wenn sie nicht online sind. Diese Funktion in den Cookies soll jetzt nach massiven Protesten wieder abgeschaltet werden. Facebook nennt es vorsorglich eine unfreiwillige Lücke, was natürlich Blödsinn ist. Wenn es darum ging, das ganze Web für sich zu vereinnahmen, dann war eine solche Funktion natürlich gewollt und aus Sicht des Netzwerks notwendig.

Facebook-Pflicht für Spotify ist maßlos


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Was mich vielmehr wundert, ist, warum bei der Vereinnahmung von Partnerdiensten wie dem Musikstreamer Spotify kaum jemand protestiert. Denn das ist der eigentliche Skandal: Neukunden sollen bei Spotify nur noch Mitglied werden können, wenn sie einen Facebook-Account haben. Eine solche Kopplung ist überhaupt nicht notwendig, nur weil Spotify jetzt mit Facebook interagiert. Ich hoffe, hier brandet noch weit mehr Protest auf, denn ich will wirklich nicht, dass ich einige Dienste künftig nur noch nutzen kann, wenn ich Facebook dafür meine Daten überlasse.

Was die viel diskutierte Vereinnahmung des Webs oder des „Parallel-Internets“ angeht, wie Frank Schmiechen von „Welt kompakt“ es etwa gestern schrieb, würde ich aber tunlichst dazu raten, die Kirche im Dorf zu lassen. Zum einen wird Facebooks neuer Ticker vermutlich so sehr rauschen, dass drei Viertel der Nutzer um Gnade flehen und sich in Foren erkundigen werden, wie man den bloß wieder abschalten kann. Zum anderen ist die Vereinnahmung des Webs bereits längst Realität, seit der „Gefällt mir“-Button das Netzwerk verlassen hat, auf Websites eingebunden wird und dort Daten trackt. Der Schritt, unseren ganzen Internetverlauf mitzuschneiden – wie Google es ebenfalls seit geraumer Zeit tut – geht weit. Aber Facebook scheint hier in letzter Zeit auf Proteste zu reagieren. Protestieren lohnt sich.

Datenherausgabe ist Pflicht

Richard Gutjahr hat einen Weg aufgezeichnet, wie man Facebook zur Herausgabe persönlicher Daten zwingen kann. Der Student Max Schrer erhielt nach einer Klage gegen Facebook ein PDF auf CD-ROM mit 1.200 Seiten seiner Daten. Wäre man zynisch, würde man schreiben: Facebook hat bereits darauf reagiert und macht die Dateneinsicht künftig für jeden leicht verfügbar – in der neuen Timeline.

Was die neue Medienintegration angeht. Die wurde vereinfacht, aber sie erscheint mir nicht einmal besonders attraktiv zu sein. Wenn die Apps es nicht zwingend verlangen, werde ich die Integration einfach nicht benutzen und gut is‘. Worum es jetzt geht, ist Facebook zu zeigen, dass sie nicht alles machen können, was sie wollen. Gerade im Falle von Spotify sind die Verantworlichen zu weit gegangen. Hier sollte manischer Protest aufbranden, damit die Pflicht-Anmeldung via Facebook ganz schnell zurückgenommen wird und nicht Schule macht.

(Jürgen Vielmeier, Bild: Facebook, Livestream)

Über den Autor

Jürgen Vielmeier

Jürgen Vielmeier ist Journalist und Blogger seit 2001. Er lebt in Bonn, liebt das Rheinland und hat von 2010 bis 2012 über 1.500 Artikel auf BASIC thinking geschrieben.

18 Kommentare

  • „Facebook hat bereits darauf reagiert und macht die Dateneinsicht künftig für jeden leicht verfügbar – in der neuen Timeline.“

    Bevor sich jetzt jemand fragt: Häh? Aber das macht es ja nur für andere leichter?

    Über der eigenen Timeline gibt es ab demnächst ein „Aktivitätenlogbuch“, in dem ALLE Interaktionen verzeichnet sind. Auch jene, die nicht einsehbar sind. Sie lassen sich dort filtern nach Jahr, Monat und Art der Nachricht, auf dem Profil anzeigen oder verbergen – und löschen. Was mich besonders freut: Auch Kommentare, die man irgendwann mal irgendwo geschrieben hat, kann man so zentral finden und löschen.

    Macht rege gebrauch, wenn ihr eure Spuren reduzieren wollt! Und eure Freunde interessieren Gratulationen von 2007 wohl eh nicht mehr – sonst sollen sie sich ihr Profil speichern, was in den Kontoeinstellungen funktioniert.

  • Facebook, das war nochmal was?
    Ach ja, richtig. Da gibt man alle seine Daten ein und protestiert dann, dass die alle meine Daten haben.
    Und weils so toll ist, bindet jeder den „track mich“-Button auf seiner Seite ein – und schon kann man sich beschweren, dass man überall getrackt wird.

    Facebook ist ein Datenkrake, das ist allgemein bekannt. Aber es bringt nichts, dagegen zu protestieren, solange man diesen Datenkrake mit dem versorgt, was er haben will: Daten über Daten.

    Scheinheilig, davor zu warnen, während rechts oben ein dickes „Werde Fan bei Facebook“ prangt.

  • Moin Jürgen, muss es nicht „entschieden protestieren“ heißen? 🙂
    Schönen Gruß, Dein Lieblingsschwager

  • Ich verstehe den Sinn bei einigen Shops eh nicht, ich will doch verkaufen und wenn der Kunde schon mal da ist, warum soll ich ihn dann mit so mistigen Buttons wieder wegschicken. Das macht bei normalen Shops fast gar keinen Sinn.

    Unser Shop ist und bleibt eine Facebook-Button freie Zone.

    Andersherum ist prima, Facebook Personen in den Shop..

    Ach und was den fehlenden Protest bei Spotify angeht… 99% der Facebook Benutzer werden das nicht kennen?

  • Jeder ist selbst dafür verantwortlich, was er/sie veröffentlicht. Aber dass facebook alle Daten sammelt ist nichts Neues. Das dieses mit Timeline noch öffentlicher und stärker forciert wird, rückt es nur etwas mehr in den Mittelpunkt.

    Ich glaube auch nicht, dass sich jetzt Massen abmelden werden, davon mal abgesehen, dass eine richtige Löschung nicht möglich ist, wird facebook die Daten auch weiter behalten und nutzen. Das es trotz weiterer Nutzung viele nicht unbedingt gut finden (Bezug auf die neue Timeline), ist eine andere Sache.

    Die User sind bei facebook, weil ihre Freunde da sind. Das ist der Hauptgrund. Gibt es in Zukunft ein anderes Netzwerk, was es schafft die Leute so zu begeisternn, dass sie in Massen kommen, dann ist der Hype um facebook auch vorbei und facebook verliert schnell an Wert. Ob das google+ sein wird, weiß ich nicht, bezweifel ich aber, denn dann wären wieder und noch stärker alle Infos in einer Hand.

    Timeline zwingt die User aber auch dazu etwas zu veröffentliche und das ist genau das, was facebook will, denn hast du deine Timeline nicht mit tollen Events und Erlebnissen gefüllt, sieht das schnell nach einem langweiligen, uninteressanten Leben aus. Das ist dann wie ein schlechter oder lückenhafter Lebenslauf. Fehlt nur noch, dass es irgendwann in der Zukunft den normalen Lebenslauf (z.B. bei der Bewerbung) ersetzen soll, was wohl auch nicht unbedingt gegen die Interessen von facebook wäre.

    Aber trotz alle dem gilt, jeder ist selbst dafür verwantwortlich, was er/sie veröffentlicht.

  • Nun ja, ich kann Facebook nicht den Rücken kehren – weil ich noch nie Mitglied war und auch nicht vorhabe, jemals dort Mitglied zu werden 🙂

    Mir sind diese Massenhoster schlicht prinzipbedingt suspekt. Und erst recht, wenn diese im Ausland stehen, speziell in den USA, wo Datenschutz eher (sehr) klein geschrieben wird.

  • Alles langweiliges bla bla, es gibt schlimmeres als das ein Konzern weiss welche Musik ich höre. Das empfinde ich sogar als Vorteil um entsprechende Empfehlungen zu erhalten. Die Proteste und against facebook Kommentare klingen alle als wären Sie aus einem vergangenen Jahrhundert. Jemand der sich wirklich mit der Thematik befasst hat, wird F8B als weit weniger schlimm empfinden als es hier von manchen dargestellt wird.

    Dann lieber mal gegen die Kaffeehersteller protestieren oder dafür sorgen das AKWs abgeschaltet werden. Hier entsteht weit mehr schaden als es in einem Netzwerk je passieren kann.

    Die die vielen Vorzüge werden natürlich gekonnt ignoriert. Dekadentes Deutschland kann man da nur sagen. In anderen Ländern würde man nichtmal ansatzweise so etwas denken. Aber hier ist eben jeder 2te bieder und will ich verstecken. Schon n bissl paranoid !?

  • Man könnte sich fragen, was noch alles passieren muss bis die Leute Facebook endlich den Rücken kehren. Andererseits wird auf dieser Seite ja stattdessen lieber von Google abgeraten und Facebook toleriert.

  • @Basti: Ich sehe das etwas differenzierter. Natürlich habe ich auc lieber personalisierte Werbung als Werbung für produkte, die mich absolut nicht interessieren, aber es geht auch weder darum, noch darum sich verstecken zu wollen, sondern viel mehr, was mit diesen Daten passiert und wofür sie genutzt werden von den Unternehmen/ Konzernen.

    Das ist dann alles andere als schön, daher finde ich eine timeline auch nicht unbedingt so gut. Es wird/ soll, so will es zumindest facebook deinenen Lebensweg und somit auch Lebenslauf darstellen. Wenn das dann irgendwann in ferner Zukunft auch als Lebenslauf Ersatz angenommen wird von Unternehmen bei Bewerbungen, dann bist du ganz schnell raus, wenn du nicht mehrere 100 Freunde hast (man könnte ja als nicht teamfähig oder unsozial gelten) und täglich oder zumindest regelmäßig etw. aufregendes Erlebst.

    Ich finde so etwas kann auch wenn nicht auf den ersten Blick weitreichende Auswirkungen haben (nicht n ur bei Job Bewerbungen in Zukunft). Und auch wenn einem vorgegaukelt wird, deine Daten sind Sicher, weiß man doch, dass es nicht so ist. Denn selbst wenn diese Timeline und dein Profil nicht alle einsehen können zurzeit, dann müssen nur mal Privatsphäre Einstellungen ausfallen. Und das ist ja bei facebook mind. schon einmal passiert, dann sind auf einmal Mio Emai,l Adressen, telefonnummern und andere Daten sichtbar.

    Nutzen „ja“, da es auch einfach viele Freunde und Bekannte nutzen, und gerade um mit den im Ausland lebenden einfach in Kontakt zu bleiben eignet es sich gut, aber private Daten eingeben ein klares „nein“.

  • >>Diesmal geht ihr wirklich?

    Ich glaube eher, Facebook wird die erste Milliarde erreicht haben, ehe sich auch nur tausend von euch dort abgemeldet haben. Das ist die Realität.<<

    Glaube != Realität

    Schon mal daran gedacht, dass viele wirklich längst gegangen sind, obwohl die Nutzerzahlen steigen? Allein in meinem Umfeld haben der Plattform, bzw. sozialen Netzwerken allgemein, viele den Rücken gekehrt.
    Wer weiß, ohne die "Abkehrer" könnte FB vielleicht schon 100 Mio mehr Nutzer haben…

    Für die Zukunft: Nicht alles ins Lächerliche ziehen, nur weil es nicht in den eigenen Horizont passt…

  • @Anonymous
    Möglicherweise hätte FB dann 100 Mio. Nutzer weniger, auch wenn das Ihr Glaube ist. Und der muss, wie Sie selbst sagen, nicht gleich der Realität sein.
    In meinem Umfeld hat sich noch niemand aus Facebook gelöscht, 90% meiner Bekannten sind bei Facebook registriert. Hier ist nur noch wenig Wachstumspotential, dh. Facebook muss in anderen Gebieten (geographisch betrachtet) wachsen. Und wie das in Taiwan aussieht können Sie wohl eher nicht beurteilen.

  • Wer seine Daten dort bereitwillig ausfüllt, hat mMn später keinen Grund einen Aufstand zu machen, wenn sie bei FB in der endlosen Datenbank rumfliegen.. allerdings sollte man es trotz der unglaublichen Präsenz von FB nicht übertreiben.. warum sollte FB PFLICHT für irgendetwas anderes sein? *kopfschüttel*

  • Facebook ist wie ein modernes Handynetz , auf das auch die wenigsten Verzichten können, wären keine Anrufe zwischen den Netzen möglich gebe es wohl auch nur einen Mobilfunk Monopolisten von dem jeder Abhängig wäre.
    Im Grunde ist das eine Aufgabe für die Politik Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb und den Datenschutz festzulegen wie auch in der Realwirtschaft.
    Für jede Telefonfirma , Bank oder Personalbüro gelten da auch gewisse Regeln.
    Niemand würde einen Kunden empfehlen kein benötigtes Bankkonto mehr zu Eröffnen nur um seine persönlichen Daten schützen zu können.