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Sind Innovationslabors sinnvoll?

geschrieben von Nicole Scott

Jeder, der schon einmal für ein Startup gearbeitet hat, weiß, dass Unternehmens-Innovationslabors ein absoluter Traum sind. Finanzielle Förderung im großen Stil und dieselbe unkonventionelle und regelfreie Umgebung, auf die Startups so stolz sind – also der gleiche Spaß, nur ohne die Finanzierungsprobleme. Aber die Startup-Formel ist möglicherweise nicht immer die beste Herangehensweise, wenn es um Innovation geht. Stellen wir uns also die große Frage: sind Innovationslabors sinnvoll?

Im Laufe der vergangenen Monate haben wir uns bei Mobile Geeks viele Fragen zum Thema Innovation gestellt. Was bedeutet Innovation? Wie sieht die Geschichte des Begriffs aus? Und allen voran: warum wird der Begriff falsch verwendet? Letzteres habe ich vergangenes Jahr während meines Besuchs in Samsungs Innovationsmuseum festgestellt.

10 Innovationen, die die Geschichte verändert haben

Weil mein Terminkalender für 2019 mittlerweile voller Einladungen zu verschiedenen Innovationslabors ist, die ich aufgrund meiner Erkenntnisse eher mit gemischten Gefühlen entgegen genommen habe, entschloss ich mich dazu, diesen Artikel hier zu verfassen.

Innovation à la Startup – eine gute Idee?

Laut Harvard Business Review liegt die durchschnittliche Erfolgsquote eines Startup-Unternehmens bei 0,2 Prozent. Ein Großunternehmen, das langsam und mit Bedacht vorgeht, hat dagegen in 12,5 Prozent der Fälle Erfolg.

Innovationslabors, Accelerators, Inkubatoren oder wie man sie auch nennen möchte sind Orte, an denen Unternehmens-Intrapreneure interessante Geschäftsbereiche erforschen, die nicht an die Bürokratie und die Einschränkungen der Unternehmen gebunden sind. In manchen Fällen sind auch Partner wie Startup-Unternehmen oder externe Unternehmer beteiligt. Das ist zumindest der Gedanke.

Innovationslabors sollen für Innovation sorgen, die sich in das Unternehmen integrieren lässt, sobald deren Wertversprechen bestätigt wurde. Das Konzept ist aktuell sehr beliebt. Nahezu jedes große Unternehmen hat heutzutage ein Innovationslabor, oder plant eines einzurichten.

Leider stellen sich viele Innovationslabors eher als Innovationskinos heraus – viel Schall und Rauch und Leute, die komische Brillen tragen. Ein aufregendes Erlebnis, bei dem in vielen Fällen letztendlich nur viel Lärm um nichts herauskommt.
Zumindest ist das mein bisheriger Eindruck.

Das neue Jahr hat gerade erst begonnen und schon demonstrieren viele Unternehmen ihre grenzenlose Begeisterung für Innovationslabors und möchten sie der Presse vorstellen. Ich habe eine Reihe von Fragen definiert, mit denen sich herausfinden lässt, ob ein Innovationslabor einen echten Nutzen erfüllt, oder ob es sich nur um eine Imagekampagne handeln, deren Ziel es ist, ein Unternehmen cooler aussehen zu lassen als es eigentlich ist.

1. Gibt es greifbare Resultate?

Die meisten Innovationslabors messen ihren Erfolg anhand der Anzahl neuer Ideen, die sie entwickelt haben oder der Anzahl der Vorträge auf Innovationskonferenzen, oder aber auch den Erwähnungen in den Medien.

In vielen Fällen wird Erfolg nicht an der Entwicklung greifbarer Produkten gemessen.

Nach meiner Vorstellung sind Ideen kostenlos; was wirklich zählt, ist die Fähigkeit, sie auch umzusetzen.

2. Wie sieht die strategische Ausrichtung aus?

Ein Startup, das zwar völlige Innovationsfreiheit hat, aber das eigene Ökosystem nicht berücksichtigt, wird scheitern. Um ihre Erfolgschancen zu erhöhen, sollten Corporate-Startups mit dem Kerngeschäft und den strategischen Prioritäten des Unternehmens in Einklang stehen. Unternehmen kaufen nämlich keine Startups, die ihre existierenden Geschäftstätigkeiten nicht ergänzen.

Zu glauben, dass Regeln und Einschränkungen schlecht für die Innovation sind und echte Innovationen nur aus absoluter Freiheit entstehen können, ist nicht der beste Weg nach vorn. Unternehmen können wesentlich bessere Ergebnisse erzielen, indem sie den Bereich definieren, den sie innovieren möchten.

Das Motto lautet: Eigenständigkeit im Einklang mit der Unternehmensstrategie – dies erfordert ein klares Verständnis von den Auswirkungen des Startups auf das Unternehmen. Es gibt einen großartigen Artikel auf Medium über dieses Thema, mit einer Infografik, die das Ganze meiner Meinung nach gut zusammenfasst.

3. Wie lange werden die richtigen Leute für das Unternehmen arbeiten?

In den meisten Innovationslabors finden sich viele motivierte Menschen mit großem Tatendrang, die oft mit dem Versprechen einer gut finanzierten Startup-Umgebung angelockt wurden. Vielleicht ist das nur meine abgestumpfte Sichtweise, aber Innovationslabors scheinen voller Leuten zu sein, die nicht das Zeug zum Unternehmer haben oder keine Erfahrung darin haben, ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen.

Dafür haben sie umso mehr Erfahrung darin, Startup-Unternehmer zu spielen – sie sind beispielsweise Tischfußball-Profis, arbeiten gerne mit dem Laptop auf dem Sofa, tragen nur Turnschuhe und Kapuzenpullover und erfüllen all die anderen Startup-Klischees, die man sich so vorstellen kann. Sie sind zwar in der Lage, tolle Präsentationen über ihre Erfahrung zu halten, können aber keine greifbaren Ergebnisse liefern.

4. Hat das Innovationslabor das Problem identifiziert, das es zu lösen gilt?

Innovationslabors, die einen bestimmten Zweck verfolgen, sind meiner Erfahrung nach oft interessanter. Sie haben nämlich ein bestimmtes Problem identifiziert, für das sie eine Lösung finden möchten. Vielleicht sollten zweckorientierte Innovationslabors darüber nachdenken, ihre Namen zu ändern. Ich würde mir wohl lieber ein „Future of Mobility Lab“ ansehen als das x-te Innovationslabor.

Die große Frage, die ich hier stellen möchte lautet: Handelt es sich bei den Projekten um Innovationen, die durch Erkenntnisse angetrieben werden?

Um diese Frage zu beantworten sollte man einen Blick darauf werfen, wie viel Ökosystemverständnis und Kontext die Unternehmen den Innovationslabors zur Verfügung stellen.

Zugang zu den Erkenntnissen und den Erfahrungen der Unternehmen kann für Innovationslabors ein großer Vorteil sein. Es scheint, als wären viele Innovationslabors von ihren Mutterunternehmen isoliert; wahrscheinlich aus Angst, dass durch diesen Einfluss der Innovationsprozess beeinträchtigt werden könnte.

Unternehmen müssen endlich damit aufhören, isolierte Innovationsabteilungen oder Innovationslabors einzurichten, die lediglich Imagezwecken dienen.

Zu viele Unternehmen versuchen, innovativ zu erscheinen – oder noch schlimmer – sie erschaffen Strukturen, die vollkommen ungeeignet sind, echte Innovationen hervorzubringen; nur um in ihren schillernden Infobroschüren innovativer zu erscheinen.

Es könnte gut sein, dass jeder, der den Begriff „Innovation“ falsch verwendet, im Mittelpunkt des Problems steht!

Was meint ihr? Ist meine Sichtweise zu harsch?

Über den Autor

Nicole Scott