Das Rennen im Bereich der Elektromobilität geht so langsam in die heiße Phase. Gefühlt liegt Tesla seit langer Zeit komfortabel vorne, während die meisten anderen Hersteller es gerade mal geschafft haben Ihre Autos aus der Box rauszurollen. Aber im Motorsport gibt es dann doch immer wieder mal Überraschungen. Denn für den normalen Zuschauer scheinbar aus dem Nichts greift der Kia e-Niro in das Renngeschehen mit ein.
Wir hatten die Gelegenheit, den Kia e-Niro in den Hügeln von Südfrankreich einen Tag lang zu testen und fassen unsere Eindrücke von diesem Tag hier mal zusammen.
Technische Daten
Seien wir ehrlich, der erste Reflex bei einem reinen Elektroauto ist erst mal ein Blick auf die Reichweite, um dann sagen zu können: „Ganz nett, aber das reicht mir nicht“. Bei dem Kia hingegen ist der erste Reflex hingegen, sich erst einmal die Augen zu reiben. Nach dem neuen WLTP-Zyklus hat er eine Reichweite von 455 km. Der Wert allein reicht schon aus, um den Wagen deutlich vor vielen anderen Modellen einzureihen. Wenn der e-Niro nur im Stadtverkehr bewegt wird, ist sogar eine Reichweite von 615 km realistisch, wovon viele benzinbetriebene Fahrzeuge in dieser Klasse allenfalls träumen können.
Die Werte gelten für die größere der beiden Varianten mit 64-kWh-Akku und einem 150-kW-Motor (204 PS). In dieser Variante sprintet der e-Niro in nur 7,8 Sekunden von 0 auf Tempo 100.
Der Akku kann mit seinem Schnellladeanschluss mit CCS-Stecker in 42 Minuten von 20 auf 80 Prozent an einer 100-kW-Station schnellgeladen werden.
Bei der Ausstattung hat Kia in der großen Version gefühlt alles in den Wagen eingebaut, was möglich war. Besonders bei den Assistenzsystemen hat der e-Niro einen bleibenden Eindruck hinterlassen, aber dazu später mehr.
Erster Eindruck – Design Kia e-Niro
Auf den ersten Blick ist der e-Niro ein typischer Crossover-PKW. Tatsächlich ist Kia zur Zeit der einzige Anbieter in dieser Modell-Klasse, bei dem der Kunde die freie Wahl zwischen allen Antriebsarten hat, also Verbrenner, Hybrid oder rein elektrisch. Das wirkt sich natürlich auf das Design der Karosserie aus. Bei genauerem Hinschauen erkennt man dann aber doch recht schnell, dass man ein Elektroauto vor sich hat. Der Kühlergrill in der Kia-typischen „Tigernasen“-Form ist komplett geschlossen und beinhaltet die Klappe für den Ladeanschluss. Das pfeilförmige LED-Tagfahrlicht in Kombination mit den hellblauen Zierleisten hinterlässt einen für ein Elektroauto angemessen futuristischen Look.
Auch beim Einsteigen wird einem schnell klar, dass man in einem Elektroauto sitzt. So gibt es keinen klassischen Ganghebel -warum auch?- sondern einen runden Drehschalter in der Mittelkonsole, der dann per „Shift by Wire“-Technologie die Gänge auswählt.
Das 8-Zoll große Touchdisplay in der Mitte beinhaltet das Infotainment-System und besitzt selbstverständlich auch die wichtigsten Elektroauto-Anzeigen und Funktionen. Der Tachobereich ist mit einem 7-Zoll großen Display ausgestattet, der alle wichtigen Fahrinformationen und Antriebsdaten anzeigt.
Die größte Besonderheit aber sind die Schaltwippen am Lenkrad, die man sonst eher in einem Sportwagen erwartet.
Fahrbericht Kia e-Niro
Noch ist die Fahrt in einem Elektroauto immer was besonders. Man steigt ein und ist von der Geräuschlosigkeit überrascht. Beim Starten signalisiert der e-Niro seine Betriebsbereitschaft mit einem Bootsound und rollt nach einem Dreh in den Drive-Modus unauffällig und geräuschlos los. Auch die Fahrt über Land ist dank guter Aerodynamik und Dämmung angenehm ruhig.
Die Ruhe im inneren schärft aber auch zeitgleich die anderen Sinne. Mit seinen 204-PS Elektromotor zieht der Kia ordentlich los. Der dank Batterie niedrige Schwerpunkt führt zu einem guten Fahrverhalten auch in Kurven. Der e-Niro ist natürlich trotzdem kein Rennwagen, sondern eher ein angenehmer Cruiser.
Ein Pedal und zwei Schaltwippen zum Glück
Das für Elektroautos so typische One-Pedal-Fahren ist beim e-Niro besonders gut gelöst. Wie schon weiter oben erwähnt hat der Kia Schaltwippen am Lenkrad. Mit diesen könnt ihr während der Fahrt einen von fünf Level für die Rekuperation einstellen. Die Möglichkeit einzustellen, wie stark der Wagen abbremst, sobald ihr den Fuß vom „Gas“ nehmt, macht das Fahren deutlich angenehmer. Die meisten Elektroautos haben eine feste Einstellung, was dazu führt, dass es Passagen gibt, bei denen man den Fuß immer leicht auf dem Pedal durchdrückt, weil man nicht will, dass der Wagen abbremst. Das kann meiner Erfahrung nach schon mal sehr nervig werden, gerade wenn es länger bergab geht. Bei dem e-Niro zieht ihr mehrmals an der linken Schaltwippe und der Wagen rollt ungestört bergab, ohne dass ihr den Fuß auf dem Gaspedal halten müsst. Wenn ihr dann doch leicht oder stärker abbremsen wollt: Einfach an der rechten Schaltwippe ziehen und die gewünschte Stärke der Rekuperation einstellen.
Falls euch das zu stressig ist, könnt ihr auch einfach den Automatikmodus aktivieren. Dann nutzt er den Frontradar um die passende Verzögerung zu ermitteln, entsprechend dem Fahrzeug, das vor euch fährt. Auch das Navigationssystem wird dann genutzt, um entsprechend der vor euch liegenden Strecke die Rekuperation einzustellen.
Der e-Niro besitzt auch einen Fahrdynamik-Schalter. Ihr habt die Auswahl zwischen 4 Modi: Eco+, Eco, Komfort, Sport. Die Namen sind recht selbsterklärend und machen das, was man erwartet. Die meiste Zeit bin ich im Komfort-Modus gefahren, welcher auch auf die Alltagsfahrten zugeschnitten ist. Spaßeshalber habe ich natürlich den Sport-Modus ausprobiert, diesen aber nicht wirklich für reichweitenfördernd befunden und deshalb wieder schnell in den Komfort-Modus zurückgeschaltet.
Reichweite Kia e-Niro
Damit wären wir auch bei der großen Frage der Reichweite angelangt. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin Herstellerangaben zum Verbrauch grundsätzlich eher skeptisch eingestellt. Gerade auch in Hinblick auf den mit 64 kW zu anderen Herstellern nicht unbedingt großen Akku. Aber Größe ist halt nicht immer alles. Klar ein größerer Akku ist besser für die Reichweite, wobei sich das höhere Gewicht natürlich auch wieder negativ auswirkt.
Daher ist der Verbrauch und die Effizienz des Elektromotors und der Fahrprogramme mindestens genauso wichtig. Genau hier hat Kia meiner Meinung nach ganze Arbeit geleistet. Die mehrstündige Fahrt in der hügeligen Landschaft rund um Südfrankreich hat den e-Niro nicht weiter beeindruckt. Am Ende des Tages hatte ich einen Verbrauch von 13,6 kWh und das bei normaler Fahrweise, mit streckenweisen Sprints – im Namen der Wissenschaft versteht sich.
Ersteindruck Kia e-Niro
Der Slogan von Kia lautet: „The Power to Surprise”. Nach meiner ersten Fahrt im Kia e-Niro würde ich sagen, ist das fast schon untertrieben. Das Basismodell gibt es zu einem Einstiegspreis von 34.290 €, die Variante mit dem stärkeren Antrieb und der größeren Batterie startet bei 38.090 € und mit kompletter Vollausstattung kostet er 42.380 €. Dafür gibt es bei anderen Herstellern, die technisch auf einem vergleichbaren Level sind, noch nicht einmal einen halben Elektrowagen.
Während andere Hersteller versuchen, ihre Elektrowagen im Oberklassesegment anzusiedeln, gefällt mir der Ansatz von Kia sehr gut. Wobei nüchtern betrachtet der Kia e-Niro von der Technik her locker mithält, so haben die Fahrassistenzsysteme einen sehr guten Eindruck bei mir hinterlassen.
Ich werde mich auf jeden Fall bemühen, einen e-Niro für einen längeren Alltagstest zu bekommen. In der Zwischenzeit die Frage an euch: Hattet ihr Kia im Rennen der Elektromobilität auf den Schirm und wie gefällt euch der e-Niro ?