Kevin Müller war am Samstag auf dem Festival „R(h)einkultur“ in Bonn beim Auftritt der Band Jupiter Jones. Sandra Trapmann, Kevin Paluschek und Alex Busch auch. Darüber hinaus noch Linda Langner, Thomas Greifenhofer und 25.000 andere. Wer das alles ist? Keine Ahnung. Ich kenne niemanden davon persönlich, kann aber jeden davon auf einem sozialen Panoramabild sehen, das der WDR heute veröffentlicht hat. Eine ganze Menge der Konzertbesucher ist namentlich benannt. Findet man sein eigenes Konterfei in den Menschenmassen, kann man es selbst taggen – oder jemand anderer, der einen kennt.
Ich muss hier mal ganz kurz „Datenschutz“ schreien. Ob das wohl jeder will, der auf der „R(h)einkultur“ zu Besuch war? Dass man damit rechnen muss, auf einer Großveranstaltung fotografiert zu werden und im Internet zu landen, ist eine Sache. Dass der eigene Name daneben steht, ein anderer. Was ist, wenn man – aus welchen Gründen auch immer – zumindest namentlich nicht erkannt werden will?
Ich habe von dem Bild gerade in einem Beitrag auf dem Radiosender 1live gehört und im Web nachgelesen. Der WDR hat sich dazu der Dienste des US-Fotografen Jeffrey Martin bedient, der über 500 Einzelbilder eingefangen und die Bilder am Rechner neu zusammengesetzt hat. Der WDR beschreibt die Arbeitsweise wie folgt:
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Die etwa 500 Aufnahmen des Rheinkultur-Publikums wurden mit einer Profi-Spiegelreflexkamera gemacht, die computergesteuert auf einem Stativ am Bühnenrand rotierte. Aus jedem Blickwinkel fokussierte die Kamera dabei stufenweise.
Weiß bald jeder, wann ich wo war?
Am Computer wurden danach die sich überlappenden Aufnahmen bereinigt. Geisterbilder sollen zwar ausgeschlossen sein, man findet sie aber trotzdem. Technisch gesehen dennoch eine Meisterleistung. Laut WDR wurden alle Besucher beim Eintritt in das Festivalgelände über die Aktion informiert. Wie genau und welche Möglichkeit man hatte, dem zu widersprechen, ist mir nicht ganz klar. Der Veranstalter spricht von 160.000 Besuchern. Man soll im Nachhinein zumindest die Gelegenheit haben, sein Profil löschen zu lassen, schreibt der WDR, also so ähnlich, wie man sein Haus bei Google Streetview verpixeln kann. Außerdem kann man das Taggen seines Profils durch andere via Facebook verbieten.
Ich finde die Bilder brillant – gestochen scharf bis hin zu den Besuchern auf den Rängen. Und doch muss ich leider in die Rolle des Spielverderbers schlüpfen: Gerade in Zusammenhang mit Facebooks kürzlich in Deutschland eingeführter Bilderkennung bekommt das alles einen faden Beigeschmack. Kann ich also in Zukunft an jedem Ort, den ich besuche, getaggt werden? Und wenn ich das nicht möchte, muss ich mich dann immer erst selbst aktiv werden und mich austragen lassen? Dann hätte ich ja viel zu tun. Und welche Wahl hätte ich eigentlich gehabt, dem im Vorfeld zu widersprechen? Hätte ich dann das betreffende Konzert oder das ganze Festival nicht besuchen dürfen? Bedeutet das jetzt, dass ich jedes Mal, wenn ich ein Konzert, Festival oder eine sonstige Veranstaltung besuche, auch Gefahr laufe, danach im Internet wieder aufzutauchen? Stelle ich zu viele Fragen?
Aber im Ernst: Darüber muss man reden – oder findet ihr, dass ich übertreibe? Ich hätte mich zumindest nicht gerne auf einem der Fotos wiedergefunden.
(Jürgen Vielmeier, Bild: WDR/Jeffrey Martin/360cities)