Seit der industriellen Revolution sind die Städte und unser Alltag immer lauter geworden. Egal, ob der Verkehr auf der Straße vorbeitost, die Bauarbeiter nebenan den Parkplatz abreißen oder ein Krankenwagen seinen Weg mit lauter Sirene durch den Verkehr sucht. In der 20 Millionen Provinz Shenzhen hingegen ist es nun etwas ruhiger geworden. Dort hat nämlich die Elektromobilität Einzug gehalten.
Shenzhen hat durch seine Vergangenheit 14 lokale Industriecluster und ist multizentrisch angelegt. Aufgrund der rasanten Entwicklung der letzten Jahre und dem damit verbundenen Bau von Häusern und Wolkenkratzern zählt die Hälfte der Bevölkerung zu den Stadtbewohnern. Diese besitzen meist kein eigenes Auto und bewegen sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch das Gebiet. Daher hat die Regierung in den letzten Jahren Autobahnen, Buskorridore, U-Bahnen, Hochgeschwindigkeitszüge, Fährverbindungen und einen neuen Flughafen gebaut. Unterwegs sind hier Busse, Räder, Motorroller, Taxen und Müllwagen und das fast nur elektrisch.
Das hat auch den Grund, dass gerade China mehr als jedes andere Land die Verbreitung von Elektrofahrzeugen vorantreibt. Ein Fahrzeugbauer, der davon besonders profitiert ist BYD. Der chinesische Hersteller wird dabei von vielen Investoren, darunter auch Warren Buffet (mit einer 232 Mio. $-Investition) unterstützt und stellt selbst Tesla bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen in den Schatten. BYD hat 16.000 Busse fast im Alleingang elektrifiziert und arbeitet aktuell an einer Lösung zur Elektrifizierung aller Taxen und Lastkraftwagen.
Der Konzern beschäftigt dabei 37.000 Mitarbeiter am Hauptsitz in Shenzhen. Diese stellen die Teile für die Fahrzeuge her, die wiederum in der teilweise durch Roboter gesteuerten Fertigung verbaut werden. Die meisten Kraftfahrzeuge, die hier vom Band laufen, bleiben in der Volksrepublik und werden dort verkauft. BYD-Gründer und Milliardär Wang Chufano hat dabei die Vision, die komplette chinesische Flotte (300 Mio. Fahrzeuge) bis 2030 zu elektrifizieren. Das liegt deutlich über den Zielen der Regierung, die bis 2025 lediglich eine Elektrofahrzeugquote von 20 % erreichen möchte.
[mg_blockquote cite=“BYD-Gründer Wang Chufanu“]It will happen earlier than expected.[/mg_blockquote]Durch die chinesischen Vorgaben und der Geschwindigkeit, die das Land bei der Elektromobilität vorgibt, kann BYD auf ein solides Fundament setzen, wenn es darum geht, eine globale Marke zu werden. Seit 2017 wird Leonardo DiCaprio als Markenbotschafter eingesetzt und schon heute werden Fahrzeuge bereits in die USA exportiert. Zusätzlich wurden Deals zur Lieferung von elektrischen Bussen mit Facebook (Versorgung des Hauptquartiers in Menlo Park), der Verkehrsbehörde in Long Beach (Kalifornien), der Stanford-Universität und der Universität von Kalifornien (Los Angeles) ausgehandelt. Zuletzt hat die Firma eine Ausschreibung zur Ausstattung von Regierungsbeamten mit Elektroautos in Georgia gewonnen.
Ein Grund für die inzwischen weit vorangeschrittene Verbreitung der Marke ist auch der starke Rückhalt in der Heimat. Die China Development Bank stellte dem Unternehmen kürzlich einen 9 Milliarden $-Kredit zum Bau einer elektronischen Monorail in Brasilien, Ägypten und den Philippinen in Aussicht. Ein Problem ist aber die Amortisation dieser Investitionen. Die 2015 gemachte, 1 Millionen Yuan schwere Investition in die Forschung eines Elektrobusses hat sich zumindest nach ungefähr 3 Jahren noch lange nicht gerechnet. Sollten die Hilfsgelder sinken, wäre das eine ernst zu nehmende Gefahr für die Forschung und Entwicklung von BYD.
Aber auch, wenn es in großen Schritten weitergeht, gibt es einen Flaschenhals: die Ladeinfrastruktur. In Shenzhen ist man bereits kreativ geworden und hat das Dach eines Parkhauses mit Solarpanels ausgestattet, um den Strom für die darunter gelegene Ladestation zu liefern. Der steigende Preis für Flächen in der Provinz und die Integration ins bestehende Stromnetz erweisen sich aber zunehmend zu Stolpersteinen.
Ein Blick in die Praxis zeigt aber, wie vielversprechend die Technik ist. Die „Shenzhen Eastern Bus Cooperation“ – ein Partner von BYD und lokales Verkehrsunternehmen in Shenzhen – konnte ihre „Tankrechnung“ seit dem Umstieg von Diesel zu Strom um 2/3 senken. Die meisten Fahrzeuge werden nachts im Depot aufgeladen und legen dann bis zu 250 km im dreistündigen Regelbetrieb zurück. Wird ein Bus länger gebraucht, dann fährt dieser in den Pausen eine Ladestation an.
In Zukunft wäre es also durchaus möglich, dass wir BYD-Fahrzeugen auch in Deutschland begegnen. Durch die deutlich reduzierten Herstellungskosten (Fertigung in China) könnten die Chinesen zum gefährlichen Konkurrenten für die deutsche Autoindustrie werden. Eins ist aber klar: Während wir heute noch über Elektromobilität reden, ist diese in China bereits zum Alltag geworden.