Kennt ihr diese Angst? Die Angst, nach einem herausragenden Album eurer Lieblings-Band oder nach einem besonders gelungenen Buch, einem Film, einer TV-Serien-Staffel? Die Angst, dass etwas so gut war, dass man unmöglich noch einmal auf dem gleichen Level daran anknüpfen kann? Genau diese Angst hatte ich, als bekannt wurde, dass die zweite Staffel der Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ (im Original: 13 Reasons why“ da ist.
Auf der einen Seite wusste ich, dass ich jede Minute förmlich aufsaugen werde, die sich die Macher der Serie ausgedacht haben. Auf der anderen Seite war mir klar, dass es nicht noch einmal so sein konnte wie damals, als der Teenager Clay Jensen jenes mysteriöse Paket mit den sieben Tapes der Hannah Baker erhielt.
Recap: Die erste Staffel
Spulen wir nochmal kurz zurück: Ende März 2017 ging die Serie an den Start, in der es primär um Suizid ging. Genauer gesagt um den Suizid der Schülerin Hannah Baker. Kurz vor ihrem Tod nahm sie Tapes auf — sieben Kassetten mit 13 besprochenen Seiten. 13 Seiten, die für 13 Personen stehen, die jeweils einen Grund darstellen sollen, dass sich Hannah umgebracht hat.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wann mich das letzte Mal eine Serie so berührt hat. Es gibt so erstaunlich starke Serien auf den einschlägigen Plattformen und Sendern, die ich Staffel-weise verschlinge und abfeiere. Aber 13 Reasons why hat mit mir andere Dinge angestellt. Es hat mich an meine Schulzeit erinnert und mich darüber nachdenken lassen, welcher Mensch ich damals war und wie sich Schule für mich angefühlt hat.
Davon ab war es einfach sehr gut erzählt, mit herausragender Dramaturgie und sensationellem Soundtrack und vor allem mit wirklich starken Charakteren. Über allem schwebte dazu die wunderschöne, melancholische Hannah, die in den Folgen der ersten Staffel mal die gemobbte, zu Unrecht ins Aus manövrierte Person ist, mal aber auch einfach nur ein schrecklich witziges und liebenswertes Mädchen, welches einfach nur wie jeder andere Mensch versucht, heil durch die Teenager-Jahre zu kommen.
Schon mit Beginn der ersten Folge wissen wir jedoch, dass sie da nicht heil durchkommen wird. Ihr Tod überschattet alles und liegt selbst in den Rückblenden mit positiven Momenten über jeder Szene wie eine traurige, schwere Wolke aus grauer Zuckerwatte. Man kann gar nicht anders, als immer wieder daran zu denken, wie unnötig ihr Tod war. Am liebsten hätte ich die Australierin Katherine Langford, die die Hannah so eindrucksvoll verkörpert, angerufen — nur um sicherzugehen, dass es ihr tatsächlich gut geht und sie wirklich nur eine Rolle gespielt hat.
13 Episoden lang bin ich dieser Story gefolgt, habe die reichen, verwöhnten Kids verflucht, mit den anderen Teenagern gelitten, mich der Musik erfreut, habe auf ein alternatives Ende gehofft, bei dem Hannah irgendwie doch noch lebt und ja, ich hab nicht nur einmal geheult wie ein Kind. Und am Ende der ersten Staffel, die inhaltlich auch dem Ende der Roman-Vorlage von Jay Asher entspricht, war es dann im Grunde auch vorbei. Nichts wird mehr so sein, wie es mit Hannah war.
Aber da waren natürlich immer noch all die anderen interessanten Charaktere. Vorneweg natürlich Clay, von dem vermutlich so ziemlich jeder männliche Zuschauer davon ausgeht, dass er in seiner Schulzeit auch so eine Art Clay gewesen ist. Aber auch Alex, Jessica, Tyler, Tony, Justin und all die anderen Charaktere waren in diesen ersten 13 Folgen so spannend gezeichnet worden, dass man durchaus Interesse daran haben konnte, wie deren Leben weiter verlaufen.
Kleiner Exkurs: Risiken der Serie für gefährdete Menschen
Natürlich möchte ich nicht auf die aktuelle Staffel eingehen, ohne auch zu erwähnen, dass die Serie auch dieses mal wieder sehr kritisch beäugt wird. Immerhin werden die Themen Depression, Suizid, Mobbing, etc auch in Staffel 2 wieder und wieder thematisiert und es gibt Kritiker, die sich sorgen, dass gefährdete Menschen durch die Szenen getriggert werden könnten. Lest dazu auch meinen Kommentar aus der letzten Woche:
Natürlich haben die Macher diese Problematik im Blick und so wurden die Dreharbeiten auch dieses Jahr wieder durch viele Experten begleitet, die die Kids am Set betreuten und ein Auge drauf hatten, wie die Story umgesetzt wird. Zeitgleich mit der zweiten Staffel gibt es auch eine Dokumentation auf Netflix, bei der die Kids, die Köpfe hinter der Kamera und besagte Experten zu Wort kommen. Ich hab jedenfalls das Gefühl, dass man sich seiner großen Verantwortung bewusst ist.
Diese Serie ist für Jugendliche ab 16 Jahren gedacht, sie behandelt viele Themen wie Depressionen, sexuelle Gewalt und Selbstmord. Für jemanden, der mit diesen Problemen zu kämpfen hat, könnte diese Serie möglicherweise nicht geeignet sein oder sie sollte gemeinsam mit einer erwachsenen Vertrauensperson angesehen werden.
Vor besonders intensiven Folgen und jeweils am Ende jeder Folge wird darauf hingewiesen, dass man sich unter 13reasonswhy.info melden kann, wenn man selbst Probleme oder Fragen hat, selbst Mobbing- oder Vergewaltigungs-Opfer und/oder suizidgefährdet ist. Dort werden in jedem Land Anlaufstellen genannt, an die man sich wenden kann. Für Deutschland sind das die DGS und Jugend.Support:
Zudem werden bestimmte Themen auch nochmal in verschiedenen Clips angesprochen von den Darstellern der Serie.
Staffel 2: Polaroids statt Kassetten (Achtung, Spoiler!!)
Da sind wir wieder — also bei der Angst, von der ich eingangs schrieb und die mich dazu brachte, fast 900 Wörter meiner TV-Kritik zu schreiben, ohne bislang auch nur mit einem Satz wirklich auf die zweite Staffel einzugehen.
Wir haben die oben erwähnten spannenden Charaktere, wir haben eine immer noch tote Hannah Baker, noch ein paar ungeklärte Fragen und allen Bedenken zum Trotz das dringende Bedürfnis, wieder in die Welt der Liberty High School einzutauchen. Achtung: Wer ab hier weiter liest, wird damit leben müssen, dass ich einige Inhalte dessen verrate, was sich in Staffel 2 von 13 Reasons why ereignet.
Fünf Monate sind vergangen und die Schüler bereiten sich auf den Prozess vor, in welchem Hannahs Eltern für Gerechtigkeit sorgen möchten. Sie treten vor Gericht gegen Hannahs Schule an und wollen beweisen, dass dort eben nicht alles unternommen wurde, um ihr Leben zu retten. Direkt zu Beginn wird auch aufgelöst, was aus Alex geworden ist. Er wurde mit einer Schussverletzung ins Krankenhaus eingeliefert und in Staffel 2 erfahren wir, dass er sich selbst per Kopfschuss umbringen wollte, diesen Versuch jedoch schwer verletzt überlebte.
Die zweite Staffel ist auch die Geschichte von Alex, der — wie alle anderen Schüler — den Tod von Hannah mit sich herumschleppt inklusive einem gewissen Eigenanteil daran, darüber hinaus nun aber auch viele weitere Probleme zu bewältigen hat: Die schwere Reha-Zeit, in der er feststellen muss, dass sein Leben nun auch gesundheitlich ein ganz anderes ist als noch vor dem Selbstmordversuch.
Außerdem sehen wir auch Hannah wieder. Darüber hab ich mir zuvor schon Gedanken gemacht: Wie bindet man Hannah in die zweite Staffel ein? Neue Tapes auftauchen lassen, wäre ein bisschen schwach gewesen und die waren ja die Grundlage für die Rückblenden, in denen Hannah zu sehen war. Die Macher um Showrunner Brian Yorkey haben sich dafür etwas ausgedacht, bei dem ich zunächst erst einmal verstört die Hände überm Kopf zusammen geschlagen habe: Sie lassen Hannah als eine Art Geist erscheinen, der jedoch nur in Clays Fantasie existiert.
Auf diese Weise ist Hannah immer noch sehr oft präsent und hilft im Zwiegespräch mit Clay, Licht ins Dunkel zu bringen angesichts vieler offener Fragen. Apropos offene Fragen: Waren in der ersten Staffel die Tapes der rote Faden, sind es nun Polaroid-Fotos, die Clay zugespielt werden und die verschiedene Schüler in kompromittierenden Situationen zeigen. Logisch, dass Clay nicht nur den Dingen auf den Grund gehen möchte, die er auf den Bildern sieht, sondern gern auch wüsste, wer ihm diese Bilder zukommen lässt.
Ehrlich gesagt möchte ich jetzt nicht die gesamte Handlung für euch durchkauen, ist ja irgendwie auch nicht Sinn und Zweck der Geschichte hier. Einen Rest Spannung soll ich euch ja schließlich auch noch lassen 😉 Stattdessen möchte ich mehr auf die Herangehensweise eingehen und die Entwicklung sowohl der Story als auch der Charaktere.
Meiner Meinung nach hat sich das Team hinter 13 Reasons why (mit Produzentin Selena Gomez, die ursprünglich selbst für die Rolle der Hannah vorgesehen war) sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie man die Charaktere weiter entwickelt und dabei durchaus ein paar spannende Entscheidungen getroffen: So ist Justin plötzlich heroinabhängig und obdachlos, wird im Laufe der Staffel erst Teil einer Zweckgemeinschaft und schlussendlich sogar Clays Freund und nähert sich auch Jessica wieder an.
Für mich bleibt Tony einer der spannendsten Kerle in der Serie. Er spielt eben nicht den Klischee-Schwulen, sondern einen jungen Mann, der mit seiner Wut klar kommen muss, mit seiner Schuld und all den anderen Problemen — und zudem halt homosexuell ist. Ebenfalls auffällig ist die Entwicklung von Tyler, der in der ersten Staffel noch Stalker und Nerd in Personalunion war und mittlerweile zu einem waffenvernarrten Psycho mutiert, um den man sich ernsthaft sorgen muss.
Was aber auffällt an Staffel 2 und was für mein Empfinden dafür sorgt, dass wir es mit einigen Längen in den 13 Folgen zu tun bekommen: Die Erwachsenen spielen eine deutlich größere Rolle als in Staffel 1. Dort drehte sich alles um Hannah, die sieben Tapes und die betroffenen Schüler — jetzt hingegen finden wir uns sehr oft im Gerichtssaal wieder, wo das Geschehen von Anwälten, Richtern, Eltern und Lehrern dominiert wird.
Die Protagonisten aus Staffel 1 finden sich daher nacheinander allesamt auf der Zeugenbank des Gerichts wieder. Hier gibt es wieder die aus der ersten Season bekannten Rückblenden auf die Zeit, in der Hannah noch lebte. Dadurch, dass viele verschiedene Menschen nun ihre Version der Geschichte offenbaren, erleben wir auch manches mal eine ganz andere Hannah, als wir sie letztes Jahr kennen lernten.
Mag sein, dass das für viele ein spannendes Stilmittel ist, mich hat es ehrlich gesagt zunehmend mehr verunsichert. Wer war Hannah denn nun wirklich? Eher die Person, die sie selbst beschrieb? Oder eine Mischung aus dem, was alle anderen sagen? Es wird auch nicht leichter dadurch, dass die Autoren Hannah jetzt sogar eine waschechte Romanze angedichtet haben: Ja genau, sie war nämlich zwischen den vielen Tiefpunkten ihrer letzten Monate durchaus mal wirklich glücklich verliebt — in Zach. Ich persönlich finde das ein wenig problematisch, weil es für mich so unlogisch erscheint, dass diese Beziehung auf ihren Tapes nicht mit einer Silbe angesprochen wird.
Der Prozess zwischen den Bakers und der Leitung der Liberty High School mutiert derweil zunehmend mehr auch zu einer Konfrontation zwischen den Underdogs der Schule und den schönen Reichen, mit Bryce an deren Spitze. Bryce muss sich verstärkt mit Vergewaltigungs-Vorwürfen auseinandersetzen. An diesem Punkt ist 13 Reasons why fast so klischeehaft wie ein guter, alter John Hughes-Streifen aus den Achtzigern: Die vermeintlichen Außenseiter wollen es denen zeigen, denen alles in ihre verwöhnten Hintern geschoben wird. Allerdings mit dem Unterschied, dass sich „Tote Mädchen lügen nicht“ mit Happyends sehr vornehm zurückhält im Vergleich zu Hughes. Übrigens tut auch der Soundtrack sein übriges dazu, dass man hin und wieder an den leider zu früh verstorbenen John Hughes denken muss.
Wenn wir noch kurz bei dem Kopf hinter so genialen Filmen wie „The Breakfast Club“, „L.I.S.A. – der helle Wahnsinn“, „Ist sie nicht wunderbar“ oder „Pretty in Pink“ bleiben wollen, können wir noch kurz die letzte Folge ansprechen. Fast wie in einem Hughes-Film findet hier nämlich auch ein Schulball statt, der das Potenzial hat, einen bittersüßen Schlussstrich zu ziehen, inklusive der herzzerreißenden Szene, als ihr gemeinsamer Song (also der von Clay und Hannah) gespielt wird, zu dem sie bereits im Jahr davor tanzten. Falls einer fragt: Nein, ich kann den Song immer noch nicht anhören, ohne wieder Tränen in den Augen zu haben.
Aber alles andere wird plötzlich unwichtig, als nämlich klar wird, dass Tyler sich diesen Ball für seine große Rache ausgewählt hat. Zuvor hatte man kurze Zeit das Gefühl, dass man ihn wieder einfangen konnte und aus einer potenziell gefährlichen bzw. gefährdeten Person wieder einen normalen Schüler formt.
Dann jedoch muss auch er feststellen, wie schwierig es mitunter ist, nicht mit dem Strom zu schwimmen und sich nicht blind den Rich Kids um Bryce auszuliefern. In einer sehr brutalen Szene wird er in der Umkleide zusammengeschlagen und auch sexuell missbraucht. Danach reift in ihm der Entschluss, es allen heimzuzahlen.
Im Detail möchte ich die Szene nicht auflösen, will aber zumindest erklären, dass die dreizehnte und letzte Folge der Staffel so ausgeht, dass es quasi schon die Ankündigung für eine 3. Staffel mitliefert. Ja genau — 13 Reasons why geht erneut mit einem Cliffhanger zu Ende und wir dürfen uns jetzt fragen,
- wann die dritte Staffel offiziell angekündigt wird und
- wie man die Geschichte der Jugendlichen weitererzählen möchte.
Fazit: Deutlich schwächer als die erste Staffel, aber immer noch sehr wichtig
Kommen wir also jetzt abschließend zu meiner Bewertung und die möchte ich beginnen mit einem Berg von Kritikpunkten. Der erste Punkt ist direkt mal, dass es überhaupt weiter ging. Manchmal ist es für mein Empfinden besser, etwas einfach so zu lassen, wie es ist. Ja, es gab noch Fragen nach Staffel 1, aber die Geschichte des so sinnlos gestorbenen Mädchens war im Grunde großartig erzählt worden.
Die Fortsetzung wirkt daher ein wenig bemüht und wie bereits erwähnt hat sie auch im Gegensatz zu Staffel 1 ihre Längen. Das hängt damit zusammen, dass Staffel 2 sich fast als lupenreines Gerichts-Drama entpuppt. Natürlich ist es wichtig zu sehen, dass Hannahs Eltern schwer unter ihrem Tod leiden bzw. wie generell die Eltern der verschiedenen Protagonisten ihre Schwierigkeiten mit ihrem Nachwuchs haben.
Aber für mein Empfinden verliert die Geschichte dadurch ein wenig seinen Zauber, dass Hannahs Tapes nun für jedermann hörbar sind und durch widersprüchliche Erzählungen auch Hannahs Bild für viele zerstört wird.
Ein weiterer Kritikpunkt: Clay ist immer noch unsterblich in Hannah verliebt und kommt über ihren Tod nicht hinweg, führt aber eine Beziehung mit der ebenfalls labilen Skye. Ja, natürlich passieren auch im wirklichen Leben solche Dinge, dass ein Mensch aus Deinem Leben verschwindet und Du zu schnell versuchst, die Lücke durch jemand anders zu schließen. In diesem konkreten Fall wirkt es aber auf mich falsch, gerade weil er noch so sehr an Hannah hängt, dass sie ihm sogar noch regelmäßig erscheint.
Das ist dann der nächste Punkt, der mir eigentlich nicht so gut gefällt: Muss man aus dieser wichtigen Geschichte eine Esoterik-Nummer machen, nur um Katherine Langford mit ausreichend Screentime beglücken zu können? Für mein Empfinden hätte man noch massig Rückblenden zeigen können, die ebenfalls dazu geführt hätten, dass Hannah immer noch Teil der Geschichte ist. Aber so als Quasi-Geist, der zum Schluss dann auch tatsächlich noch durch eine Pforte ins Licht marschiert? Nee, das ist mir irgendwie zu viel.
All das in Summe führt dazu, dass vieles von dem Zauber der ersten Staffel verloren gegangen ist. Empfehle ich euch trotzdem, auch die zweite Staffel zu sehen? Ja, unbedingt! Auch, wenn es manchmal wirkt, als wäre der Serie ein Buzzword-Bingo vorausgegangen und man sich an Begriffen wie Suizid, Depression, Mobbing, Mass-Shooting usw entlang hangelt: 13 Reasons why spricht diese Dinge an. Sie werden weiterhin ohne viel Rücksicht auf zarte Gemüter angesprochen und ich denke, dass das genau richtig ist.
Wie weiter oben bereits erwähnt, zeigen sich die Köpfe hinter der Serie sehr bemüht, begleitend zur zweiten Staffel dafür zu sorgen, dass sich vermeintlich gefährdete Personen die Folgen gar nicht erst anschauen und andererseits jeden anderen für diese Themen sensibilisieren möchten. Der beste Beweis für die Dringlichkeit, über all das zu sprechen, ist ja wohl die Tatsache, dass es pünktlich zum Start der zweiten Staffel am 18. Mai in den USA auch tatsächlich wieder so ein Mass-Shooting an einer Schule mit Todesopfern gab.
Ich finde die Idee klasse, eine solche Serie mit seinen Heranwachsenden zusammen zu betrachten und zu besprechen. Ich finde es wichtig, all diese Themen in die Welt zu schreien, weil es immer mehr Menschen gibt, die mit dem Gefühl leben, dass ihre Probleme sie erdrücken und sie die einzigen sind, die sich damit herumschlagen. Ich mag es, dass in der Serie ein Vertrauenslehrer zu sehen ist, der sich einen kapitalen Bock geschossen hat, obwohl er seiner Arbeit mit besten Absichten nachgeht. Auch wir Erwachsenen versuchen nämlich, irgendwie durch den Tag zu kommen und richtige Entscheidungen zu treffen und ja — auch wir Erwachsenen greifen dabei manchmal gehörig daneben, manches mal leider auch mit schlimmen Konsequenzen.
Daher ist es richtig, all diese Dinge aufzuzeigen. 13 Reasons why wirkt in der zweiten Staffel manches mal auf mich ein wenig zu belehrend und zu sehr mit erhobenem Zeigefinger. Das ist eher schlecht für jemanden, der einfach nur auf eine gut erzählte Geschichte hofft. Aber ich glaube, dass man diese Serie als etwas anderes betrachten muss: Eher als etwas, das eine Lücke zwischen Fiktion und Dokumentation schließt und diese so wichtige Themen so aufbereitet, dass die Kids auch wirklich Bock haben, es sich anzuschauen.
Würde ich der ersten Staffel fünf von fünf Sternen verpassen, so muss ich für die zweite Staffel mit vier Sternen ein wenig niedriger ansetzen. Es ist eine konsequent weiter erzählte Story, bei der ich mit einigen Stilmitteln nicht ganz einverstanden bin, die im großen und ganzen aber sowohl die Fans als auch Betroffene bedient und sich nebenher seiner Verantwortung absolut bewusst ist. Es lohnt also absolut, auch als Fan der ersten 13 Episoden am Ball zu bleiben und hätte ich ein Kind im Teenager-Alter — ich würde mir mit ihm zusammen 13 Reasons why anschauen.
Die Konsequenz, mit der wichtige Themen angegeben werden, die stark geformten Charaktere und erneut ein toller Soundtrack sorgen dafür, dass ich auch für die zweite Staffel trotz verschiedener Schwächen den Daumen nach oben gebe. Es ist für mich jetzt eine Art Hassliebe: Hier und da passt es einfach nicht, aber man muss dennoch bis zum Ende ausharren und weiterschauen.
Habt ihr das Gefühl, dass euer Leben ausweglos ist und plagen euch vielleicht sogar suizidale Gedanken? Schnappt euch jemanden zum Reden! Vertraut euch Freunden oder Familie an – eine Situation ist niemals so bedrohlich, dass sich nicht ein deutlich besserer Weg findet als ein Selbstmord. Also – seid laut!
Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und für jedermann 24/7 erreichbar unter den Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222. Diese Telefonate tauchen übrigens weder im Einzelverbindungsnachweis noch auf der Telefonrechnung auf. Alternativ erreicht ihr die Seelsorge auch nach einer kurzen Anmeldung im Chat oder per Mail!