Deutschland, einst der leuchtende Stern am europäischen Wirtschaftshimmel, sieht sich mit Herausforderungen konfrontiert, die das Land nicht gerade zu einem idealen Wirtschaftsstandort machen. Die betroffenen Unternehmen sprechen inzwischen Klartext – oder ziehen Konsequenzen. Doch welches Bild zeichnet sich in Deutschland derzeit ab und was wären Ansätze, um die aktuelle Situation zu verbessern?
BASF, der größte Chemiekonzern der Welt, beklagte Anfang des Jahres mit deutlichen Worten die Bürokratie in Deutschland und kündigte in diesem Zusammenhang an, Unternehmensteile ins Ausland zu verlagern. Der deutsche Mittelständler Viessmann verkauft einen wichtigen Geschäftsbereich an einen US-Investor.
Und rund zwei Drittel der deutschen Familienunternehmen sagen, dass der Standort Deutschland mangelhaft oder ungenügend sei. Die Situation für Unternehmen in Deutschland ist gravierend ungünstig. Es ist dabei gar nicht so einfach, einen Bereich zu finden, in dem Unternehmen nicht mit zum Teil gravierenden Herausforderungen konfrontiert sind. Doch woran liegt das?
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Wirtschaftsstandort Deutschland: Bürokratie, Steuern und Regulierungen
Das bürokratische Labyrinth schreckt Unternehmen zum Beispiel ab. Man stelle sich vor, man will ein Unternehmen gründen und sieht sich mit neun verschiedenen Verfahren konfrontiert, die bis zu zehn Tage dauern können. Wenn man das mit fünf Tagen in Frankreich oder Dänemark vergleicht – von Estland mit circa drei Tagen ganz zu schweigen – wird das sehr Problem sehr schnell deutlich.
Und dabei geht es nicht nur um den Zeitaufwand, den man aufbringen muss, sondern auch um die mentale und finanzielle Belastung, die für Gründer:innen damit verbunden ist. Doch die Herausforderungen beginnen jetzt erst. Denn die steuerliche Belastung von Unternehmen in Deutschland ist hoch.
Rechnet man Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer zusammen, kommt man auf eine Quote von insgesamt rund 30 Prozent. Das steht in starkem Kontrast zu vielen europäischen Nachbarländern und stellt einen erheblichen Wettbewerbsnachteil in Europa, aber auch im Vergleich zu anderen, oft zitierten Ländern wie den USA oder China dar.
Wettbewerbsnachteil gegenüber China, USA und dem Rest von Europa
Hinzu kommt, dass das deutsche Arbeitsrecht zwar grundsätzlich mit seinen Regelungen lobenswert ist, weil es die Rechte der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt stellt (was natürlich nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes von Vorteil ist), aber auch eine Kehrseite hat – in erster Linie für die Unternehmen, langfristig aber auch für die Arbeitnehmer.
Die Starrheit, die sich aus diesen Gesetzen in Verbindung mit den Herausforderungen des Tarifverhandlungssystems ergibt, schränkt die Flexibilität der Unternehmen ein. Die Unternehmen planen daher mit möglichst wenig Personal (natürlich soweit dies möglich ist). Das hat zur Folge, dass sie zögern, neue Mitarbeiter einzustellen – was wiederum für die Arbeitnehmer bedeutet, dass es trotz des Fachkräftemangels schwierig ist, Arbeitsplätze zu finden.
Projekt „Energiewende“ und digitale Transformation
Und dann wäre da noch die Energiewende, das derzeit wohl ehrgeizigste Projekt Deutschlands. Der Umstieg von Atom- und Kohlekraft auf erneuerbare Energien ist zwar grundsätzlich lobenswert, insbesondere die Vorreiterrolle Deutschlands in diesem Bereich.
Durch die überstürzte Einführung ohne Rücksicht auf etablierte unternehmerische Prozesse und die Folgen für Preise und Preisstrukturen hat das jedoch zu einem sprunghaften Anstieg der Energiepreise geführt, der insbesondere die energieintensiven Industrien trifft, letztendlich aber alle Unternehmen in der einen oder anderen Weise betrifft.
Und schließlich ist der Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung für ein Land, das als Leuchtturm für Technologie und Innovation gilt, gelinde gesagt „erstaunlich“. Ich erlebe das etwa immer wieder in Diskussionen mit meinen Studierenden, wenn sie von ihren Erfahrungen im „digitalen Deutschland“ berichten, etwa bei der Registrierung eines Wohnsitzes oder der Eröffnung eines Bankkontos.
Die unterentwickelte digitale Infrastruktur, die sich durch langsame Breitbandgeschwindigkeiten, mangelnde Investitionen in digitale Technologien und fehlendes Know-how auszeichnet, stellt sowohl für Start-ups als auch für etablierte Unternehmen einen erheblichen Engpass dar.
Wirtschaftsstandort Deutschland: Ist Rettung möglich?
Vor diesem Hintergrund stellt sich die dringende Frage: Was kann getan werden, um die Situation zu verbessern? Gibt es einen Ausweg aus der Misere? Kann Deutschland die Wende schaffen und seine Position als unternehmerischer Leuchtturm in Europa zurückerobern? Meine Meinung ist: Ja!
Deutschlands Stärke war schon immer seine Anpassungs- und Innovationsfähigkeit – und hier zähle ich insbesondere auf den deutschen Mittelstand. Deutschland muss aber einen mehrgleisigen Ansatz verfolgen, um die oben genannten Herausforderungen zu meistern.
Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen
Erstens: Bürokratie muss abgebaut werden. Eine einheitliche Plattform für die Gewerbeanmeldung, sozusagen ein „One-Stop-Shop“, könnte dabei enorm helfen. Das würde nicht nur die Gründungszeiten verkürzen, sondern auch die psychische und finanzielle Belastung der (jungen) Unternehmen und Unternehmer:innen verringern.
Bei der Besteuerung sollte Deutschland über den Tellerrand schauen und endlich mit innovativen Konzepten aufwarten. Wie wäre es mit einem „Existenzgründer-Freibetrag“? Man könnte sich das so vorstellen, dass neue Unternehmen in den ersten Jahren von bestimmten Steuern befreit werden.
Das würde nicht nur Anreize für Unternehmensgründungen schaffen, sondern den neu gegründeten Unternehmen auch ein dringend benötigtes finanzielles Polster verschaffen. Das Arbeitsrecht in Verbindung mit dem Sozialversicherungsrecht könnte mehr Flexibilität vertragen.
Ein abgestuftes System könnte die Antwort sein, das kleineren Unternehmen im Rahmen ihres Wachstums in mehreren Schritte Spielräume bei Einstellungen und Entlassungen gibt und ihnen Erleichterungen bei den Beiträgen zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung einräumt, damit sie flexibler auf die Dynamik des Marktes reagieren können.
Verbesserung der hausgemachten Kostensituation und der Infrastruktur
Auch die hohen Energiekosten als Nebenprodukt der Energiewende müssen angegangen werden. Eine Lösung könnten beispielsweise Energiegutscheine sein. Natürlich wäre dies einerseits eine „Einladung“ für neue Regulierungen, und es ist andererseits fraglich, ob die Idee, ein „staatlich gemachtes“ Problem mit einem anderen „staatlich gemachten“ Mittel zu lindern, die Ursache beseitigt.
Zumindest würde es aber eine schnelle Hilfe schaffen, um die hausgemachten Probleme abzumildern. Was die digitale Infrastruktur betrifft, so bedarf diese einer massiven Überholung, nicht nur im Bereich der Technik, sondern auch im Bereich der Einstellung der Menschen zur Digitalisierung. Das braucht Zeit und insbesondere entsprechende Bildungsangebote.
Abzuwarten macht aber keinen Sinn. Deshalb sollte Deutschland in der Zwischenzeit in Ballungsräumen eine Art „Digitale Sonderzonen“ einrichten. Ausgestattet mit ultraschnellen Breitbandverbindungen und digitalen Spitzentechnologien könnten diese Zonen als „Innovationszentren“ dienen.
Kombiniert mit einem Ansatz der „kleinen Bürokratie“ würde dies Anreize für Unternehmen schaffen, sich dort anzusiedeln – und dies wäre nicht nur eine Einladung für deutsche, sondern auch für Unternehmen aus dem Ausland. Darüber hinaus würde es den Wettbewerb zwischen den Städten anfeuern.
Verbesserungen bei den Finanzmitteln und dem Mindset
Da Finanzierung das Lebenselixier eines jeden Unternehmens ist, sollte Deutschland mehr tun, um sein Finanzökosystem zu diversifizieren und zu stärken. Die Förderung von Risikokapital und Crowdfunding wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Zwar hat Deutschland in diesem Bereich gerade neue Regelungen eingeführt.
Dennoch sind weitere Erleichterungen und Vereinfachungen notwendig. Vor allem ist zu bedenken, dass die klassische Bankfinanzierung zwar für deutsche Unternehmen in der Regel unverzichtbar ist, aber beispielsweise für Start-ups mit innovativen und manchmal riskanten Ideen nicht immer die beste Lösung darstellt. Hier bedarf es innovativer Ansätze, die dabei aber – und das ist entscheidend – leicht und unkompliziert umsetzbar sind.
Wirtschaftsstandort Deutschland: Abschließende Worte
Schließlich sind die zukünftigen Entrepreneur:innen die Grundlage eines jeden Wirtschaftssystems. Deutschland sollte daher über die Einführung von „Entrepreneurship Education“ in Schulen nachdenken. Dies würde nicht nur die Voraussetzungen für mehr zukünftige Unternehmer:innen schaffen, sondern auch sicherstellen, dass die nächste Generation mit den richtigen Fähigkeiten und Einstellungen ausgestattet wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Deutschland, auch wenn die Handlungsfelder mannigfaltig und die Herausforderungen groß erscheinen, mit einer Mischung aus Nutzen der etablierten Stärken, kombiniert mit unkonventionellen Lösungen das Zeug dazu hat, in Europa mit Blick auf das Unternehmertum wieder zu glänzen. Es braucht aber mehr Mut und Risikobereitschaft – und die Kraft, endlich die bisher verkrusteten Strukturen aufzubrechen.
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