In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Mygreentop.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Mygreentop aus Plettenberg.
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Mygreentop: Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz fürs Hausdach
Gut, bei dem Markennamen Mygreentop könnte man jetzt ganz wertfrei auf die Idee kommen, dass es sich um ein ökologisches Label für ärmellose, sommerliche Oberbekleidung handelt. Auch super. Aber an Textilien im „Turnhemden“-Stil haben die Gründer von Mygreentop, wie wir gleich sehen werden, sicher nicht gedacht.
Obwohl sie ein ganz ähnliches Ziel verfolgen. Denn bei ihrem Produkt geht es, wie das Attribut „green“ im Namen schon erahnen lässt, zuvorderst um Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz – die Topthemen unserer Zeit also. Aber halt nicht in Form von nachhaltig hergestellten textilen Tops für Frau und Mann, sondern vielmehr in Gestalt begrünter Hausdächer.
Wer steckt hinter Mygreentop?
Um mal aus dem Assoziations-Loop auszubrechen: Kunststofftechnik. Was das mit nachhaltiger Dachbegrünung zu tun hat? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, schadet es nicht, wenn man zum Beispiel … Kunststofftechnik-Experte ist. So, wie Dirk Kieslich, neben Steffen Reeder und Oliver Stolzenberg einer der drei Mitgründer von Mygreentop.
Kieslich verfügt über 35 Jahre Kunststofftechnik-Erfahrung aus der Automobilindustrie. Er weiß also, wovon er redet, und ist zweifellos auch das Mastermind hinter dem Dachziegelersatz-System Complete.
Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff
Dabei ist Kunststoff nicht gleich Kunststoff, wie wir aus Kieslichs Mygreentop-Bog erfahren. Denn es gibt unzählige Kunststofftypen, die sich alle durch ganz verschiedene physikalische Eigenschaften auszeichnen.
Diese lassen sich auf ihren jeweiligen Einsatzzweck hin präzise abstimmen, so dass am Ende ein maßgeschneiderter Materialmix entsteht, der etwa mechanische Festigkeit, Zähigkeit, Temperaturbeständigkeit oder chemische Resistenz in sich vereint. Entscheidende Eigenschaften auch für den jahrzehntelangen Einsatz auf dem Dach. Und diese Material-Know-how wusste Kunststofftechniker Kieslich auch beim Complete-Aufdachpflanzsystem zu nutzen.
Alleinstellungsmerkmal: Begrünung auch extremen Dachneigungen
Der Kniff dabei: Das System gleicht vom Profil her der sogenannten Frankfurter Dachpfanne, die wohl am meisten verwendete Dachziegel Deutschlands. Das heißt: Das aus Kunststoff bestehende System ist also auch mit ihr kompatibel.
Teil der Aufdachbepflanzung ist außerdem ein zusätzliches Behälter-Modul, in dem das Grün seinen Platz findet. Mit diesem System lassen sich demzufolge auch Schrägdächer von 20 bis maximal 60 Grad Neigung begrünen – ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.
Nicht ein µ an Mikroplastik und nach drei Jahren CO2 neutral
Weiterer Pluspunkt: Die Kunststoffkomponenten bestehen aus 100 Prozent Recyclat. Sie geben nicht einmal ein µ an Mikroplastik frei, sind physiologisch absolut unbedenklich und von daher wesentlich umweltfreundlicher bzw. nachhaltiger als klassische Materialien, die, wie zum Beispiel Ton, fossil abgebaut werden, also nicht nachwachsen.
Und: Der durch Material, Produktion und Distribution entstandene CO2-Fußabdruck, das werden wir gleich noch sehen, ist im Vergleich zur konventionellen Dachziegel um Längen geringer, sodass er sich bereits nach gut drei Jahren Jahren gänzlich ausgleicht. Ab diesem Punkt ist die Kunststoff-Pfanne de facto CO2-neutral.
Studien, die auf validierte Daten renommierter Umweltorganisationen und Materialforschungsinstitute zurückgreifen, bestätigen: Die Herstellung eines Dachziegels (Gewicht ca. vier Kilogramm) erfordert einen vielfach höheren Energieeintrag als die Produktion einer Mygreentop-Pflanzpfanne (Gewicht circa 1,5 kg).
Das Mygreentop-System spart gegenüber einer konventionellen Ziegel-Dachpfanne unter dem Strich zwei Drittel an CO2 ein. Und das macht sich insbesondere in der Herstellung bemerkbar. Dort verursacht das Mygreentop-Produkt mit 50 kg je 1.000 kg Material um das fast 60-fache weniger CO2 als die herkömmliche Dachziegel mit knapp 2.900 kg je 1.000 kg.
Mygreentop: Dachbegrünung als CO2-Killer
Für die volle Nachhaltigkeitspower sorgt aber erst die Dachbegrünung. Hier bietet Mygreentop mit der Standard-Begrünung, dem Mix-Spezial und der Gärtnerqualität drei Modelle an, die sich durch unterschiedliche Biodiversität auszeichnen. So enthält das Standard-Modell vier verschieden Pflanzen-Arten, Mix-Spezial acht, die Gärtnerqualität dagegen 18. Die Preise für die Begrünung starten bei 79 Euro pro Quatratmeter.
Angebracht wird die Begrünung auf dem Complete-Behälter-Modul, das fest auf der Pfanne sitzt. Das System ist nahezu komplett begrünt und hält schädigendes UV-Licht fast vollständig ab. Und es bietet auf Schrägdächern ebenso wie ein konventioneller Dachstein Schutz vor Regen, Sturm und Hagel.
Das System wird fertig bepflanzt angeliefert. Der Dachdecker kann sofort mit dem Verlegen starten kann. Die Begrünung besteht durchweg aus den verschiedensten Sedum-Arten. Diese sogenannte Dickblattgewächse zeichnen sich durch eine extreme Widerstandsfähigkeit aus, sind absolut frostfest und grünen über das gesamte Jahr hinweg.
Entscheidend aber ist: Wird das im Complete-System verpflanzte Sedum über die Fläche eines gesamten Dachstuhls hinweg verlegt, bieten Mygreentop-Gründächer – ähnlich einer grünen Wiese – einen zusätzlichen Lebensraum für verschiedene Pflanzen-, Insekten- beziehungsweise auch Nutztierarten.
Dazu zählen etwa Biene und Hummel, denen im Lebenszyklus der Natur angesichts der zunehmenden Flächenverdichtung und des Klimawandels mittlerweile eine existentielle Bedeutung zukommt. Auf diese Weise leisten Gründächer in vielerlei Hinsicht einen zentralen Beitrag zur Wiederherstellung des vor allem in urbanen Gebieten gestörten ökologischen Gleichgewichts.
Die vier wichtigsten Argumente für eine Dachbegrünung
- Grünpflanzen betreiben Photosynthese. Sie sind also in der Lage, das in der Luft vorhandene CO2 unter anderem in Sauerstoff umzubauen. Würde man alle in Deutschland geeigneten Dachflächen mit Mygreentop begrünen, könnte man 8,5 Mio. Tonnen CO2 unter anderem in Sauerstoff transformieren und könnte den CO2-Gehalt in der Atemluft dadurch um 9,775 Mio. Tonnen reduzieren. Starken Zahlen, welche die Bedeutung dieser „grünen Lungen“ unterstreichen.
- Eine Dachbegrünung erfüllt gleichzeitig eine Staubsaugerfunktion. Pflanzen binden etwa Feinstaub, Smog oder Schwermetalle aus der Atmosphäre und erzielen dadurch einen reinigenden Effekt, der sich unmittelbar auf die Qualität der Atemluft und die Gesundheit der Menschen auswirkt.
- Begrünte Dächer bieten erhöhten Schallschutz. Dabei sorgen die Pflanzen selbst für eine gute Schallabsorption, die durch entsprechende Vegetationsmasse und -struktur verstärkt werden kann.
- Eine Dachbegrünung erfüllt eine natürlich Klimaanlagen-Funktion. Sie dient einerseits als Wärmedämmung, fungiert im Sommer aber auch als Hitzeschutz und bietet auf diese Wiese signifikante Einsparpotentiale. Gerade in Städten liegt die Temperatur während des Sommers gut und gerne fünf bis sieben Grad höher als auf dem Land. Anstatt Städte jedoch weiter ohne Strategie zu verdichten und aufzuheizen, lassen mehr Grünflächen – zum Beispiel auf Hausdächern – die Temperatur wieder sinken. Denn die Verdunstung des gespeicherten Regenwassers trägt zusätzlich zur Kühlung und Luftbefeuchtung bei.
Fazit: Mygreentop
Dirk Kieslichs Idee, die Dachbegrünung durch eine widerstandsfähige und langlebige Kunststoff-Pfanne für Schrägdächer mit Neigungswinkeln bis zu 60 Grad zu revolutionieren, ist weit mehr als nur pfiffig. Gerade in Städten, aber auch angesichts des Klimawandels müssten grüne Dächer eigentlich zu Verpflichtung werden.
Das gilt ganz besonders für den staatlichen beziehungsweise städtischen Wohnungsbau. Denn gerade dort können sie einen überaus wertvollen Beitrag zur Erhaltung unseres Lebensraumes leisten, weil sie die Biodiversität erhöhen, in der heißen Jahreszeit Verdunstungskälte erzeugen, welche die Temperatur in der Umgebung senkt, durch Photosynthese die Atemluft reinigen und im Winter zusätzlich dämmen.
Andererseits trifft diese Idee gerade auf einen rezessiven Markt. Bauen ist, nicht nur dank hoher Zinsen, teuer geworden. Hinzu kommen steigende Kosten und preissensible Verbraucher. Das mindert auch die Entscheidungsfreude privater Bauherren. Kurz gesagt: Verbraucher überlegen sich ganz genau, für was sie ihr Geld ausgeben.
Umweltschutz muss man sich leisten können
Denn Umweltschutz muss man sich leisten können. Gerade Hauseigentümer sehen sich hier mit dem „Heizungsgesetz“ vor substanzielle Herausforderungen gestellt, die bei strapazierten Privat-Budgets mit dem Mygreentop-Produkt in unmittelbarerem Konkurrenz stehen.
Dass Mygreentop unter diesen Voraussetzungen für ein begrüntes Dach einen dreimal höheren Preis pro Quadratmeter aufruft als ein konventionell gedecktes Dach, sorgt im Geldbeutel keineswegs für Entspannung.
Allerdings lassen sich die Mehrkosten durch verschiedene Fördermöglichkeiten (zum Beispiel KfW) mindern. Dazu addieren sich etwa eine Halbierung der Regenwassereinleitungsgebühren, signifikante Heizkostenersparnisse durch die verbesserte Dämmung oder die Vorteile der energielose Kühlung im Sommer.
Das genau gilt es an die zweifellos großen Gruppe an Interessenten zu kommunizieren. Denn ein Dach kostet heute gut und gerne mehrere zehntausend Euro. Wie auch eine neue gesetzeskonforme Heizung. Für was entscheiden sich Hauseigentümer vor diesem Hintergrund? Hier muss Mygreentop all seine Marketing-Power aufbringen, um sein durchweg überzeugendes Produkt erfolgreich zu vermarkten und die bis dato mit Complete ausgestattete Dachfläche von insgesamt gut 1.000 Quadratmetern weiter zu steigern. Die Chancen dafür sehe ich als durchaus gut.
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