Wie wächst man als Start-up zu einem Millionen-Unternehmen? Wir haben mit Mymuesli-Gründer Philipp Kraiss und CEO Henrik Haenecke darüber gesprochen, wie sie durch Unternehmenskrisen navigieren und welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit für das Unternehmen spielt. Ein Interview.
Müsli über das Internet verschicken: Das war im Jahr 2007 die Geschäftsidee von Philipp Kraiss, Max Wittrock und Hubertus Bessau. Herausgekommen ist Mymuesli. Was in der Damligen Passauer WG der drei Wirtschaftsstudenten begann, wuchs in den vergangenen 16 Jahren zu einem Millionenunternehmen.
Denn das Start-up wurde zum Grown-up – und das in Zeiten der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs und der aktuellen Wirtschaftskrise. Wie man als Unternehmen auf schnelle Veränderungen reagiert, wie man Gründer-Werte bewahrt und wie Mymuesli das Thema Nachhaltigkeit kommuniziert– darüber haben wir mit Gründer Philipp Kraiss und Neu-CEO Henrik Haenecke gesprochen.
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Mymuesli: So ging das Start-up mit der Corona-Pandemie um
BASIC thinking: Hallo Philipp, hallo Henrik, seit der Gründung von Mymuesli habt ihr unter anderem eine globale Pandemie überstanden. Wie habt ihr es geschafft, zu dem Unternehmen zu werden, das ihr heute seid?
Philipp Kraiss: Seit der Gründung ist das Unternehmen sehr schnell gewachsen und wir hatten alle nicht so wirklich viel Ahnung von dem, was wir getan haben. Wir hatten noch nie ein Unternehmen geführt, wir hatten keine großen Erfahrungen gesammelt und wir hatten auch keine Ahnung von Lebensmitteln.
Deswegen mussten wir uns alles immer selbst beibringen und sind da sehr agil vorgegangen. Und das haben wir auch die ganzen Jahre beibehalten, haben verschiedene Organisationsformen ausprobiert, waren sehr neugierig, sehr offen.
Wir haben immer erst mal etwas getestet und geschaut, wie es so funktioniert. Sobald wir ein Feedback vom Markt hatten, sind wir dann relativ schnell in die Richtung gelaufen. Manchmal hat das geklappt, manchmal nicht.
Als dann Corona kam, waren wir auch wieder sehr schnell unterwegs. Noch vor dem Lockdown hatten wir schon alle Mitarbeiter:innen ins Homeoffice geschickt. Wir waren bereits sehr remote unterwegs, deshalb saßen innerhalb von 24 Stunden alle zu Hause und wir konnten normal weiterarbeiten.
Mymuesli schließt alle Läden
Was war die größte Herausforderung dabei?
Philipp: Die größte Herausforderung war die krasse Verschiebung des Geschäftsmodells von heute auf morgen. Im Lockdown gingen die Online-Bestellungen quasi durch die Decke. Wir hatten über Nacht ein Volumen, was 30, 40, 50 Prozent höher war als in den Vorjahresmonaten.
Auf der anderen Seite ist offline gar nichts mehr passiert. Zwar haben die Menschen im Handel schon noch Müsli gekauft, aber die Innenstädte waren tot. Wir hatten damals 26 eigene Läden, die von heute auf morgen einfach nicht mehr funktionierten, weil sie alle in den Innenstädten lagen. Da war einfach niemand mehr unterwegs.
Vorher hatten wir etwa 2.000 Euro Tagesumsatz, plötzlich waren es nur noch 25 Euro. Da hat es einfach keinen Sinn mehr ergeben, die Läden offen zu halten. Also haben wir die Läden geschlossen, die Mitarbeitenden sind in Kurzarbeit gegangen und wir haben einfach abgewartet, was passiert.
Allerdings haben wir relativ schnell gemerkt: Das wird nicht wieder so, wie es einmal war. Das Einkaufsverhalten und die Gewohnheiten haben sich massiv verändert, die Leute kaufen viel mehr online, sie gehen nicht mehr so viel in die Fußgängerzonen.
Also habt ihr euch entschieden, die Läden zu schließen.
Philipp: Ja, und das haben wir bis heute konsequent durchgezogen – wir haben jetzt noch vier Läden. Die werden in den nächsten Monaten schließen.
Insgesamt seid ihr aber gut durch die Pandemie gekommen?
Philipp: Das war bei uns einfach ein schneller Wechsel des Geschäftsmodells. Durch die veränderten Anforderungen haben wir das Kundenverhalten beobachtet und analysiert und dann sehr schnell entschieden, uns in die Richtung der Kund:innen auszurichten.
Das hatten wir von Anfang an so gelebt und auch propagiert. Und das hat uns während Corona deutlich geholfen, den Wegfall des Offline-Geschäfts zu kompensieren. Das hat ganz gut funktioniert, bis dann der Krieg in der Ukraine kam.
Von der Inflation und den steigenden Rohstoffpreisen ganz zu schweigen. Woher kommt das Wissen, auf dem eure Entscheidungen basiert? Holt ihr euch externe Hilfe?
Philipp: Im Fall der Pandemie kannten wir niemanden, der uns den richtigen Ratschlag hätte geben können. Wir waren einfach übervorsichtig und haben lieber alle schnell nach Hause geschickt. Aber grundsätzlich gilt: Wenn schwierige Entscheidungen anstehen, von denen wir glauben, dass es Expert:innen gibt, dann befragen wir die auch und holen uns externe Hilfe.
Ansonsten bleiben wir gern bei unserem Gründer-Geist, probieren Sachen einfach aus, wenn sie nicht existenzgefährdend sind. Auf diese Art und Weise hat das auch immer sehr gut funktioniert.
Mymuesli: Vom WG-Office zum Millionen-Unternehmen
Also habt ihr euren Spirit aus der WG-Küche beibehalten und managt die Situationen, wie sie auf euch zukommen?
Philipp: Mit der Zeit lernt man aber auch, was man vielleicht nicht unbedingt aus der WG-Küche beibehalten sollte. Das ist genau das Spannende bei so einer Unternehmenstransformation. Wenn man erwachsen wird, dann muss man manche Sachen auch irgendwann ablegen. Da ist es dann wichtig, das richtige Maß zu finden.
Hast du dafür ein Beispiel?
Philipp: Wir haben anfangs immer alles selber gemacht, also die Seite und das Backend programmiert, Steuererklärung, Zahlungsabgleiche, Marketing, Kundengespräche und Support sowie Produktion. Da waren wir zu dritt. Wir haben danach immer eher so Brandlösch-mäßig Menschen eingestellt – immer da, wo wir den größten Bedarf hatten, waren dabei eher opportunistisch unterwegs. Weniger vorausschauend. Meinen Leitsatz: „Alles selber machen.“,würde ich heute revidieren.
Das Problem war, dass wir kein Venture Capital hatten. Wir mussten mit dem, was wir einnahmen, irgendwie profitabel arbeiten. Deswegen hatten wir auch nicht das große Kapital, gezielt einzustellen und Strukturen bewusst aufzubauen. Wir mussten erst mal Geld verdienen und dann wieder investieren, um Bereiche auszubauen, Investments zu machen, Maschinen zu kaufen.
Wir haben im Nachhinein den Fehler gemacht, dass wir nicht schnell genug professionalisiert haben. Wir haben viel ausprobiert, aber wir haben wahrscheinlich zu spät erfahrene Leute eingestellt. Das würde ich heute auf jeden Fall anders machen. Deswegen haben wir unseren Vorstand komplett ausgebaut, umgebaut und erweitert, um in bestimmten Bereichen externe Erfahrung dazuzubekommen und den nächsten Schritt gehen zu können.
Mymuesli: Weiterentwicklung durch neue Vorstandskonstellation
Das externe Know-how kommt nun in Person von Henrik Haenecke dazu. Wie sieht deine Vision für das Unternehmen Mymuesli aus Henrik?
Henrik Haenecke: Philipp, Max und Hubertus hatten wirklich eine super Idee, die auch nach 16 Jahren immer noch trägt: Die Individualisierung von Müsli, verbunden mit einer klaren Bio-Strategie und dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit, das ja damals noch nicht ganz so im Mittelpunkt stand wie heute. Und das verbunden mit einem familiären Umgang innerhalb des Unternehmens. Diese Werte und Eigenschaften tragen Mymuesli bis heute weiter.
Du kommst von außen mit neuem Blick in das Unternehmen. Dagegen stehen die ursprünglichen Werte. Wie behält man die Balance und entwickelt sich trotzdem weiter?
Henrik: Ein Dagegen nehme ich überhaupt nicht wahr.
Philipp: Ich auch nicht. Wir haben das Vorstandsteam so ausgewählt, dass wir den gleichen Glauben an dieselben Werte haben. Wir haben da lang gesucht, um die richtigen Leute zu finden, die gut zusammenpassen und harmonieren.
Natürlich war es uns wichtig, komplementäre Fähigkeiten zu haben. Und wir haben jetzt ein Team, das besser denn je ist und jeden Bereich gut abdeckt. Ich glaube, du musst als Gründer sehr offen für Veränderung sein und abgeben können. Das hätte ich früher wahrscheinlich nicht gekonnt.
Unternehmensentwicklung durch Perspektiv-Wechsel
Ab und zu mal die Perspektive zu wechseln und zu fragen: „Wo stehen wir eigentlich gerade?“ Das ist extrem wichtig. Wenn du diesen Blick hast und offen für Neues bist, dann ist es schon einmal eine gute Grundeinstellung für einen Change, für eine Transformation.
Henrik: Das würde ich unterstreichen. Zuhören ist wichtig und das findet in beide Richtungen statt. Ich habe noch nie erlebt, dass Phil sagt: „Das haben wir noch nie so gemacht; das geht nicht.“ Er reagiert eher nach dem Motto: „Gute Idee, lass uns da zusammen drüber nachdenken.“ Genauso habe ich viel zu lernen und zuzuhören – schließlich habe ich 16 Jahre Mymuesli-Erfahrung aufzuholen.
So setzt Mymuesli Nachhaltigkeit um
Was steht als Nächstes auf eurer To-do-Liste?
Henrik: Sowohl die Individualisierung als auch Mymueslis klare Bio-Strategie und das Nachhaltigkeitsbewusstsein sind starke Fundamente, auf die wir aufbauen wollen. Zum Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit heute noch viel relevanter und bewegt viele Leute. Allerdings ist es schwierig, unsere vielen Initiativen kurz und knackig zusammenzufassen und in eine Botschaft zu bringen.
Was meinst du damit?
Henrik: Wenn du dir zum Beispiel unsere Nachhaltigkeitskommunikation auf der Webseite anguckst, dann haben wir wahnsinnig viel zu bieten. Aber wenn Kund:innen sich einfach nur eine unserer Dosen angucken, finden sie diese Informationen nicht so schnell.
Zum Beispiel kommunizieren wir auf unserer Dose, dass sie vollständig recyclingfähig ist. Trotzdem fragen uns Kund:innen: Ist das jetzt eine gute Dose oder nicht? Unser Konzept so auf den Punkt zu bringen, dass es jeder versteht und zu zeigen, dass wir tatsächlich bio sind, dass wir tatsächlich nachhaltig sind, da können wir sicher noch schärfer werden, weil wir wirklich viel anzubieten haben.
Viele Unternehmen schreiben sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen. Wie setzt ihr das bei Mymuesli um?
Philipp: Mehr als man denkt und mehr als wir nach außen hin kommunizieren. Aber gerade im Bereich Nachhaltigkeit sind wir eigentlich besser aufgestellt als irgendein anderes Unternehmen im Food-Bereich.
Wir sind bewusst sehr regional und alle unsere Flocken sind von regionalen Biomühlen. Wir wissen außerdem, von welchen Bauern sie kommen, weil wir eben auch zu unseren Anbaukooperativen gehen.
Ich war zum Beispiel vor zehn Jahren in Südamerika. Wir haben in den Anden mit dem Entwicklungshilfeministerium und einem Lieferanten die Verarbeitung von Mango und Physalis aufgebaut, da hängen jetzt 250 Kleinbauer-Familien dran, die für uns produzieren.
Und auf der anderen Seite sind wir ja auch schon fast komplett plastikfrei geworden in den letzten zwei Jahren und haben die Recyclingfähigkeit der Verpackungen verbessert.
Eure Kund:innen können die Dose also mit dem Altpapier entsorgen?
Philipp: Richtig. Wir haben noch so ein paar Komponenten wie die Dosen-Deckel unserer Verpackungen, aber da sind wir auch dran. Wir rechnen auch den CO2-Footprint von unseren Produkten aus und gucken, wie wir ihn reduzieren können.
Mymuesli will CO2 neutral werden
Wir arbeiten außerdem daran, CO2 neutral zu werden und arbeiten mittelfristig an der Solar-Versorgung für unsere Produktion. Da sind wir schon sehr nachhaltig. Wir promoten auch Produkte wie zum Beispiel „Save The Ocean“-Müsli, wo wir Plastik aus den Weltmeeren fischen. Wir haben „Save The Rainforest“-Müsli, um in Nachhaltigkeitsprojekte investieren zu können. Außerdem haben wir in den letzten Jahren rund 660.000 Baumsetzlinge gepflanzt.
Das kann man zwar in unserem Nachhaltigkeitsreport lesen, aber wir stellen das nicht so richtig in den Fokus. Das ist mir für die Zukunft auf jeden Fall sehr wichtig. Ich war schon in der Schule Umweltschutz-Dienst-Kapitän, das ist schon mein Passions-Thema.
Henrik: Es gibt auch unseren Food Saver im Onlineshop. Bevor wir irgendwas wegwerfen, verkaufen wir dort die Produkte mit kurzem Mindesthaltbarkeitsdatum zum reduzierten Preis. Inzwischen sind wir allerdings im Management von Rohstoffen so gut, dass kaum noch Produkte im Food Saver landen. Das ist dann die wahre Nachhaltigkeit.
Wir arbeiten ohne Palmöl, wir bieten vegane Produkte an – wir haben also tatsächlich viel im Angebot. Phil hat gerade eine Vielzahl von weiteren unterschiedlichsten Initiativen aufgezählt, die alle auf die Nachhaltigkeit einzahlen. Nachhaltigkeit ist für unsere Kund:innen zunehmend wichtiger und wir haben da eine Menge zu bieten – aber das kann man nicht so einfach rüberbringen. Das ist eine kommunikative Herausforderung für uns.
Wachstum durch neue Kooperationen
Einen großen Schritt, den ihr schon gegangen seid, ist die Kooperation mit Katjes Greenfood. Was versprecht ihr euch davon?
Philipp: Wir haben uns dafür entschieden, weil wir gut zusammenpassen – von den Werten, der Ausrichtung, dem Verständnis und den Investment-Themen, die sie vertreten. Und sie bringen natürlich extrem viel Erfahrung im ganzen Handelsbereich und in Sachen Markenaufbau mit. Die sind einfach gut bei der Markenführung und gehören da meiner Meinung nach zu den besten in Deutschland.
Katjes Greenfood steht für nachhaltige Ernährung und Transformation bis hin zu veganer Ernährung: Da passen wir supergut zusammen.
Jetzt müsst ihr uns nur noch verraten, welches euer Lieblingsmüsli ist.
Henrik: Ich bin kürzlich über das Strawberry-Acai-Granola gestolpert, was ich sehr lecker finde. Sehr fruchtig, nicht so süß. Sieht gut aus, schmeckt lecker. Heute Morgen hat der Rest der Familie gefragt, ob sie auch mal probieren dürfen. Ich hätte lieber „Nein“ sagen sollen, denn jetzt muss ich immer was abgeben.
Philipp: Ich habe kein favorisiertes Müsli, ich esse schon immer verschiedene. Aber es sind leider nicht immer unbedingt die Gesündesten. Zum Beispiel finde ich das Strawberry-Cheesecake nach wie vor einzigartig. Und auch die Nutbutter Granolas sind mega. Das ist allerdings nicht gerade das kalorienärmste oder zuckerreduzierteste Müsli. Da geht es mehr um den Geschmack.
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