Das ist auch wieder so eine Geschichte, wie sie nur im Internet dieser Tage geschehen kann. Lasst mich ein wenig ausholen: In den vergangenen Monaten tauchten Plakate in der Innenstadt von Los Angeles auf, die Präsident Obama im Joker-Look à la „Batman“ zeigten. Unter seinem Konterfei prangte jedes Mal das Wort „Socialism“. Die Bürger fragten sich, wer denn wohl dahinterstecke, bekamen es aber nicht raus. Dann endlich bekannte sich der Urheber des Bilder: Firas Alkhateeb, 20 Jahre alt und Student aus Chicago, hatte im Januar just for fun das Porträt des Präsidenten mit einer alten Ausgabe vom Time Magazine collagiert (es gibt ja genügend Tutorials im Netz) und es dann bei Flickr hochgeladen. Das Bild machte seine Runden durchs Netz, bis irgendein bis heute Unbekannter ein Poster daraus machte und es mit der genannten politischen Botschaft an die Häuserwände pappte. In dieser Beziehung war Alkhateeb also unschuldig.
Dennoch war die Geschichte für ihn nicht gegessen. Zum einen traf sein Scherz im Nachjubel der Obamania bei seinen Landsleuten auf Unverständnis, zum anderen bahnte sich aber auch ein Rechtsstreit an. Flickr hatte das Bild plötzlich gelöscht. Während draußen die Patrioten gegen den präsidialen Cartoon auf die Straße gingen, demonstrierte drinnen die Internetgemeinschaft gemeinsam gegen den Bilderdienst – allen voran Zooomr-Chef Thomas Hawk, dessen Laden in Konkurrenz zu Flickr läuft: Pfui, Spinne! Zensur!, schrieb er auf seinem Blog. Flickr entfernt Bilder von andersdenkenden Menschen, lautete der Vorwurf.
Die Wahrheit war, dass Flickr keine Wahl hatte: Jemand hatte im Rahmen des Digital Millenium Copyright Acts (DMCA) eine Abmahnung verfasst. Wer genau das war, wusste man zu diesem Zeitpunkt nicht. „Wir können diese Information nicht liefern“, sagte Heather Champ damals, Flickrs Community-Chefin. Alkhateeb vermutete, dass das „Time Magazine“ dahinterstecken könne, doch genauso gut hätte es auch DC Comics sein können, die immerhin Batman im Copyright-Portfolio haben. Erst jetzt kam heraus: Es war keiner von beiden, sondern ein freiberuflicher Fotograf mit dem Namen Edward Przydzial. „Hier“, sagte er zu Flickr. „Das ist mein Bild!“ Als Beweis schickte er den Link eines Blogeintrags mit, der auf Oktober datierte. Wie einfach es ist, das Datum eines Posts zu verändern, dürfte hier jedem klar sein. Gemäß dem DMCA hat aber jeder US-Amerikaner das Recht, Websites zu bitten, Inhalte offline zu nehmen, sofern er beweisen kann, dass er selbst der Urheber ist. Wird schnell genug reagiert, sind spätere Klagen ausgeschlossen. In diesem Fall hat Flickr auf die Überprüfung der Rechte gänzlich verzichtet und einfach blind den Delete-Button gedrückt. Vor allem in den Staaten hat dieses Vorgehen des Dienstes ja fast schon bürgerkriegsähnliche Zustände hervorgerufen.
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Doch Flickr hat aus dem Fiasko gelernt. Inzwischen wurde der Rat eines Community-Mitgliedes beherzigt. Immerhin ist es ja auch möglich, Bilder zu entfernen, ohne gleich die ganze betreffende Seite abzuschalten, auf der sich auch Kommentare und andere relevante Informationen befinden. Dann wird eben ein Platzhalter angezeigt. Und genau das wird Flickr ab heute tun. Können wir nur hoffen, dass bei Beschwerden nun auch ein ordentlicher Kontrollmechanismus greift, der Schnellschüsse wie den oben beschriebenen künftig verhindert.
(André Vatter)