Sonstiges

Und plötzlich waren sie weg – Amazon löscht eBooks ohne Erlaubnis von Kindle-Lesern

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Beim Online-Händler Amazon läuft derzeit aus PR-Sicht einiges schief. Während sich der deutsche Ableger am Mittwoch noch mit unzufriedenen Windows 7-Vorbestellern herumärgern durfte, sorgt jetzt das Mutterhaus in den USA für ordentliche Schlagzeilen. Was ist passiert? Amazon hat am Wochenende via Mobilfunkverbindung auf die Kindle-Reader seiner Kunden zugegriffen und auf den Geräten ohne Erlaubnis und ohne Vorwarnung eine ganze Reihe gekaufter und bereits bezahlter eBooks gelöscht. Von der Aktion betroffen sind unter anderem zwei Titel von Georg Orwell („1984“, „Animal Farm“) sowie die digitalen Abenteuer von Harry Potter.

Der Aufschrei der betroffenen Kunden war jedenfalls nicht von schlechten Eltern und dem entsprechend groß war auch das Presseecho. Einige Webseiten bezichtigten Amazon daraufhin sogar des Einbruchs und Diebstahls. Mittlerweile hat sich das Unternehmen zu Wort gemeldet, um die Wogen zu glätten und die Löschaktion zu erklären. Demnach seien die Bücher von einer Firma in den Kindle-Store gestellt worden, die für die Titel überhaupt keine Vertriebsrechte besessen habe. Als Amazon vom Rechteinhaber in Kenntnis gesetzt worden sei, habe man sich entschieden, die betroffenen eBooks sofort aus dem Angebot zu entfernen – was zur Folge hatte, dass die Büchern nicht nur im Store verschwanden, sondern auch von den Kindle-Geräten der Kunden.

Ob sich Amazon dessen bewusst war? Davon gehe ich aus. Obwohl sich der Online-Händler inzwischen bei den Kunden für die unerlaubte Löschaktion entschuldigt und die Rückerstattung des Kaufpreises angekündigt hat, wird das Thema weiter heiß diskutiert. Der Grund: Die Löschung verstößt gegen die eigenen Nutzungsbedingungen. Demnach erhalten Käufer das Recht auf eine dauerhafte Kopie des betreffenden digitalen Inhalts. Von einer Möglichkeit der nachträglichen Löschung wird dort bislang kein Wort verloren.


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Bei Amazon steht das Thema nach dem Vorfall jedenfalls ganz oben auf der Tagesordnung. In Kürze will das Online-Kaufhaus ein überarbeitetes Vertriebssystem präsentieren, das dafür sorgen soll, dass einmal gekaufte eBooks auf den Readern bleiben. Auch in Sachen Rechtefrage im Kindle-Store will Amazon nachbessern. Den Betroffenen helfen die Versprechen allerdings wenig. Sie sind sauer, denn nicht nur die Titel wurden von Amazon gelöscht, sondern auch die privaten Notizen und Anmerkungen dazu. Das Vertrauen in den digitalen Bücherdienst dürfte jetzt erst einmal ordentlich erschüttert sein.

Thomas Rode von der Frankfurter Rundschau hat es auf den Punkt gebracht:

Wie leicht es Amazon gefallen ist, die betreffenden Bücher zu löschen, verdeutlicht den gravierenden Nachteil, den E-Books gegenüber physischen Büchern hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Archivierbarkeit und Manipulationssicherheit besitzen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie weit die Rechte von Verbrauchern an den heruntergeladenen E-Books eigentlich gehen: Sind sie Besitzer von Kopien der E-Books oder haben sie lediglich ein beschränktes Nutzungsrecht?

Dem kann ich mich nur anschließen.

(Michael Friedrichs)

Über den Autor

Michael Friedrichs

Michael Friedrichs hat als Redakteur für BASIC thinking im Jahr 2009 fast 400 Artikel veröffentlicht.

18 Kommentare

  • es handelt sich wohl um nutzungsrechte an den büchern, ähnlich wie bei den musikdateien mit drm. keine ahnung.

    wie auch immer, die dinger einfach zu löschen ist ein starkes stück, das das vertrauen schwächt. besser wäre eine entsprechende ankündigung gewesen, klärung des sachverhaltes und klärung der rechte mit dem online-store, statt den leuten die dateien unterm hintern wegzuziehen.

    aber nachhier ist man immer klüger.
    es besteht also für alle, die ähnliche angebote im web feilbieten, die chance daraus zu lernen. na, denn mal los…

  • Das hätte mit einer Rückrufaktion von gedruckten Büchern nicht funktioniert.
    Da kann man nur hoffen, das dies die Verbraucher mal wachrüttelt und für das Thema sensibilisiert. Vielleicht gar nicht so schlecht im Hinblick auf die laufende Diskussion um Urherrecht und Verwerter.
    Ich bin vor ein paar Tagen auf ein Interview mit dem Medienrechtler Thoma Hoeren gestossen und hab´ darüber gebloggt:
    http://www.janimnetz.de/2009/07/18/urheberrecht-kreative-und-verbraucher-haben-keine-lobby/
    Spannendes Thema, das es auch Buchtitel von George Orwell getroffen hat, ist natürlich der Brüller.

  • Ich lese auch lieber richtige Bücher anstatt Ebooks, aber sie sind dennoch sehr nützlich und ich denke, dass sie in Zukunft eine stärkere Bedeutung einnehmen werden.

  • Ich bevorzuge zwar lieber die Printmedien, doch denke ich das sich dieses Produkt durchsetzen wird. Allerdings ist diese Aktion eine Sauerei von Amazon. Ich hoffe ja noch insgeheime das Apple etwas im Gepäck hat. Etwas vergleichbares und den Markt (mal wieder) revolutionieren wird.

  • Welch Ironie darin liegt, dass auch Georg Orwell’s „1984“ gelöscht wurde. Immerhin geht es in diesem Buch auch um die totale Kontrolle über unschuldige Bürger. 🙂

  • Hätte echt nicht gedacht, dass das möglich ist… nachträglich einfach mal komplette Bücher löschen. Haben die Nutzer denn so wenig Kontrollmöglichkeiten/Rechte? Bin ja jetzt gleich doppelt froh, dass ich so ein Ding nicht hab. (Und ich dachte noch, ein Glas Wasser könne gefährlich sein. Denkste!)

  • Hmmm..ob die Leser das eBook nicht gutgläubig erworben haben? Die Rückholaktion jedoch scheint sehr suspekt. Angenommen man erwürbe ein Buch, das ein Verlag unerlaubterweise und ohne Rechte veröffentlich hat. WIll sich das dann auch jemand zurückholen kommen? Offline undenkbar…

  • Das Schlimme ist nicht, dass sie es getan haben. Das war sogar gut. – „Werbewirksamer“ als ausgerechnet mit 1984 hätten sie auf das Problem nicht aufmerksam machen können. 😀
    Das Schlimme ist, dass sie es überhaupt tun können!

    Und sie sind nicht die einzigen:
    * I-Phones können von Apple deaktiviert werden.
    * MS könnte mit einem „Sicherheitsupdate“ das Gros der PCs in einem beliebigen Land deaktivieren (inklusive Datenlöschung).

    Es ist technisch überall möglich. Autos könnten für bestimmte Straßen oder Gebiete gesperrt werden, Fernsehempfänger für bestimmte Kanäle, Internetanschlüsse für bestimme Web-Adressen (ui, ist ja schon), Rechner für bestimme Betriebssysteme oder Anwendungen oder Dokumente, MP3-Player für zensierte Lieder, etc..

    Das Gemeine ist, dass aktuelle Bücher aus Papier bald so verfügbar sein werden, wie aktuelle Musiktitel auf Vinyl-Schallplatten.
    In voraussichtlich 3 Wochen wird meine Tochter geboren. Ich werde zusehen, dass ich in den nächsten Jahren die wichtigsten paar hundert Werke der Weltliteratur auf Papier besorge und einlagere. – Solange es die noch in Papierform, und nicht nur – dann wahrscheinlich als „politisch korrekt korrigierte“ – E-Books gibt!

    Nachtrag:
    Meine Tochter wird trotzdem irgendwann ein eBook haben wollen, da werde ich nicht drum herum kommen eines zu kaufen, aber für mich persönlich sind die Dinger endgültig gestorben. Warum? Weil kein Hersteller mir jemals wirklich beweisen können wird, dass *nicht* ein heimlicher Hintereingang in das Gerät existiert.