Auf Facebook privat und ruhig, auf Instagram flippig, bei Twitter 24/7 aktiv und bei LinkedIn der Business-Typ. Jedes Netzwerk verlockt uns dazu, die Persönlichkeit ein bisschen mehr zu spalten. Ein Kommentar von Hendrikje Joksch.
So. Der Moment der Wahrheit ist gekommen. Heute lernt meine beste Freundin Anna meine Au-Pair-Freundin Lena kennen, die ich während meiner Zeit in Australien kennengelernt habe. So viele Abende habe ich schon von ihr erzählt und dabei gemeinsame Fotos auf Facebook und Instagram gezeigt. Dank meiner unzähligen Geschichten, war es Anna quasi unmöglich, sich kein Bild von Lena zu machen. Einmal meinte sie sogar, dass es sich so anfühlt, als würde sie Lena schon kennen, dabei kam es bisher noch zu keinem realen Treffen.
Als es soweit war, lief alles nach Plan. Wir hatten eine tolle Zeit zu dritt. Hinterher befragte ich Anna, die während des gesamten Treffens auffällig still war, welchen Eindruck Sie von ihr hatte. Krass, sagt sie nur. Die habe sie sich ganz anders vorgestellt. Wir alle haben diese eine Freundin oder diesen einen Freund, den wir im echten Leben getroffen und auf den sozialen Plattformen zu unserem Freund oder Follower gemacht haben.
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Digitales Ich im Rollenkonflikt
Eine Weile nicht mehr gesehen, scheint unsere Erinnerung nicht mehr mit dem Bild, welches diese Person im „Social Web“ von sich gibt, übereinzustimmen. Genauso erging es mir jetzt. Und Anna anscheinend auch. Mal verspielt romantisch vor dem Spiegel, verschiedene Outfits präsentierend. Mal strubbelhaarig und in Trekking-Klamotten durch Wind und Wetter die Welt bereisend. Heute lachend, morgen nachdenklich. Was denn nun? Entscheidet euch mal!
Hatten wir falsche Vorstellungen? Was ist da los? Damals noch wirkte Lena eher schüchtern und sozialscheu. Jedes Angebot sie irgendwo mitzunehmen, lehnte sie ab. Das Motto „stille Wasser sind tief“ stand ihr quasi ins Gesicht geschrieben. Doch egal welchen Tweet oder Post man von ihr liest, immer hat man den Eindruck, sie sei ständig von Menschengruppen umgeben und der Liebling auf jeder Party. Das Puzzlestück, welches meine Vorstellung über sie nach unserer ersten Begegnung produziert hatte, passte so gar nicht in das, welches sie von sich selbst zur Schau stellte.
Ihr digitales Ich steht quasi im Rollenkonflikt mit ihr selbst.
Haben Facebook & Co. Schizophrenie im Social Web en vogue gemacht?
Sie ist auf Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn und Co. zu finden. Auf Facebook ist sie rein privat. Eher weniger aktiv. Das Profil ist nur für Freunde sichtbar. Auf Twitter ist sie semi-privat unterwegs. Profil öffentlich. Bei LinkedIn hingegen findet man sie rein beruflich. Profil für das Netzwerk sichtbar.
Das Einloggen entscheidet über ihr digitales Ich.
Von sehr privat über beruflich bis hin zu öffentlichkeitswirksam inszeniert ist hier alles zu finden. Man kann längst nicht mehr von der einheitlichen Nutzung sozialer Medien sprechen. Social Media heißt, dass sich das Set an Themen und Diskursen, für das Menschen stehen, extrem auffächert. Ob man will oder nicht, im Social Web wird man quasi dazu verführt, mit seiner Persönlichkeit zu spielen.
Wer’s nicht tut, ist selber schuld… Oder was?
Die Nutzung der Plattformen im Internet unterschiedet sich zunehmend. Twitter ist vor allem für seine schnelle Informationsverbreitung bekannt, auf Facebook werden meist multimediale Inhalte verbreitet und auf Instagram überwiegt privater Content.
Entsprechend dieser Vielseitigkeit kann man auch seine „Social-Media-Personality“ wählen.
Wer möchtest du heute sein? Der coole Lebenskünstler mit tausend Ideen oder der Hipster Daddy, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann? Kein Ding! Nichts ist unmöglich. Also macht es vielleicht doch Sinn, sich ab und zu diesem Seelen-Striptease hinzugeben und seine Persönlichkeit digital aufzuspalten? Aus gesundheitlichen Gründen sozusagen? Mal Dampf ablassen und so?
Heutzutage braucht man für alles Facebook und Twitter. Ob man nun ein Event organisiert, sich über mögliche Veranstaltungen informieren will oder mit Freunden kommuniziert – Die sozialen Plattformen sind nicht mehr aus unserem Privatleben wegzudenken. Privatleben? Moment mal! Beruflich geht die gleiche Leier los. Die 12 Millionen Deutsche, die sich im Social Web rumtreiben, können und dürfen auch professionell nicht mehr ignoriert werden. Da steckt Potenzial dahinter.
Digitales Ich trifft auf digitales Ich
Aber was passiert eigentlich, wenn ein digitales Ich auf das andere digitale Ich trifft? Tja, dreimal dürft ihr raten. Die sozial offene Facebook-Lena, die in Wirklichkeit eher einer grauen Maus gleicht, sucht einen Job als flippiges Werbeagenturen-Mädchen. Hipster Lifestyle. Kennt Hinz und Kunz. Immer ein kesser Spruch auf den Lippen?
Spätestens da fällt’s auf! Da hilft auch kein virtuelles Profil mehr. Wenn die Realität zu sehr von der Persönlichkeit abweicht, die einen da von diversen Benutzerkonten anstrahlt und an ihrem Leben teilhaben lässt, dann ist das auf Dauer nur für die unbekannten und anonymen Follower interessant.
Nicht aber für die echten Freunde, die vielleicht am anderen Ende der Welt lebend, dank dieser Beiträge an unserem Leben teilhaben können. Wahren Freunden kann man nichts vormachen. Da kann man noch so viel filtern und inszenieren wie man möchte. Bei Risiken und Nebenwirkungen der Social-Media-Schizophrenie ist es nicht nötig, den Arzt oder Apotheker zu fragen. Es passiert, was ihr draus macht. So richtig überraschen, was da im „Social Web“ so abgeht, tut einen schon lange nichts mehr.
Ein Tipp: Nehmt die künstlich inszenierten Gestalten auf den sozialen Plattformen nicht allzu ernst, sondern als Anreiz, um zu netzwerken. Im Real Life. Und wenn die Person, die euch dann gegenübertritt, so gar nicht (mehr) euren Vorstellungen entsprechen sollte, dann ist es vielleicht besser so. Wer weiß.
Sicherlich gibt es Schlimmeres, als sich in der virtuellen Welt berechnend zu verkaufen. Aber an alle, die wissen, wer sie wirklich sind, egal wo, egal wann: Hut ab!
Das ist ein Phänomen, das es nicht erst seit dem Internet gibt. Schon immer wollten Menschen anders sein oder zumindest anders scheinen, als sie wirklich sind. Jeder hat eine Vorstellung von sich selbst, die oft eher dem Wunschbild als der Realität entspricht. Allerdings ist das kein entweder-oder. Das Ich wird zusammengezimmert aus einem Teil Wunschdenken, einem Teil Realität, und einem Teil Feedback von unseren Mitmenschen. Dazu kommt, dass die verschiedenen Teile der Persönlichkeit sich gegenseitig beeinflussen, so dass die reale Persönlichkeit sich stetig verändert.
Die stärkste Triebfeder ist dabei die Angst, aufgrund der eigenen Fehler nicht geliebt zu werden. Ein Ansatzpunkt ist, zu lernen, sich selbst zu lieben, gerade auch mit den eigenen Schwächen.
Nur Gott bezeichnet sich selbst als „Ich bin, der ich bin“. Menschen sind immer relativ.
[…] Unsere Gastautorin Hendrikje Joksch hat sich mit dem Thema der Social-Media-Schizophrenie beschäftigt und fragt: Wer bin ich? Und wenn ja, wie […]