In deutschen Behörden gilt während der Corona-Krise ein Pandemieplan. Was bedeutet das im Alltag? Wie informieren die Ämter ihre Bürger – und wie kommt die Kommunikation dort an? Über diese und weitere Fragen haben wir mit Nina Badur vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf gesprochen. Ein Interview.
Selbstverständlich sind unsere Behörden systemrelevant. Deshalb ist es essenziell, dass die bestehenden Strukturen auch weiterhin funktionieren. Und deswegen spielt Social Media in Behörden – zum Teil plötzlich – eine außergewöhnlich wichtige Rolle.
Doch wie erreichen Ämter ihre Bürger in den Zeiten der Krise? Welche Form der Kommunikation ist erwünscht? Und überhaupt: Was denken die Bürger zur Arbeit des Staates?
Neue Stellenangebote
Growth Marketing Manager:in – Social Media GOhiring GmbH in Homeoffice |
||
Social Media und PR Specialist (m/w/d) BeA GmbH in Ahrensburg |
||
Social Media Manager B2B (m/w/d) WM SE in Osnabrück |
Über diese und zahlreiche weitere Themen haben wir mit Nina Badur gesprochen. Sie arbeitet als Sachbearbeiterin Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Digitale Kommunikation beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf. Außerdem verantwortet sie den Social-Media-Bereich.
Digitale Kommunikation beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf
BASIC thinking: Nina, du arbeitest beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf in Berlin in der digitalen Kommunikation. Wie hat sich eure Kommunikation seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verändert?
Nina Badur: Die Öffentlichkeitsarbeit wird grundsätzlich durch die Pressestelle der zuständigen Senatsverwaltung auf Landesebene koordiniert und gebündelt, um die fachlichen Informationen an die Bevölkerung abzudecken.
Das bedeutet, dass wir die daraus gewonnen Informationen verständlich aufbereiten und diese dann an unsere Community weiterreichen. Aktuell arbeiten wir also primär weniger selbst inhaltlich.
Hier ergänzen wir bezirksspezifische Informationen wie geänderte Erreichbarkeiten von Ämtern, Kommunikationswege und andere Informationen. Außerdem haben wir seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Wochenenddienste eingeführt, um in der aktuellen Krise flexibler und immer „up to date“ zu sein.
Krisenthemen entwickeln im Internet oft eine unkontrollierte Eigendynamik. Deshalb legen wir den Fokus aktuell noch stärker auf eine verständliche und transparente Kommunikation.
Die beschlossenen Maßnahmen in Bezug auf die Corona-Pandemie teilen wir also nicht nur mit, sondern erklären auch, wieso die Einhaltung so wichtig ist – um sie für jedermann nachvollziehbar zu machen.
Es gilt, keine Panik in der Bevölkerung aufkommen zu lassen und im selben Atemzug zu sensibilisieren, das Coronavirus ernst zu nehmen. Das ist eine kommunikative Gratwanderung, die es zu meistern gilt.
Durch einen offenen Dialog stärken wir das Vertrauen in die Handlungskompetenzen und Glaubwürdigkeit der Zuständigen und damit natürlich auch in uns.
Außerdem nutzen wir vermehrt motivierende Sprüche, um Mut zuzusprechen und den Zusammenhalt zu stärken. Denn letztlich ist die Bekämpfung des Virus eine Gemeinschaftsaufgabe. Aktuell ist die Anzahl an bezirksrelevanten Themen etwas zurückgegangen und der Fokus liegt ganz klar auf Corona.
Dennoch stellen wir uns natürlich täglich die Frage, welche weiteren oder ergänzenden Themen wir auf unseren Kanälen ausspielen können. Wir haben kurzerhand eine Umfrage auf Instagram gestartet und die Community selbst dazu befragt. Ansonsten ist aktuell viel Improvisationstalent gefordert, was den Content angeht.
Social Media in Behörden: Die Rolle von Twitter und Instagram
Welche Kanäle bespielt ihr? Wie erreicht ihr eure Bürger? Spielen dabei WhatsApp, E-Mails und das Telefon auch eine Rolle?
Schön, dass du die Frage so stellst, denn noch vor einiger Zeit wäre eine Behörde eher gefragt worden, ob neben dem Telefon und den E-Mails andere Kanäle überhaupt eine Rolle spielen. Das zeigt, dass sich die Behördenkommunikation in den sozialen Medien schrittweise immer weiter etabliert.
Wir sind auf Twitter und, wie gerade schon kurz angeschnitten, auf Instagram unterwegs. Aktuell arbeiten wir zudem noch an einer WhatsApp-Bürgersprechstunde der Bezirksbürgermeisterin.
Es ist uns wichtig, die Bürgerinnen und Bürger jeder Altersgruppe bestmöglich zu erreichen. Da sind die sozialen Medien eine hervorragende Ergänzung und nicht mehr wegzudenken, weil sie mittlerweile zum Alltag so vieler Menschen gehören.
Dann gibt es natürlich noch unsere Website und die Pressemitteilungen. Im Printbereich haben wir Flyer und Broschüren. Da in unserem Bezirk auch viele ältere Menschen leben, legen wir großen Wert auf einen ganzheitlichen Mix aus klassischer Pressearbeit und digitalen Angeboten.
Sehr aktiv seid ihr auf Twitter und auf Instagram. Warum habt ihr euch ausgerechnet für diese beiden Kanäle entschieden?
Der Twitter-Kanal wurde bereits vor meiner Zeit ins Leben gerufen, da passierte allerdings nicht viel. Es wurden nur Pressemitteilungen gespiegelt – also genau so, wie man es nicht machen sollte.
Das war damals der erste Gehversuch in der Social-Media-Welt und zumindest ein Anfang. Am 9. Oktober 2019 haben wir den Automatismus abgeschaltet und den Kanal wieder reanimiert. Parallel sind wir mit Instagram gestartet.
Auf Twitter können wir schnell auf aktuelle Themen reagieren und die Öffentlichkeitsarbeit proaktiv vorantreiben. Außerdem bieten sich hier tolle Möglichkeiten zum Netzwerken mit anderen Behörden, Institutionen und nicht zu vergessen den Journalisten.
Auf Instagram wollen wir ganz klar die jüngere Zielgruppe erreichen und das Bezirksamt als Arbeitgeber, so wie den Bezirk selbst vermarkten. Da eignet sich Instagram als visuelle Plattform hervorragend. So können wir den Behördenalltag mal von einer anderen Seite zeigen – persönlicher und die Menschen hinter die Kulissen blicken lassen.
Denkmäler, Straßen, Parkanlagen und Co. können wir bestens in Szene setzen und so den Bezirk in all seinen Facetten zeigen. Das verbinden wir dann auch immer gerne mit Wissensbeiträgen oder Quizzen über den Bezirk.
Von Facebook haben wir aus zwei Gründen erst einmal Abstand genommen. Zum einen wollten wir uns anfangs nicht mit den Kanälen übernehmen und zum anderen spielt sich auf Facebook das Meiste in den Gruppen ab.
Die Interaktionsraten auf Instagram liegen hier deutlich vorn. Wir beobachten hier aber ständig den Markt, es ist nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Kanäle folgen werden.
Social Media in Behörden: Die Ziele des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf
Wer betreut die Kanäle und welche Ziele verfolgt ihr damit?
Wir haben die Aufgaben im Team verteilt. So hat jeder einen Schwerpunkt. Außerdem vertreten wir uns natürlich gegenseitig. Ich bin für die strategische und konzeptionelle Planung der Social-Media-Kanäle verantwortlich und betreue sie auch hauptsächlich.
Meine Kollegin übernimmt den Part der visuellen Kommunikation, sprich Bild- und Videobearbeitung sowie –produktion.
In erster Linie möchten wir einer bürgernahen, transparenten und dialogorientierten Kommunikation gerecht werden. Behörden-Kommunikation ist schon lange keine Einbahnstraße mehr.
Wir wollen unser Verwaltungshandeln und die damit einhergehenden Herausforderungen und Maßnahmen erklären. Nur so können sich die Menschen eine eigene Meinung bilden und teilhaben. Das Ziel ist es, Bürgerinnen und Bürgern unbürokratisch und auf Augenhöhe zu begegnen.
Außerdem wollen wir unsere Dienstleistungsqualität durch kürzere Bearbeitungszeiten sämtlicher Bürgeranfragen steigern.
Wir wollen den Bezirk als Wirtschafts- und Tourismusstandort stärken und, wie erwähnt, auch das Bezirksamt als interessante und breit gefächerte Arbeitgebermarke darstellen.
Das Thema Bürgerbeteiligung spielt ebenso eine sehr große Rolle. Wir gewinnen durch den direkten Dialog wertvolle Erkenntnisse und können somit Prozesse besser steuern. Zudem möchten wir das Personal-Recruiting innovativ und vor allem zeitgemäß vorantreiben. Hier steckt ein riesiges Potenzial auf Instagram, das wir in Zukunft gerne ausschöpfen möchten.
Analyse und Feedback in der Behörden-Kommunikation
Wie wisst ihr denn, ob ihr mit euren Botschaften auch wirklich die Bürger in eurem Berliner Bezirk erreicht?
Wir möchten zwar primär die Bürgerinnen und Bürger unseres Bezirks erreichen aber auch generell Interessierte, Berliner, Brandenburger und Touristen, um unseren Bezirk als Wirtschafts- und Tourismus-Standort zu stärken.
Es gehören auch viele ehemalige Steglitz-Zehlendorfer zu unserer Community, weil sie sich dem Bezirk noch immer sehr verbunden fühlen.
Wir setzen einen breit gefächerten Strauß verschiedener Kommunikationskanäle ein, um sicher zu stellen, dass wir besonders viele Menschen erreichen.
Für die Analyse der Social-Media-Kanäle nutzen wir die plattformeigenen Analyse-Tools und auf unserer Website messen wir die Besucherströme, die uns wertvolle Erkenntnisse liefern, um gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können.
Habt ihr – positives oder negatives – Feedback zu eurer Corona-Kommunikation erhalten?
Ja, es gab überwiegend positives Feedback. Die Community fühlt sich bisher sehr gut informiert. Auch die Umfrage, ob andere Themen neben Corona bespielt werden sollen, wurde positiv aufgenommen. Direkt negatives Feedback gab es nicht, jedoch einen berechtigt kritischen Kommentar.
Vor dem großen Lockdown in Berlin gab es eine bildungspolitische Reise des Bezirksamts für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir hatten darüber auf Instagram berichtet und wollten täglich einen Beitrag machen – wie eine Art Tagebuch der Reise.
Ein User kommentierte den Beitrag mit der Frage, ob es denn sinnvoll sei, aktuell auf Dienstreise zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Reisewarnungen und die darauffolgenden Maßnahmen waren noch nicht abzusehen. Trotzdem haben wir uns gegen die weitere Berichterstattung entschieden.
Anfänge und aktuelle Entwicklung der Social-Media-Arbeit in Berlin
Und jetzt einmal zu deiner Arbeit selbst. Behörden sind selbstverständlich systemrelevant. Trotzdem gelten in vielen Städten und Gemeinden Notfallpläne. Wie ist die Lage bei euch?
Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf besitzt selbstverständlich auch einen aktuellen Pandemieplan, damit unsere Verwaltung in Pandemiezeiten arbeitsfähig bleibt.
Außerdem regelt dieser Plan die interne Organisation, sprich die Verantwortlichkeiten und nicht zu vergessen, den Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusätzlich gibt es einen bezirklichen Krisenstab, der fachlich für die Gesamtbewertung der Lage im Bezirk verantwortlich ist und mehrmals wöchentlich tagt.
Und wenn wir schon dabei sind: Wie waren eure Anfänge im Social-Media-Bereich?
Nach außen sprechen wir mit einer Stimme für das gesamte Bezirksamt. Unser Kommunikationskonzept musste also erst offiziell beschlossen werden, bevor wir loslegen konnten.
Es wurde viel Aufklärungsarbeit geleistet und die wesentliche Frage beantwortet: „Wieso müssen wir das jetzt machen? Wir haben die Website und die Pressemitteilungen. Das reicht doch?“ Da gab es verständlicherweise etwas Bedenken oder auch Unsicherheiten.
Social Media bedeutet für viele Behörden leider noch undefiniertes Terrain – nicht nur wegen der Datenschutzbedenken. Das war der härteste Part. Es steht und fällt viel damit, ob die Entscheidungsträger bereits selbst Erfahrungen in den sozialen Medien haben oder nicht.
Wenn es hier kaum bis gar keine Berührungspunkte gibt, fehlt ein gewisses Grundverständnis und die Skepsis ist groß. Letztlich wurde unser Kommunikationskonzept beschlossen und wir hatten grünes Licht.
Habt ihr alles selbst aufgebaut oder hattet ihr eine externe Beratung an der Hand?
Wir haben alles in Eigenregie ohne externe Beratung aufgebaut. Es gab anfangs ein strategisches Grundkonzept des Leiters unserer Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Digitalen Kommunikation, auf dessen Basis ich dann ein Kommunikationskonzept ausgearbeitet habe.
Zusätzlich wurden Leitbilder für unsere Kanäle entwickelt, um den Fokus der jeweiligen Kommunikationsstrategie nicht aus den Augen zu verlieren. Dadurch sind wir sehr gut aufgestellt gewesen.
Die Community wächst und das Wichtigste: Die Interaktionen nehmen deutlich zu. Wir schauen auch gerne immer wieder über den Tellerrand. Gerade in kleineren Kommunen kann man sich einiges abschauen oder zu Neuem inspirieren lassen.
Die Krise als Chance verstehen
Es ist in der aktuellen Lage besonders wichtig, positiv zu bleiben – beruflich wie privat. Welche Chancen nimmst du für deinen Beruf, deinen Arbeitgeber und Social Media in Behörden mit in die Zukunft?
Beruflich sehe ich die große Chance, dass die aktuelle Lage ganz klar auch dem letzten Bedenkenträger vor Augen führen sollte, wie unerlässlich Social Media in Behörden ist.
Ebenso sehe ich die Chance, dass die Kommunikation nicht nur aus ein paar bunten Bildchen und ein paar Hashtags besteht, sondern ernstzunehmende Kommunikationsarbeit darstellt – die unmittelbar dort wirkt, wo sich die Menschen aufhalten.
Schnell zu reagieren und präsent zu sein, ist besonders in Krisenzeiten unerlässlich. Und genau da sind die sozialen Medien von unschätzbarem Wert. Es ist die Chance des Umdenkens in Diskussionen, die einen Rückzug der Behörden aus den sozialen Medien fordern, indem die Prioritäten neu geordnet werden – hin zu Lösungen und Weg von pauschalen Verboten.
Aktuell werden im Bezirksamt Themen wie mobiles Arbeiten und Digitalisierung stark vorangetrieben. Auch die Abstimmungswege sind flexibler und unbürokratischer als gewohnt.
Wenn das nach der Krise anhält, liegt hier die Chance einen gewaltigen Schritt hin zu einer zukunftsfähigen und innovativen Verwaltung zu gehen und damit eine Vorreiterfunktion unter den Bezirksämtern in Berlin einzunehmen.
Vielen Dank für das Gespräch, Nina!
Auch interessant: