Stellt euch vor, es gäbe eine Software, die Texte für euch schreiben könnte. Wie von Zauberhand. Klingt nach Zukunftsmusik? Keineswegs! Das Stuttgarter Start-up aexea hat mit AX Semantics genau diese Software entwickelt.
Es war Ken Schwencke, ein Journalist der LA Times, der im Jahr 2014 künstliche Intelligenz nutzte, um einen Nachrichtenbericht über ein Erdbeben zu schreiben. Der erste Text der Welt, der von einem Roboter erstellt wurde, machte nicht nur Schlagzeilen, er rüttelte auch die verschlafene Publisher-Branche wach.
Seitdem sinnieren Verlage wie die New York Times und die BBC über Möglichkeiten, um mit künstlicher Intelligenz ihre Inhalte zu verbessern. „AI bietet riesiges Potential für das Erstellen von Onlineinhalten“, sagt AX-Semantics Pressesprecher Philipp Renger zu BASIC thinking. „Das reicht vom Schreiben von Nachrichtentexten und Sportberichten über Wetterberichte bis hin zum Erstellen von Verkaufstexten im E-Commerce“, erklärt Renger.
Neue Stellenangebote
Growth Marketing Manager:in – Social Media GOhiring GmbH in Homeoffice |
||
Content Creator Social Media (m/w/d) CSU-Bezirksverband Augsburg in Augsburg |
||
Social Media Manager (Fokus: Community Management Supervision) (w/m/d) – befristete Elternzeitvertretung für 18 Monate Yello Strom GmbH in Köln |
Mit der Software von AX Semantics können Unternehmen genau dieses Potential anzapfen und nutzbar machen.
Die Zukunft des Textens liegt bei der Maschine?
Renger weiß, wovon er spricht. Schließlich begann aexea als Textagentur und beschäftigte rund 60 Mitarbeiter in mehreren Büros. Spätestens mit dem Vorpreschen von Crowdsourcing-Texterseiten wie Textbroker und dem damit folgenden Einbrechen der Preise, musste auch aexea einsehen, dass die Zukunft des Texte-Erstellens nicht im Menschen, sondern in der Maschine liegt.
Seit gut drei Jahren arbeitet das Start-up an der Entwicklung ihrer Textsoftware. „Der Switch von einer Textredaktion zu einem Softwareunternehmen war nicht leicht“, gesteht Renger. Dennoch ist er sicher, dass sie mit AX Semantics auf dem richtigen Weg sind.
Die Leistung der Software ist durchaus beeindruckend. Laut Renger können Nutzer mit AX Semantics 10 Millionen Texte in nur einer Stunde erstellen. Die Software kann dabei die Texte auch in 22 verschiedenen Sprachen übersetzen. Alles was man dazu braucht ist ein Ur-Text und verschiedene Datensätze.
Wettertext aus der Konserve
Die Software kann damit anhand der Semantik und der gebrauchten Formulierungen die Struktur eines Textes erkennen und mit den Informationen aus den Datensätzen beliebig viele, völlig verschiedene Texte zum gleichen Thema erstellen.
„Sagen wir mal, wir möchten einen Wettertext erstellen. Dann geben wir dem Algorithmus mindestens einen Wettertext vor, sowie Zugang zu Wetterdatenbanken. Damit erstellt AX Semantics dann selbständig Wettertexte.“
Da die Software Satzstruktur, Grammatik sowie spezielle Ausdrücke lernen und analysieren kann, klingen die Texte am Ende so als hätte ein Redakteur sie erstellt. Dadurch, dass jeder Kunde der Software spezifische Texte beibringt, klingen die Endtexte, die mit AX Semantics erstellt wurden, auch nie gleich.
Sie übernehmen sozusagen den Stil ihrer Lehrer. Standard-Texte oder Vorlagen gebe es bei AX Semantics nicht, versichert Renger.
Eine Software, viele Möglichkeiten
Philipp Renger ist überzeugt, dass Unternehmen mit dieser Technologie sehr viel Zeit und Geld sparen, besseren Content erstellen und so ihre Conversion-Rate erhöhen können. Die Lizenzkosten für AX Semantics liegen aktuell bei 1.000 Euro pro Monat, hinzu kommen noch Kosten für Sprach- und Datensatzkapazitäten hinzu. Der Einsatz der Software kann sich auf bis zu 10.000 Euro im Monat summieren.
Derzeit sind es vor allem Unternehmen aus der E-Commerce-Branche, die AX Semantics nutzen. Die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz beim Erstellen von Texten gehe aber weit über die Massenproduktion und Internationalisierung von Texten hinaus, erklärt Renger. „Besonders spannend finde ich aber auch die Möglichkeiten, dadurch Informationen, die es nur in Datenform gibt, sichtbar zu machen und personalisierte Texte zu erstellen.“
Die Zukunft des Journalismus gehört den Robotern? Ja, zumindest teilweise!
Renger nennt als Beispiele ultralokale Wetterberichte oder hoch personalisierte Newsletter. Auch kann die Software zum Beispiel aus reinen Zahlen der Buchhaltung einen zusammenhängenden Fließtext erstellen. Welche Ausgaben waren die höchsten im vergangenen Monat? Wo hätte man viel einsparen können?
Um diese Fragen zu klären, müssen Unternehmen derzeit teure Steuerberater beauftragen. „Anstatt viel Geld für Experten auszugeben, kann sich mit AX Semantics theoretisch jeder Kleinunternehmer diese Auswertung leisten“, sagt Renger.
Künstliche Intelligenz: Wer nicht auf den Zug aufspringt, verliert
Da ist es wahrscheinlich nicht erstaunlich, dass viele Berufsgruppen sich von Software-Technologien wie AX Semantics bedroht fühlen. Texter werden damit überflüssig, Übersetzer werden nicht mehr gebraucht und Journalisten fürchten um ihre Jobs. Renger kann diese Bedenken zwar nachvollziehen, sie seien aber kein Grund, um die Technologie nicht zu entwickeln. Er glaubt sogar, dass künstliche Intelligenz für diese Berufsgruppen auch eine Chance bietet.
„Welcher Redakteur schreibt schon gerne am Wochenende Sport-Nachberichte über die Jugendkreisliga im Tischtennis oder Basketball? Eine Software kann das übernehmen und schafft so neue Kapazitäten für spannendere Themen oder wichtige Arbeit wie investigativen Journalismus.“
Ganz so enthusiastisch scheinen die Publisher in Deutschland das nicht zu sehen. Gerade einmal 10 Prozent der Kunden von AX Semantics kommen aus der Verlagsbranche. Nach Rengers Meinung fehlt vielen der Wille und vor allem der Mut, um in solche Technologien zu investieren. Das sei ein Fehler, zumindest laut Renger. „In fünf bis zehn Jahren werden wahrscheinlich 90 Prozent der Web-Inhalte ohnehin automatisiert erstellt werden.“
Auch interessant: Emojis, Zahlen und Verben: E-Mail-Mythen und die Wahrheit
Auch wenn mir persönliche redaktioneller Inhalt lieber ist, find ich das Thema schon sehr interessant.
Allein von der technischen Seite her betrachtet. Ich habe selbst viel mit IT und dem Programmieren zu tun und es gibt z.B. auf GitHub schon zahlreich Projekte, welche sich (open source sogar!) damit befassen. Das erste mal auf das Thema gestoßen bin ich, als dort jemand eine selbst geschriebene Software zur künstlicehn Generierung von Donald Trump–ähnlichen Reden publiziert hat. War sehr lustig 😀
– Ich bin sicher, nicht einmal einen derart unkritischen und vor Technikgläubigkeit triefenden Text wie diesen könnte eine Maschine schreiben. Im Übrigen gibt es längst ausgereifte Software, die Geschäftsdaten automatisch aufbereitet – nicht unbedingt in Prosa. Und 1000 Euro pro Monat sind auch kein Schnäppchenpreis.
– Hyperlokale Wetterinfos bekomme ich mit meinen Meteomedia-Apps schon heute, hübsch grafisch aufbereitet (ein Piktogramm und ein paar Zahlen sagen mehr als 120 Wörter). Leider sind die Daten nicht wirklich hyperlokal, und eine Textversion wäre inhaltlich genauso armselig, nur langatmiger.
– Übersetzer werden auch nicht arbeitslos, denn wenn KI auch nur aus dem Englischen halbwegs korrekt in ein paar viel gesprochene Sprachen wie Deutsch, Spanisch und Französisch dolmetschen könnte, würden Facebook, Google und Microsoft nicht so einen Mist produzieren, wie ich ihn regelmäßig als Übersetzung angeboten bekomme.
Die Gefahr, die ich in den von Hybris geprägten Versuchen des roboterisierten Textens sehe: Der Krampf, der dabei herauskommt, verleidet den Nutzern das Lesen. Lesen macht dann keinen Spaß mehr, und auch Gutes wird weniger wahrgenommen. Stoppt also diese Zauberlehrlinge, die nicht wissen,was sie da tun!
Hallo Herr Froitzheim,
mir scheint ihr „triefender“ Text ist von Innovationsangst nur so gespickt. Seit Jahren führen wir die ständig gleichen Diskussionen im journalistischen Umfeld.
Ich bin der Meinung man sollte sich mit einer derart komplexen Technologie auseinandersetzen, bevor man sie verurteilt oder gar Äpfel mit Birnen vergleicht.
Der Roboterjournalismus ist keine Gefahr, sondern stellt eine Chance für den Journalismus dar. Als Gefahr würde ich vielmehr die rückwärtsgewandten Medienhäuser, welche sich mit erhobenen Haupte auf ihren bröckligen Geschäftsmodellen ausruhen, ansehen.
Zum einen gibt es z.B. hyperlokale Wetterinformationen. Diese werden aber eben aufgrund der fehlenden Möglichkeiten nicht ausgewertet und aufbereitet. Dies ist mithilfe einer NLG-Software ohne weiteres Möglich und könnte sehr wohl einen Mehrwert für den Endverbraucher darstellen.
Auch zum Thema Übersetzen möchte ich ein paar Worte verlieren: Übersetzen ist nicht mit der Generierung von Inhalten gleichzusetzen. Die von Ihnen angesprochene Vorgehensweise wie Google, Facebook und Microsoft sie nutzen sind holistische Ansätze, welche korrekterweise eher mäßig funktionieren. Deepl.com legt die Messlatte schon deutlich höher. Bei der von uns angewandten NLG Vorgehensweise, werden Texte jedoch anhand von Daten auf der einen und Strukturinformationen über Sprache (Grammatik) auf der anderen Seite generiert. Zwei völlig unterschiedliche Ansätze mit qualitativ unterschiedlichen Ergebnissen.
Es gibt diesbezüglich übrigens zahlreiche unabhängige Studien die belegen, dass ein Mensch kaum noch zwischen einem „von Hand“ geschriebenen Text und einem generierten Text (ich betone hier generiert) unterscheiden kann.
Gern lade ich auch Sie ein, einen tieferen Einblick in die Möglichkeiten zu erfahren um Sie davon zu überzeugen, dass wir Zauberlehrlinge sehr wohl wissen was wir da tun und Sie uns nicht per se als das Böse ansehen müssen, sondern vielmehr als Begleiter in den Journalismus des 21. Jahrhunderts.
Künstliche Intelligenz ist ein komplexes Feld. Zwar können Texte generiert werden, aber nur aus anderen schon vorhandenen Texten. Man sieht die Probleme mit Texten auch viel in der Übersetzung. Da muss man nur einmal Übersetzungssoftware mit einem Übersetzungsbüro vergleichen.
Hi Amalia, auch wenn KI ein komplexes Feld ist, muss ich deine Aussage korrigieren: Es ist eben nicht so, dass Texte nur aus anderen schon vorhandenen Texten generiert werden können. Das zeigen und praktizieren wir schon seit Jahren. Natürlich benötigt die Software Input, jedoch sind Daten auf der einen und Informationen wie Tonalität, Formulierungen, Grammatik etc. auf der anderen Seite ausreichend um qualitativ hochwertige Texte auszuliefern.
Auch darf man Übersetzung nicht mit Sprachgenerierung verwechseln. Gern lade ich dich ein, einen Einblick in die Funktionalität unserer Software zu bekommen um ein Verständnis für das Wie zu entwickeln.
Über welche Textsorten reden wir denn hier? Nachrichten sind easy für eine Software, auch Reports aller Art, bei denen lediglich Daten verknüpft werden müssen, sind es ebenfalls. Aber was ist mit Texten, die einen eigenständigen Gedanken enthalten sollen? Betreiben Sie mit Absicht Verwirrung, oder ist Ihnen nicht bewusst, dass Menschen, die nicht an KI als Autor eines Textes mit Gehalt glauben, hingegen sehr wohl glauben, nämlich, dass Texte nicht nur dem Anpreisen von Produkten oder dem Berichten von Ereignissen dienen, sondern einer Auseinandersetzung mit einem Topos? Solange Maschinen kein Bewusstsein haben, also niemals, werden Texte, die diese Bezeichnung verdienen, ausschließlich von Menschen geschrieben, die ihre Emotion, Empathie, Empörung oder was auch immer zusammen mit einem eigenen Gedanken Text transportieren. Oder gibt es einen anderen Grund dafür, dass Sie Ihre mit Orthografiefehlern gespickten Lobpreisungen des Produktes in diesem Kommentarthread nicht von Ihrer Software schreiben lassen?