Die öffentliche Verwaltung in Deutschland ist stark von kommerzieller Software aus den USA abhängig. Das verursacht hohe Kosten und führt zu einer digitalen Abhängigkeit. Dabei gibt es bereits Open Source-Lösungen aus dem eigenen Haus. Doch die Bundesregierung legt der digitalen Unabhängigkeit Steine in den Weg.
Wie die Privatwirtschaft ist auch die Bundesregierung auf Software angewiesen. Der Hauptanbieter: Microsoft. Rund 96 Prozent aller unmittelbaren Bundesbehörden nutzen die Microsoft Office Suite, das Betriebssystem Windows und dazugehörige Server.
Die Bundesregierung ist damit von einem US-Konzern abhängig. Die Nutzung der Microsoft-Software verursacht zudem enorme Kosten. Im Jahr 2024 beliefen sich die Ausgaben auf rund 205 Millionen Euro. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es nur 44 Millionen Euro. Wie viel die Bundesregierung tatsächlich für Software ausgibt, ist aber unklar – aus Gründen der nationalen Sicherheit.
Open Source: Was hat die Bundesregierung gegen digitale Unabhängigkeit?
Eigentlich gibt es bereits eine Lösung: Das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung, kurz ZenDiS. Es wurde gegründet, um den Einsatz und die Weiterentwicklung von Open Source-Lösungen voranzutreiben.
Dadurch soll die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung in Deutschland gestärkt werden. Doch ausgerechnet der Bund behindert die Umsetzung. So wurden dem Zentrum beispielsweise 34 Millionen Euro aus dem Haushalt 2023 zugesprochen. Ausgezahlt wurden die Mittel bisher allerdings nicht.
Vor über zwei Jahren haben Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Thüringen und Berlin zudem Interesse bekundet, der ZenDiS GmbH beizutreten. Der Bund zögerte erneut. Wie aus einer Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der Linken hervorgeht, werde noch geprüft, ob ein solcher Schritt gegen das Verbot der Mischverwaltung von Bund und Ländern verstößt.
Open Source-Lösungen existieren bereits
Die Bundesregierung ist sich darüber im Klaren, dass ohne den Beitritt der Länder künftig Aufträge für ZenDiS fehlen könnten. Dabei steht fest, dass der unternehmerische Erfolg des Zentrums für digitale Souveränität davon abhängt, wie viele Aufträge es für sich gewinnen kann.
Die Zurückhaltung des Bundes wirkt daher widersprüchlich. Denn die Bereitschaft, Open-Source-Dienste zu nutzen, scheint hoch zu sein. ZenDiS-Chefin Jutta Horstmann erklärte in einem Interview, dass die Office-Software openDesk bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung 1.500 Projektanfragen aus Bund, Ländern und Kommunen verzeichnete.
Wie Netzpolitik berichtet, gibt es auch im Ausland Interesse am digitalen Arbeitsplatz für Behörden: Länder wie Frankreich, die Niederlande und Tschechien kooperieren bereits mit ZenDiS oder zeigen Interesse an der Nutzung von openDesk. Das gleiche gilt für Hochschulen und Schulen.
Auch die Plattform openCode habe sich stark weiterentwickelt und wird von der öffentlichen Verwaltung bereits genutzt, um offenen Code auszutauschen und weiterzuentwickeln.
Keine Alternative für Digitale Souveränität
Jutta Horstmann betont, wie wichtig digitale Unabhängigkeit ist. Die Abhängigkeit von US-Konzernen mache den Staat angreifbar. Unter den aktuellen geopolitischen Bedingungen sei Digitale Souveränität alternativlos. Sie müsse als Staatsaufgabe verstanden und entsprechend hoch auf der politischen Agenda priorisiert werden. Denn Open Source sei ein mächtiges Werkzeug:
Offener Code, offene Standards und Schnittstellen machen die Verwaltung unabhängig von Herstellern, ermöglichen Einflussnahme auf Funktionalitäten und Betriebslogiken sowie die Option, Anbieter zu wechseln und Expertinnen mit dem Schließen von Sicherheitslücken zu beauftragen. Kurzum: Die öffentliche Verwaltung gewinnt die Kontrolle über ihre IT zurück und bleibt handlungsfähig in allen gesellschaftlichen Bereichen.
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Mit der Diskussion Open Source statt Microsoft Office wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Es müssen zuerst die Abhängigkeiten in der Fachsoftware von einzelnen Herstellern beseitigt werden, bevor Betriebssystem und Office ernsthaft abgelöst werden können.