Nach dem Siegeszug von ChatGPT haben fast alle großen Tech-Unternehmen eigene KI-Produkte auf den Markt gebracht. Doch ausgerechnet Apple, das größte Technologie-Unternehmen der Welt, hinkt nicht nur hinterher, sondern scheint sich gar in einer Art KI-Krise zu befinden. Eine Analyse.
Apple ist eines der wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt. Marktkapitalisierung: rund 2,83 Billionen US-Dollar (Stand: 7. April 2025). Der iPhone-Konzern ist nicht nur in vielen Bereichen extrem erfolgreich, sondern hat mehr Geld zur Verfügung, als irgendjemand jemals ausgeben könnte.
Mit dem iPhone, dem iPad oder den AirPods ist das Unternehmen mittlerweile in vielen Produktkategorien unangefochtener Marktführer. Dabei war Apple nicht das erste Unternehmen, das OLED-Displays in seine Smartphones eingebaut, das kabellose Kopfhörer entwickelt und das das erste Tablet hergestellt hat.
Doch Apple hat stets Produkte entwickelt, die denen der Konkurrenz voraus waren – und vor allem: die die Leute haben wollten. Das iPhone ist das perfekte Beispiel dafür, da viele Unternehmen bereits zuvor Smartphones auf den Markt brachten. Doch keines konnte so überzeugen wie das des US-Konzerns.
Einige sind sogar der Meinung, dass Apple die Zeit beziehungsweise die abwartende und zurückhaltende Haltung bei vielen Entwicklungen sogar in die Karten gespielt hat. Denn das Unternehmen hat schlichtweg die Arbeit von anderen weiterentwickelt und viele Produkte dann auf seine eigene Art und Weise entwickelt.
Mit Blick auf KI als eine der wohl prägendsten technologischen Innovationen aller Zeiten, geht diese Strategie jedoch nicht nur nicht auf. Apple, der wertvollste Technologie-Konzern der Welt, scheint anderen Unternehmen mittlerweile meilenweit hinterherzuhinken. Und das hat gleich mehrere Gründe.
Warum Apple in der KI-Krise steckt
Wie alle großen börsennotierten Technologie-Unternehmen ist Apple darauf angewiesen, so viel Geld wie möglich zu verdienen und weiter zu wachsen. Denn hinter dem Konzern stehen zahlreiche Geldgeber und Aktionäre, die glücklich gemacht werden wollen. Das funktioniert jedoch nur, wenn sie den Glauben an die Unternehmensstrategie nicht verlieren.
Nach der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 standen deshalb viele Tech-Unternehmen unter Druck. Denn die KI verzeichnete in nur zwei Monaten über 100 Millionen Nutzer weltweit und gilt damit als die am schnellsten wachsende Internet-Anwendung aller Zeiten. Daraufhin ist ein regelrechter KI-Wettstreit ausgebrochen.
Vor allem Microsoft, Google und Facebook-Mutterkonzern Meta gelang es binnen kürzester Zeit, konkurrenzfähige KI-Modelle auf den Markt zu bringen. Auch zahlreiche Start-ups sind aus dem Boden geschossen und konnten sich in der KI-Branche etablieren. Nur Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt, scheint den KI-Zug verpasst zu haben.
Einer der Hauptgründe dafür ist, dass Apples bisherige Produkt-Strategie des Abwartens und Verbesserns vielleicht bei Hardware funktioniert hat, aber nicht bei Software funktioniert – zumal KI ein spezieller Software-Zweig ist, der sich aktuell rasend schnell entwickelt. Im Grunde genommen haben aber alle Big Tech-Unternehmen das gleiche gemacht. Sie haben ihren Hut in den Ring geworfen und gesagt: Wir machen jetzt irgendetwas mit KI.
Apples bisherige Strategie geht nicht auf
Microsoft, Meta und Google haben mittlerweile geliefert. Denn alle drei haben konkurrenzfähige KI-Modelle entwickelt und verfolgen dabei einen eigenen Ansatz. Google hat mit Gemini etwa ein Sprachmodell entwickelt, das in direkt Konkurrenz zu ChatGPT steht und mittlerweile Teil der Google-Suche ist. Microsoft hat mit Copilot derweil eine KI-Serie ins Leben gerufen, die auf im Rahmen einer Partnerschaft mit OpenAI zwar auf GPT-4 basiert.
Allerdings hat der Windows-Konzern das System in zahlreiche seiner Produkte integriert und entsprechend angepasst. Facebook-Mutterkonzern Meta verfolgt mit Llama derweil einen Open Source-Ansatz. Ziel des Unternehmen ist es, eine offene KI für die Forschung zu entwickeln und selbst eigene KI-Standards zu etablieren. Meta hat das System außerdem in seine Plattformen integriert.
Und Apple? Auch der iPhone-Konzern hat seinen Hut in den KI-Ring geworfen. Allerdings erst zwei Jahre später, als das Unternehmen auf der WWDC 2024 sein KI-System Apple Intelligence angekündigt hat. Das Problem: Geliefert hat Apple bislang noch nicht wirklich. Apple Intelligence ist mittlerweile zwar auch in der EU angekommen, aber sowohl in Europa als auch in den USA fragt man sich, ob und welche KI-Strategie Apple überhaupt verfolgt.
Oberflächlich betrachtet liefert Apple Intelligence zwar einige hilfreiche Funktionen wie das Zusammenfassen von Texten oder Bearbeiten von Bildern. Allerdings können andere KI-System das auch. Der Ansatz dürfte sein, Nutzer im eigenen Ökosystem halten zu wollen. Auf einer ähnlichen Strategie basiert auch Meta AI. Allerdings setzt der Facebook-Konzern im Gegensatz zu Apple auf eine mehrgleisige Strategie.
Der iPhone-Konzern hat für Apple Intelligence zudem eine umfangreiche PR-Aktion gestartet. Das Problem: Im Gegensatz zu bisherigen Produktankündigungen, konnte das Unternehmen bis aus lose Ankündigungen nichts zum Anfassen oder Ausprobieren präsentieren. Viele Funktionen von Apple Intelligence befinden sich zudem noch in der Pipeline. Wann genau sie erscheinen, ist jedoch ungewiss.
Siri: Apple manövriert sich selbst in die KI-Krise
Möglicherweise überrascht Apple am Ende vielleicht doch alle und liefert mit Apple Intelligence ein KI-System mit eigenem Stempel. Anzeichen dafür gibt es jedoch nur wenige. Im Gegenteil: Das Unternehmen hat bereits einen gewissen Image-Schaden erlitten und eine große Chance verspielt. Das gilt vor allem für Apples in den Jahre gekommenen Sprachassistenten Siri.
Denn neben den zahlreichen Werbeaktionen für Apple Intelligence hat der iPhone-Konzern ein runderneuertes KI-Siri angekündigt. In beiden Fällen kam es jedoch immer wieder zu Verzögerungen und das neue Siri wurde nun sogar auf 2026 verschoben. Produktverzögerungen sind zwar normal, für Apple jedoch unüblich. Vor allem in der sich rasant entwickelnden KI-Branche könnten sie aber zum Problem werden.
Man erinnere sich an Nokia oder Blackberry, die in ihrer Prime-Time an der Weltmarktspitze standen. Beide Unternehmen haben jedoch den Sprung zu Smartphones verpasst und sind mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Dieses Schicksal dürfte Apple kurz- bis mittelfristig zwar nicht ereilen. Aber das Unternehmen scheint einen wichtigen Technologie-Sprung verpasst zu haben.
Passt KI einfach nicht zu Apple?
Einerseits ist KI derzeit einfach nicht Teil von Apples Kerngeschäft. Das Unternehmen wird weiterhin viel Geld mit Hardware verdienen, aber es dürfte schwer werden eine Linie zu Apple Intelligence zu ziehen. Nach all den Ankündigungen und Werbespots muss Apple aber liefern. KI steht jedoch häufig im Konflikt mit dem Datenschutz, während der Datenschutz eines der großen Produktversprechen des iPhone-Konzerns ist.
Eigentlich könnte sich das Unternehmen im Sinne seiner bisherigen Strategie zurücklehnen und sich auf sein gigantisches Entwickler-Team verlassen, das dann eine grandiose KI entwickelt. Allerdings war es bislang immer ein großes Interesse des Unternehmens, Nutzer im eigenen Ökosystem zu halten. Eine Siri-KI, die sämtliche Aufgaben erledigt, ohne eine App jemals zu öffnen, dürfe deshalb eigentlich nicht im Interesse des iPhone-Konzerns sein.
Andererseits haben Apple Intelligence und die Siri-KI so viel PR bekommen, dass doch irgendeine Strategie dahinterstecken muss. Fest steht: Früher oder später wird eine fertig Apple-KI kommen. Vor allem Siri birgt für Apple dabei große Chancen. Ob es dem Unternehmen gelingt, dem Thema KI seinen eigenen Stempel aufzudrücken, wird jedoch vermutlich erst im kommenden Jahr zeigen.
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Abwarten. Wenn Entwickler das App Intents Framework konsequent nutzen, wird Apple mit seiner tief integrierten KI in den Alltag der Nutzer vordringen – weit über das hinaus, was Chatbots aktuell leisten.
https://developer.apple.com/documentation/appintents