In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: LoopID.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: LoopID, eine KI-Plattform für die Kreislaufwirtschaft.
Was ist LoopID?
- Unternehmenssitz: München
- Gründung: 2024
- Gründer-Team: Christian Adler und Alexis Gamboa
- Produkt: DPP360, eine KI-gestützte Plattform für digitale Produktpässe, smarte Reparatur- und Recommerce-Lösungen.
Die Herausforderung: Eine Kreislaufwirtschaft ohne bürokratische Hürden
Produkte langlebiger zu machen und in den Kreislauf zurückzuführen, ist eine der zentralen Herausforderungen nachhaltiger Wirtschaft. Die EU verpflichtet Unternehmen, seit diesem Jahr in immer mehr Kategorien digitale Produktpässe einzuführen, um Informationen zu Materialien, Herkunft und Recyclingmöglichkeiten bereitzustellen.
Das klingt erst mal nach zusätzlichem Verwaltungsaufwand, bietet aber enorme Chancen: Unternehmen, die ihre Produkte über den gesamten Lebenszyklus begleiten, können nicht nur die Nutzungsdauer verlängern, sondern auch neue Services und Einnahmequellen erschließen.
LoopID hat mit DPP360 eine Plattform entwickelt, die genau hier ansetzt. Digitale Produktpässe werden nicht nur zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben genutzt, sondern ermöglichen datenbasierte Geschäftsmodelle. Durch KI-gestützte digitale Zwillinge erhalten Unternehmen detaillierte Informationen zu ihren Produkten. Kunden können direkt mit ihnen interagieren, etwa um Reparaturanleitungen oder Wiederverkaufsoptionen abzurufen.
Ein Kunde, dessen Waschmaschine nicht mehr funktioniert, soll beispielsweise künftig über DPP360 ermitteln können, woran es liegt. Die Maschine analysiert das Problem und schlägt eine Lösung vor: „Ich habe ein Problem mit der Wasserpumpe. Bitte überprüfe den Filter. Falls das nicht ausreicht, kann ich dich mit einem Reparaturservice verbinden.“
Das reduziert Servicekosten, verlängert die Produktlebensdauer und gibt eine sofortige Hilfestellung – ein Ansatz, mit dem Nutzer unterstützt werden sollen, einfache Probleme selbst zu lösen oder die richtigen weiteren Schritte einzuleiten.
Digitale Produktpässe in Textilien
Mit einer bekannten Outdoor-Marke pilotiert LoopID aktuell in der Sportbekleidungsbranche – und das nicht nur in einem Testlabor, sondern direkt im Handel. Beim Sporthaus Schuster in München können Kunden bereits mit den ersten digitalen Produktpässen interagieren.
Ein entscheidender Vorteil: Die Technologie macht es nicht nur einfacher, Produktinformationen abzurufen, sondern verbessert auch den gesamten Lebenszyklus der Produkte. Käufer können sehen, wie sie ihre Jacke richtig pflegen, wo sie sie reparieren lassen oder ob sie sie später weiterverkaufen können.
Damit ist der digitale Produktpass nicht nur eine Ansammlung von Daten, sondern ein Tool, das Marken und Kunden aktiv in eine nachhaltigere Nutzung einbindet.
Diese Zusammenarbeit zeigt, wie digitale Produktpässe mehr sein können als eine regulatorische Notwendigkeit. Sie eröffnen völlig neue Möglichkeiten in der Kundenkommunikation, stärken die Kundenbindung und machen nachhaltigen Konsum praktikabler.
Digitale Produktpässe als wirtschaftliche Chance
Viele Unternehmen betrachten digitale Produktpässe als zusätzliche Verpflichtung. LoopID setzt mit DPP360 darauf, dass diese Daten sinnvoll genutzt werden können. Produkte mit einer digitalen Historie lassen sich leichter weiterverkaufen, da Zustand und Nutzung nachvollziehbar sind. Reparaturen werden effizienter, weil alle Informationen zum Produkt verfügbar sind. Und Recyclingprozesse profitieren von genaueren Materialangaben, die eine sortenreine Trennung ermöglichen.
Unternehmen, die ihre Produkte nach dem Verkauf nicht einfach aus den Augen verlieren, sondern über digitale Produktpässe begleiten, können langfristig neue Serviceangebote schaffen. Wenn klar ist, welche Ersatzteile benötigt werden, können Hersteller gezielt Angebote für Reparaturkits oder zertifizierte Reparaturdienstleister bereitstellen. Kundenbindung entsteht nicht nur über den ersten Kauf, sondern über die gesamte Nutzung hinweg.
LoopID will Maßstäbe in der Elektronikbranche setzen
Auch im Elektronikbereich ist LoopID aktiv. Beim CiCEL 2.0 „Repair at Scale“ Workshop in Berlin war das Unternehmen mit über 50 Branchenexperten im Austausch darüber, wie Reparaturen wirtschaftlicher und praktikabler gemacht werden können.
Ein großes Problem in der Branche: Reparaturen sind oft teurer als ein Neukauf, weil Ersatzteile schwer zugänglich sind oder sich die Diagnose eines Defekts nicht lohnt. Digitale Produktpässe können hier Abhilfe schaffen, indem sie schon beim Verkauf sicherstellen, dass alle relevanten Produktinformationen erfasst werden. So lassen sich Defekte schneller analysieren, Ersatzteile gezielter bestellen und Reparaturkosten reduzieren.
LoopID ist außerdem nicht nur Technologieanbieter, sondern auch in regulatorische Entwicklungen involviert. Das Unternehmen ist aktives Mitglied in Experten-Arbeitsgruppen der EU-Kommission, die an der Gestaltung künftiger Regularien für digitale Produktpässe arbeiten.
Finanzierung und Wachstum
Gegründet wurde LoopID von Christian Adler, zuvor Associate Director für Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz bei der Boston Consulting Group und Alexis Gamboa, der unter anderem bei EY tätig war.
Sie konnten bereits etliche Investoren von ihrer Vision überzeugen: In der ersten Finanzierungsrunde 2024 beteiligten sich Vanagon Ventures und Jörg Walden, Gründer von iPoint Systems, an dem Start-up.
Zusätzlich erhielt LoopID Fördermittel vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, um die Technologie weiterzuentwickeln.
Mit dieser Unterstützung plant LoopID, weitere Branchen anzugehen. Besonders in den Bereichen Mode und Elektronik sieht das Unternehmen Potenzial, da hier die Notwendigkeit für nachhaltige Lösungen besonders hoch ist.
Fazit: LoopID
LoopID bewegt sich in einem wachsenden Markt für digitale Produktpässe. Wettbewerber wie Circularise (Blockchain-basierte Lieferketten), Everledger (Luxusgüter) oder große Anbieter wie SAP und Siemens bieten ähnliche Lösungen. Das Münchner Start-up differenziert sich durch die Kombination von Regulatorik, Reparatur- und Recommerce-Services, muss aber schnell skalieren, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Der Erfolg wird vor allem davon abhängen, wie gut sich die Plattform in bestehende Unternehmenssysteme integrieren lässt – eine einfache und effiziente Anbindung könnte den Markteintritt erleichtern. Zudem bietet die Lösung großes Potenzial für größere Unternehmen, sofern sie flexibel genug skaliert werden kann.
Auch die Nutzerakzeptanz wird eine spannende Frage sein: Wenn Kunden die interaktiven Funktionen aktiv nutzen, könnte das Modell neue Standards in der Kreislaufwirtschaft setzen. Mit den bisherigen Finanzierungsrunden ist ein solides Fundament gelegt, weiteres Kapital könnte das Wachstum beschleunigen und neue Branchen erschließen.
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