Soziale Medien sind darauf ausgelegt, dass sie uns Inhalte zeigen, die uns gefallen. Dadurch entstehen unbemerkt digitale Parallelwelten, in denen Menschen radikalisiert und anderslautende Meinungen ausgeblendet werden. Das ist gefährlich. Ein kommentierender Erfahrungsbericht.
Die sozialen Medien bestimmen seit mehr als zwei Jahrzehnten unser Leben. Auch wenn es nicht immer so präsent ist: LinkedIn, Facebook und Instagram sind teilweise schon seit über 20 Jahren als Apps und digitale Anwendungen vertreten.
Eines der größten Erfolgsgeheimnisse der Plattformen besteht darin, dass sie einerseits Menschen miteinander vernetzen – entweder privat oder beruflich, um die eigene Karriere voranzutreiben.
Die Analyse unseres digitalen Verhaltens
Andererseits schaffen es sozialen Netzwerke, dass sie uns an sich binden. Will heißen: Die Algorithmen sind darauf ausgelegt, dass wir möglichst viel Zeit auf Instagram, TikTok und Co. verbringen.
Und wie gelingt das? Ganz einfach: Ind em die Plattformen unser Verhalten auf den Plattformen und im Internet verfolgen, analysieren und daraufhin die ausgespielten Inhalte an unsere (wahrscheinlichen) Interessen anpassen. Das nennt sich im Fachjargon dann Tracking und Targeting.
Meta, Google und andere Plattformbetreiber sind deshalb daran interessiert, möglichst viele Informationen über uns zu sammeln, ein Profil anzulegen und uns auf diese Art und Weise anzufixen.
Filterblasen und Echokammern
Eine Folge dieses digitalen Profilings sind Filterblasen und Echokammern. Fast alle Social Media-Nutzer leben in Filterblasen. Sie sehen primär Inhalte, die ihnen gefallen. Das geschieht unbemerkt und automatisch, weil die Plattformen selbst die passenden Informationen vorfiltern. Es handelt sich also um eine technische Filterung.
Deutlich gefährlicher dagegen sind die sogenannten Echokammern. Die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen schreibt auf ihrer Hilfsseite „Zebra“ dazu:
„Bei der Echokammer handelt es sich um eine soziale Filterung. Echokammern verstärken den Effekt dieser gefilterten Informationen, insbesondere in sozialen Netzwerken. Einfacher als in der realen Welt finden sich hier Gleichgesinnte, die sich gegenseitig in eigenen Positionen (Überzeugungen, Meinungen und Auffassungen) bestärken. Dies kann das Aufkommen extremer Ansichten verstärken.“
Mario Halm erklärt im „Wörterbuch der Journalistik“ aus der Perspektive der Kommunikationswissenschaften:
„Der Begriff der Echokammer (engl. ,echo chamber’) verweist auf einen metaphorischen Raum, in dem Aussagen verstärkt und Störgeräusche, etwa anders lautende Meinungen, geschluckt werden.“
Digitale Parallelwelten: Harmlose Gespräche über Brotdosen
Wie schnell Social-Media-Nutzer in Filternblasen und Echokammern gefangen werden, zeigen zwei Beispiele relativ eindrucksvoll. Beginnen wir mit der harmlosen Varianten: Facebook-Gruppen.
Vor einigen Monaten bin ich aus Spaß einer Facebook-Gruppe über Brotdosen für Kinder (Jugendliche und Erwachsene) beigetragen. Weil ich die Beiträge interessant und amüsant finde, viel interagiere und Zeit in der Gemeinschaft verbringe, spielt mir Facebook tagtäglich und fortlaufend Inhalte aus.
Andere Interessen wie meine Leidenschaft für die NFL, von denen Facebook ebenfalls seit Jahren weiß, sind komplett aus meinem Feed verschwunden. Ich bin in einer Echokammer aus kuriosen Brotdosen-Inhalten gefangen.
Das klingt lustig, ist es auf einer Meta-Ebene allerdings nicht, weil es für mich als Betroffener schwer bis unmöglich ist, sich daraus zu befreien.
Vom radikalen Geschichtenverdreher Elon Musk
Die für Gesellschaft und Persönlichkeit deutlich gefährlichere Echokammer, in der in Deutschland und rund um den Globus Millionen von Menschen gefangen sind, ist „X“. Seitdem Elon Musk die Plattform übernommen hat, werden immer mehr Lügen als Fakten dargestellt.
Das liegt daran, dass Elon Musk selbst fragwürdige Inhalte teilt – zum Beispiel ein gefälschtes Wahlplakat der US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in Sowjet-Uniform. Es genügt bereits einen „X“-Account zu haben, um in die gefährliche Bubble aus Radikalisierung und Rassismus gezogen zu werden.
Auch an dieser Stelle ist das Beängstigende: Selbst als vermeintlich neutraler Beobachter und Plattform-Teilnehmer wird man in den Strudel aus Fake News und verdrehten Wahrheiten gezogen – ob man will oder nicht.
Die größte Herausforderung besteht demnach darin, zu bemerken, dass es digitale Parallelwelten gibt und man selbst in einer gefangen ist. Das Problem dabei: Den wenigsten Menschen gelingt diese Erkenntnis.
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