Das einstige deutsche Vorzeige-Start-up und Flugtaxi-Unternehmen Lilium hat binnen weniger Monate zum zweiten Mal Insolvenz angemeldet. Wie ist das möglich? Eine kommentierende Analyse.
Das Flugtaxi-Unternehmen Lilium wurde 2015 gegründet. Es wurde durch die Entwicklung von elektrisch betriebenen, 36-motorigen Senkrechtstartern (eVTOL), den sogenannten „Lilium Jets“, bekannt. Die Flugtaxen sollten den regionalen Luftverkehr revolutionieren – so zumindest der Plan.
Die Probleme von Lilium
Nachdem Lilium vielversprechend gestartet ist, kam es zu Problemen: Hohe Entwicklungskosten und ein entsprechend hoher Kapitalbedarf, Verzögerungen bei der Zertifizierung und eine – fast schon für Deutschland typische – fehlende staatliche Unterstützung führten letztendlich dazu, dass das Unternehmen „nicht mehr abheben konnte“.
Letztendlich wurden die hohen und immer weiterlaufenden Kosten, und die damit in Zusammenhang stehenden Finanzierungsprobleme Lilium zum Verhängnis und führten zu ersten Insolvenz.
Obwohl Lilium große technologischer Fortschritte vorweisen konnte, kämpfte das Unternehmen von Beginn an mit finanziellen Herausforderungen, die auf die hohen Betriebskosten und die sich länger als gedacht hinziehenden Zertifizierungen zurückzuführen waren.
Die erste Insolvenz von Lilium: Ursachen und Verlauf
Das Unternehmen wollte eigentlich 2025 die ersten Jets in Betrieb nehmen. Die Zulassungsverfahren zogen sich aber immer weiter hin und konnten nicht wie geplant abgeschlossen werden. Bis Mitte 2024 hatte Lilium Verluste von nahezu 1,5 Milliarden Euro angehäuft, ohne nennenswerte Einnahmen zu erzielen (was auf den fehlenden Betrieb der Jets mangels Zulassung zurückzuführen war).
Der hohe Kapitalbedarf für Forschung, Entwicklung und Zertifizierung der Flugtaxis führte schließlich Ende 2024 zu einem akuten Finanzierungsbedarf. Versuche, staatliche Unterstützung in Form von Bürgschaften über 100 Millionen Euro zu erhalten, scheiterten, da der Haushaltsausschuss des Bundestages die notwendige Zustimmung verweigerte. Infolgedessen meldete Lilium im Oktober 2024 für seine deutschen Tochtergesellschaften Insolvenz in Eigenverwaltung an.
Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist dabei eine besondere Form des Insolvenzverfahrens, bei dem für ein Unternehmen zwar ein Insolvenzgrund, also entweder die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung, vorliegt, es aber dennoch weiterhin selbst die Kontrolle über seine Geschäfte behält. Diese Art des Verfahrens kommt dann in Betracht, wenn eine Fortführung des Unternehmens als möglich angesehen wird.
Das bedeutet in der Folge auch, dass die Geschäftsführung nicht durch einen Insolvenzverwalter ersetzt wird, sondern das Unternehmen unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters durch die bisherige Geschäftsführung weitergeführt wird. Die Eigenverwaltung soll es also ermöglichen, das Unternehmen durch Umstrukturierungsmaßnahmen zu retten. Genau das war der Plan für Lilium, denn es bestand die berechtigte Hoffnung, die erforderlichen Finanzmittel zu erhalten.
Die zweite Insolvenz von Lilium: Wiederaufleben und erneuter Rückschlag
Nach der ersten Insolvenz gelang es Lilium, potentielle Geldgeber zu finden, die zugesagt hatten, rund 200 Millionen Euro bereitzustellen, um das Unternehmen zu stabilisieren und den Betrieb fortzusetzen. Der größte Teil dieser Summe, nämlich 150 Millionen Euro, wurde dabei von dem slowakischen Investor Marian Boček zugesagt.
Allerdings wurden diese Mittel letztlich doch nicht bereitgestellt (von Seiten Marian Boček wurden „technische Schwierigkeiten“ als Grund genannt), was schließlich zur zweiten Insolvenzanmeldung im Februar 2025 führte. Dass ein Unternehmen zweimal in die Insolvenz gerät, ist ungewöhnlich, aber nicht unmöglich.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland lassen dies zu. Ursachen für mehrfache Insolvenzanmeldungen können zum einen unzureichende Restrukturierung sein. Dies ist dann der Fall, wenn nach der ersten Insolvenz möglicherweise nicht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen wurden, um das Geschäftsmodell nachhaltig zu stabilisieren. Zum anderen können externe Marktbedingungen als Ursache gelten.
Dabei führen Veränderungen im Marktumfeld oder technologische Herausforderungen dazu, dass ein Unternehmen trotz Sanierungsbemühungen erneut in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Deutsches Insolvenzrecht: Mehrfache Insolvenzen möglich
Das deutsche Insolvenzrecht bietet Unternehmen nun die Möglichkeit, sich durch ein Insolvenzverfahren zu sanieren oder abzuwickeln. Ein zentrales Instrument ist dabei das Insolvenzplanverfahren, das eine einvernehmliche Lösung zwischen Schuldner und Gläubigern anstrebt.
Ist dieses Verfahren erfolgreich, dann kann die Insolvenz beendet und das Unternehmen weitergeführt werden. Scheitert eine Sanierung oder treten neue finanzielle Schwierigkeiten auf, kann es jedoch zu einer erneuten Insolvenz kommen. Das Gesetz sieht dabei keine Beschränkung hinsichtlich der Anzahl der Insolvenzen eines Unternehmens vor, solange die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere für die Insolvenz in Eigenverwaltung, erfüllt sind.
Bei der Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung des Unternehmens im Amt und wird von einem Sachwalter überwacht. Dieses Verfahren soll die Sanierung erleichtern und wird häufig bei erstmaligen Insolvenzen angewendet. Allerdings erfordert es eine realistische Sanierungsperspektive und die Unterstützung der Gläubiger. Bei Lilium war dies wohl mit Blick auf das erste Insolvenzverfahren gegeben, denn es bestand die realistische Aussicht auf neue Geldmittel.
Dann ist es jedoch wirtschaftlich vertretbar, dem Unternehmen über das Insolvenzrecht noch eine Chance auf Fortführung zu geben, anstatt gleich die Abwicklung anzustreben. Jedoch hat sich die Hoffnung auf neue Finanzmittel für Lilium nicht erfüllt. Es bestand deshalb keine andere Möglichkeit mehr, als erneut, diesmal wohl endgültig, Insolvenz anzumelden.
Fazit: Die doppelte Insolvenz von Lilium
Der Fall Lilium verdeutlicht die Herausforderungen, denen innovative Start-ups gegenüberstehen, insbesondere in kapitalintensiven Branchen wie der Luftfahrt. Trotz technologischer Fortschritte können finanzielle Engpässe und externe Faktoren zu einem Scheitern führen.
Positiv ist aber, dass das Insolvenzverfahren inzwischen auch die Fortführung im Blick hat und nicht gleich auf die Abwicklung „zielt“. Wirtschaftlich macht das Sinn. Besteht aber keine Aussicht auf eine Fortführung, insbesondere bei fehlenden Finanzmitteln, dann kann das Insolvenzrecht auch nicht mehr weiterhelfen. Das deutsche Insolvenzrecht bietet zwar Instrumente zur Sanierung, doch deren Erfolg hängt maßgeblich von der Umsetzung effektiver Restrukturierungsmaßnahmen ab.
Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, dann bleibt – auch zum Schutz der Gläubiger und des Marktes – die Abwicklung. Was bei Lilium einen bitteren Beigeschmack hinterlässt ist die Tatsache, dass die technischen Herausforderungen von dem Unternehmen wohl gemeistert waren. Es fehlte aber wie so oft an der Unterstützung eines innovativen Ansatzes, der jetzt in anderen Ländern als Deutschland umgesetzt wird.
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